Witten. Die ersten Kunden kamen morgens um sieben oder acht, kaum dass der Supermarkt geöffnet war. Die Einkaufswelle, sie rollt vor Ostern in Witten.
Man stelle sich vor, die Kanzlerin hätte die ursprünglich verordnete „Osterruhe“ nicht wieder zurückgenommen: kein buntes Treiben auf dem Wochenmarkt in Witten, keine Schlangen an der Wursttheke, keine Frühkunden, die schon morgens um sieben vorm Supermarkt stehen.
Es ist ein Gründonnerstag, wie wir ihn kennen. Strahlend schön und wer kann, erledigt jetzt „schon“ die Ostereinkäufe. Die Händler sind jedenfalls heilfroh, dass Merkel mit ihrem Ruhetag wieder zurückgerudert ist. Auf dem Wochenmarkt treffen wir: eine bestens gelaunte Blumenhändlerin. „Vielen Dank, alles Gute, frohe Feiertage“, wünscht sie den Kunden, die mit bunten Sträußen von dannen ziehen. Ob Hornveilchen oder Hyazinthe, frische Farben sind gefragt. Man braucht ja was für die Seele, gerade in diesen Lockdown-Tagen.
Ein zusätzlicher Ruhetag in Witten? „Wäre bei den steigenden Zahlen vielleicht besser gewesen“
Vor dem Obst- und Gemüsestand hat sich eine längere Abstands-Schlange gebildet. „Ich habe für heute Spargel vorbestellt“, sagt Andrea (39), die mit ihrem Kinderwagen noch recht weit hinten in der Reihe steht. Sie hätte an diesem Gründonnerstag auch gut mit einem „Ruhetag“ leben können. „Wäre bei den steigenden Zahlen vielleicht besser gewesen.“
Dann hätten wir die „Freilandeier aus dem Münsterland“, die frischen Forellen aus dem Elbschetal oder die „leckere Linda“ beim Kartoffelhändler vermutlich schon am Dienstag gekauft. So sehen es auch die Wochenmarktbesucher. Natürlich hätten sie sich auf eine fünftägige Osterruhe eingestellt. Die gute Hausfrau sorgt vor.
Supermarkt-Kassiererin aus Witten: „Die Leute kommen in Schüben“
Nun aber blieb oder bleibt doch noch der Gründonnerstag und Karsamstag zum Einkaufen und darüber sind gerade die Verkäuferinnen froh. „Unvorstellbar“, „eine Katastrophe“, sagen sie, wenn sich alles am Mittwoch oder Karsamstag in den Geschäften geknubbelt hätte.
Auch jetzt ist es ja schon voll genug. „Die Leute kommen in Schüben“, sagt die Kassiererin in einem Discounter, wo es zur Mittagszeit an diesem Gründonnerstag recht ruhig zugeht. Im benachbarten Frischemarkt ist es viel voller. Was einer Verkäuferin dort einfach nicht einleuchten will: „Warum kommen so viele schon um acht, wenn wir gerade aufmachen?“
Schlangen im Supermarkt und gähnende Leere in der Stadtgalerie in Witten
Sei’s drum. Lebensmittelhändler müsste man sein. Jedenfalls vor Ostern. Es wird gekauft, was das Zeug hält, auch Luxusdelikatessen, schöner Schinken, bester Käse, Fisch, Fleisch - dieser Branche droht nie ein Lockdown. Einkaufen nach Herzenslust. Ohne Negativtest, ohne Adresslisten, nur mit Maske und Wagen.
Verlässt man die Supermärkte, fühlt man sich wie in einer anderen Welt. Die Innenstadt: nicht tot, aber sehr ruhig. In der Stadtgalerie herrschen Frust und Leere. H & M denkt daran, wieder zu schließen, TK Maxx tut es ab Samstag (3.4.), der Saturn ist seit der Lockdown-Verlängerung schon dicht und der New Yorker? Noch auf, mal abwarten. Feti Güvenc von Intersport hält im Untergeschoss die Stellung. Gäbe es doch zumindest ein Testcentrum mitten in der Stadt, vielleicht in der Stadtgalerie, bei so viel Leerstand, wünschte er sich. Aber auch das ist derzeit wohl nicht in Sicht.
Negativtest hat sich bei Kunden in Witten bisher nicht durchgesetzt
Der Negativtest hat sich bei den Kunden in Witten bisher jedenfalls nicht durchgesetzt. Viele wissen offenbar immer noch nichts davon und wollen einfach so einkaufen gehen. Oder, die zweite, ebenso wahrscheinliche Variante: Vielen ist der Aufwand zu groß. In der Innenstadt müsste man in die Werkstadt oder in eine Arztpraxis. So bleibt es überwiegend bei entweder geschlossenen Geschäften, auch in der Fußgängerzone, oder „Click & collect“: bestellen und abholen. Das kann man zum Beispiel bei Gassmann, die wie in guten alten Zeiten mittags von 13 bis 15 Uhr geschlossen haben.
Lockdown in Witten, bis zum 18. April. Man sieht sich.