Witten. DEW-Mitarbeiter in Witten sollen aufs Weihnachtsgeld verzichten. Sie fühlen sich unter Druck gesetzt – und kritisieren die Geschäftsführung.
Die Stimmung in der Belegschaft der Deutschen Edelstahlwerke ist zum Zerreißen gespannt. Der strauchelnde Stahlkonzern kämpft ums Überleben – nicht zuletzt wegen der Coronakrise. Nun sollen die Mitarbeiter auf ihr Weihnachtsgeld verzichten. Zwei von ihnen melden sich zu Wort – und prangern den Umgang der Geschäftsführung mit den Arbeitern an.
„Vier Wochen bevor wir das Weihnachtsgeld bekommen sollten, setzt man uns die Pistole an den Kopf“, so einer der beiden Stahlwerker, die anonym bleiben möchten. „Das ist eine Frechheit.“ Schon 2016 und 2017 haben die DEW-Mitarbeiter auf die Sonderzahlung zum Jahresende verzichtet. „Aber damals hat man schon Anfang des Jahres mit uns darüber geredet.“
Familienväter haben schon Weihnachtsgeschenke geplant
Gerade die Kurzfristigkeit stößt den beiden langjährigen Stahlwerkern sauer auf. So hätten die Familienväter unter den Kollegen schon die Weihnachtsgeschenke für die Kinder geplant – die ohne den Bonus deutlich kleiner ausfallen müssten. Die Belegschaft würde sich zudem unter Druck gesetzt fühlen.
Sehr oft sei der Satz gefallen, dass die Arbeiter dem Verzicht zustimmen müssten, sonst müsse der Arbeitgeber früher oder später Insolvenz anmelden. Dabei gehe die Stammbelegschaft ohnehin schon „auf dem Zahnfleisch“, berichten sie. Manch einer komme nur noch mit Bauchschmerzen zur Arbeit, andere würden psychisch unter der Situation leiden.
„Hangeln uns von Halbjahr zu Halbjahr“
„Wir hangeln uns doch nur von Halbjahr zu Halbjahr“, fasst einer zusammen, wie er die Situation wahrnimmt. Die Mitarbeiter sollten dabei stets verzichten, während das Management „den Karren an die Wand fährt“. So müssten die Mitarbeiter seit diesem Jahr auf den Sonntagszuschlag verzichten. Auf Anfrage unserer Redaktion wollte die Geschäftsführung dazu nichts sagen.
Von der Führung gebe es kein Konzept für die Zukunft, kritisieren die Stahlarbeiter. „Ein Torwart, der beim Spiel jeden zweiten Ball durchlässt, wäre schon längst ausgetauscht worden. Aber unsere Geschäftsführung ist immer noch da.“ Hinzu kommen die Sorgen wegen des Sanierungstarifvertrages, den das Unternehmen gerade mit der Gewerkschaft aushandelt. „Es heißt, wir sollen monatlich 200 bis 300 Euro weniger bekommen“, fürchten die beiden. Zudem planen die Edelstahlwerke eine „erhebliche Reduzierung der Belegschaft in den kommenden Jahren“, wie die Geschäftsführung in einem Brief an die Mitarbeiter schreibt.
Stahlwerker wollen nicht aufs Weihnachtsgeld verzichten
Deshalb sind die beiden Männer auch gegen einen Verzicht auf das Weihnachtsgeld – und zwar grundsätzlich. Sie sähen „keinen Sinn mehr“ und „keine Zukunft“, sagen sie, „dann lieber eine Insolvenz.“ Noch seien sie mit Anfang 40 jung genug, um sich anderweitig zu bewerben.
Zwischen Gewerkschaft und Geschäftsführung soll am Mittwoch (28.10.) darüber verhandelt werden, auf wie viel Prozent ihres Weihnachtsgeldes die Mitarbeiter verzichten sollen. Das Unternehmen will laut Betriebsrat nur 30 Prozent auszahlen, dieser fordert aber 60 Prozent des Bonus ein. Sollte das Management nicht von seiner harten Linie abweichen, haben IG Metall und Betriebsrat mit einem Scheitern der Gespräche gedroht.
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