Witten. Es waren zwei Corona-Demonstrationen in Witten, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Wie es gelang, die Gruppen auseinanderzuhalten.
Wenn es allein nach der Lautstärke ging, hatten die Corona-Kritiker, Querdenker und Impfgegner die Vorteile auf ihrer Seite. Aber nicht die Mehrheit der Teilnehmenden. Mehr als 200 Menschen, so viele wie noch nie, demonstrierten am Montagabend gegen die „Spaziergänger“ in Witten.
Die beiden Protestzüge setzen sich nach 18 Uhr in der Innenstadt in Bewegung. Zuerst laufen die Corona-Kritiker am Kornmarkt los, wenig später die Gegendemonstranten vom Rathausplatz. Die einen gehen die Johannisstraße Richtung Lutherpark hoch, die anderen ziehen über die Bahnhofstraße ins bunte Wiesenviertel. Aufgrund der unterschiedlichen Streckenverläufe und der starken Polizeipräsenz treffen beide Gruppen nicht aufeinander. Alles bleibt friedlich.
400 bis 500 Menschen waren in Witten auf der Straße
Insgesamt mögen mehr als 400 Menschen auf der Straße sein, davon gut 100 bis 150 auf Seiten der Impfgegner. Sie fallen schon dadurch auf, dass viele zunächst keine Maske tragen. Das ändert sich, als Polizei und Ordnungsamt einzelne Teilnehmer darauf ansprechen. Auf Seiten der Gegendemonstranten, die als „Bündnis gegen Rechts“ mit linken Gruppen einschließlich Montagsdemo, aber auch SPD, Grünen oder Bürgerforum auftreten, ist der Mundschutz selbstverständlich.
Selbst gemalte Plakate und Transparente tragen beide Gruppen, die Corona-Kritiker sorgen mit Trillerpfeifen und Tröten für zusätzliche Aufmerksamkeit. Viele Anwohner sehen aus den Fenstern. Die Corona-Kritiker rufen die bekannten Sprüche, geklaut von der Friday-for-Future-Bewegung und für ihre Zwecke abgewandelt: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit raubt!“
Nicht alle Spaziergänger in Witten stehen rechts
Der Protest der Gegendemonstranten zielt vor allem auf Verschwörungstheoretiker und Rechte, die die Corona-Proteste unterwandern. Es zeigt sich aber einmal mehr, dass unter den Spaziergängern auch viele sind, die nur die Corona-Maßnahmen kritisieren und sich nicht impfen lassen wollen, ganz ohne politischen Hintergrund.
„Ich seh hier keine Rechten“, sagt die 18-jährige Lea (Name geändert), die mit Freund und Mutter unterwegs ist. Warum sie bei den Spaziergängen mitläuft? „Ich bin gegen die Impfpflicht und für freie Entscheidungen.“ Andere protestieren auffälliger. Eine Frau trägt blinkende Lichter und ein Schild: „Ausgrenzung ist Rassismus.“ Ein Kind ruft „Freiheit“. Die Mutter will mit dem Reporter nicht sprechen.
Ein paar Straßen weiter, im Wiesenviertel, stoppt der Zug der Gegendemonstranten, unter ihnen die Ratspolitiker der Linken, Ulla Weiß und Oliver Kalusch, sowie der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Kapschack. Elke (52) und Thomas (66) laufen schon zum dritten Mal mit. Sie sind froh, dass diesmal viel mehr dabei sind als noch bei der stillen Mahnwache vor einer Woche am Rathaus. Das Paar will mit seiner Teilnahme ein Zeichen setzen, „dass es auch anders geht und wir hoffentlich mehr sind als die Querdenker“.
Am Berliner Platz gibt es eine Art Abschlusskundgebung des Bündnisses gegen Rechts. Einzelne Redner, unter anderem der Jusos und der Grünen, bekräftigen lautstark ihr „Nein zu Spaltung und Verschwörung“.
Die Spaziergänger, die angeblich für Freiheit kämpfen, handelten auf Kosten der Gesundheit der anderen. Und wer von einer „Corona-Diktatur“ spreche, beleidige nicht nur den Rechtsstaat, „sondern uns alle, weil wir die Demokratie sind“. Natürlich seien nicht alle Nazis, die da mitliefen. Aber „sie schließen sie auch nicht aus. Das akzeptieren wir nicht. Wir dürfen den radikalen Kräften nicht das Feld überlassen, auch in Witten nicht!“ Lauter Applaus, der Demo-Abend ist fast zu Ende. Die vielen Polizeikräfte ziehen sich langsam zurück. Der nächste Montag kommt bestimmt.