Neviges. Eva Knapp hat 30 Jahre in der Pflege gearbeitet, ihre Erlebnisse in einem Buch aufgeschrieben. Nun kommt die Nevigeserin in ihre Heimat zurück.
Eigentlich, sagt Eva Knapp, ist der Job in der Pflege ein ganz toller. „Es ist ein sehr intimer Vorgang“, sagt die gebürtige Nevigeserin, die seit einiger Zeit in der Nähe von Leer in Ostfriesland lebt. „Wir berühren die Leute nicht nur körperlich, sondern auch seelisch, sind ganz vertraut mit ihnen. Und das ist wunderschön.“
Gar nicht wunderschön sind allerdings die Bedingungen, unter denen Pflegekräfte arbeiten müssen. Weshalb sie ihre Karriere auch anders beendet hat, als geplant. „Nach 30 Jahren im Job hatte ich am Ende einen Burn-Out, habe vier Jahre praktisch nur noch zu Hause verbracht.“
Mit Kreativität aus dem psychischen Loch gearbeitet
In dieser Zeit beginnt Eva Knapp, ihre Erlebnisse kreativ zu verarbeiten. Zunächst greift sie zu Farbe und Pinsel, beginnt zu malen. „Aus meinem Umfeld kam dann auch immer wieder die Anregung, dass ich ein Buch schreiben soll. ‚Du hast doch so viel erlebt‘ habe ich ganz oft gehört.“
Sie denkt darüber nach, denn „geschrieben habe ich eigentlich immer gerne“. Schon vor dem Burn-Out habe sie an Workshops zum kreativen Schreiben teilgenommen. „Da lag das einfach nahe.“ Und so macht sich Eva Knapp ans Werk - mit einer positiven Erkenntnis: „Alles aufzuschreibe hat mir sehr gut getan. Ich habe nämlich schnell festgestellt, dass gar nicht alles doof gewesen ist. Ich habe sehr viel Schönes und auch Lustiges mitgemacht.“
Bühnenerfahrung hilft im Job
Dabei herausgekommen ist ein Buch mit dem Titel „Der Gentleman mit dem Tiger unter dem Bett“. Zahlreiche kurze Episoden, „wahre Geschichten aus 30 Jahren Pflege“, sind zusammengekommen. Etwa jene vom titelgebenden Gentleman mit dem Tiger: Dabei handelt es sich um einen Herrn, der an Demenz litt und fest davon überzeugt gewesen ist, dass unter seinem Bett ein Tiger lebt.
„Meine Bühnenerfahrung hat mir in solchen Situationen geholfen“, erläutert Eva Knapp dazu, die unter anderem auch als Kabarettistin immer wieder auf der Bühne gestanden hat. „Denn ich muss diesen Menschen ernst nehmen. Das Schlimmste was man machen kann ist ihm zu sagen, dass der Tiger gar nicht da ist.“
Stattdessen heißt es: mitspielen. „Das ist im Prinzip Schauspiel“, sagt Eva Knapp. Den Herrn mit dem Tiger hat sie dann eben „ganz leise gewaschen und nur leise gesprochen, um den Tiger nicht zu wecken“. Der Mann war glücklich, sie konnte ihren Job erledigen - ein gutes Ende für beide.
Als die Pflegewelt noch in Ordnung war
Kurzer Rückblick: Als Eva Knapp ihr Examen ablegt, ist die Welt der Pflege noch eine ganz andere. 1985 ist das, ein Jahr später beginnt sie ihren ersten Job. „Damals hatten wir Zeit für unsere Patientinnen und Patienten“, blickt sie zurück. Manchmal hat der Pflegeeinsatz 20 Minuten gedauert, manchmal 40. Manchmal reichte die Zeit auch, dem zu pflegenden Menschen Gesellschaft beim Frühstück zu leisten.
(Häusliche) Pflege boten damals die großen Träger wie Caritas oder Arbeiterwohlfahrt an. Doch auch das Aufkommen privater Pflegedienste änderte zunächst nicht viel. „Entweder haben die Kunden selbst gezahlt oder die Ämter sind eingesprungen. Auch da konnten wir uns noch wirklich um die Menschen kümmern.“
Pflegeversicherung bringt die Wende - nicht zum Guten
Doch dann kommt 1995 die Pflegeversicherung, „und schlagartig hat sich alles geändert“. Jetzt gibt es plötzlich Vorschriften, wie lange ein bestimmter Arbeitsschritt zu dauern hat. „Vor 1995 wurde die Pflege bezahlt, seit dem Pflegeminuten. Ab da war Pflege Akkordarbeit.“
Etwas, was ihr zunehmend zu schaffen macht: „In der Pflege geht es um Menschen. Manche begleiten wir über Jahre, bauen dabei eine Bindung auf.“ In der häuslichen Pflege sogar mehr, als in der stationären. „Wir haben einen Schlüssel zur Wohnung oder zum Haus. Das ist eine so große Nähe, so eine Intimität. Da kann ich doch nicht wie eine Maschine rein, Arbeit erledigen und wieder gehen.“
Psychische Belastung nimmt zu
Zumal sie als Pflegekraft nicht selten der einzige Mensch sei, der sich überhaupt noch um einen Menschen kümmere. „Wenn Menschen alt sind, kinderlos, die Geschwister vielleicht schon längst tot, dann bin ich als Pflegekraft die einzige Abwechslung, der einzige Kontakt.“
Ab und an sei sie dann auch beim letzten Atemzug dabei gewesen. „Da ist ein Mensch in meinen Armen gestorben. Und dann soll ich den liegen lassen und weiter zum Nächsten und da dann so tun, als wenn nichts gewesen wäre?“ Schwierig. Und deswegen steigt sie 2014 aus - und schreibt letztlich das Buch.
Lesung in Neviges
Und mit dem im Gepäck kommt Eva Knapp zurück in die Stadt ihrer Geburt: Am Freitag, 15. November, liest sie ab 19 Uhr im Jugendzentrum Lessingstraße. Eintrittskarten gibt es über die Stadt Velbert oder direkt im Jugendzentrum. „Ich freue mich unglaublich auf diesen Termin“, sagt die ehemalige Nevigeserin. „Ich bin im Siepen groß geworden und nachdem, was ich als Kind dort erlebt habe, bin ich schon stolz, dass ich jetzt zurückkehre und sogar ein Buch geschrieben habe.“
Lesung mit Eva Knapp, „Der Gentelman mit dem Tiger unter dem Bett“: Freitag, 15. November, 19 Uhr, Jugendzentrum Lessingstraße.