Velbert. Um dem Wald zu helfen, haben Schüler am Schloss Hardenberg Bäume gepflanzt. Wie gefährlich die Klimakrise ist, haben einige schon selbst erlebt.
Max kniet im Lehm vor einer Kuhle. Er wirft eine weiße Kapsel in das etwa 20 Zentimeter tiefe Loch und hält die junge Küstentanne hinein. Sie ist erst so hoch, wie ihr Wurzeln lang sind. Jetzt schiebt Lucy mit einem Spaten den kleinen Erdhaufen in das Loch. Max steht auf und tritt mit seinem Thermostiefel die Erde platt. Die kleine Tanne schaukelt im Wind. „Das war schon unsere 13.“, sagt er und lacht.
An diesem Freitag Mitte November pflanzt die 4. Klasse, sie nennt sich Fuchsklasse, der KSG Sonnenschule 130 Küstentannen auf einer Lichtung hinter dem Schloss Hardenberg. Die Aktion geht auf eine Initiative der Stadtwerke Velbert zurück, die so ihr 130-jähriges Bestehen feiern. „Wir als Stadtwerke müssen mittelfristig klimaneutral werden“, sagt Geschäftsführer Stefan Freitag. „Da ist diese Pflanzenaktion ein logischer Schritt für uns.“ Insgesamt spenden die Stadtwerke 1300 Bäume.
Schüler der KGS Sonnenschule pflanzen 130 Küstentannen in Neviges
Max und Lucy, beide 9 Jahre alt, rennen zum nächsten Loch. Um den Aushub hat sich Förster Peter Tunecke vorher gekümmert, die Küstentannen hat er in der Baumschule Küch in Halver besorgt. Eigentlich soll jedes Kind einzeln die Bäume einpflanzen. Max und Lucy allerdings teilen sich die Aufgaben, während er die Tanne hält, schüttet sie die Erde um das Wurzelwerk. „Zusammen sind wir viel schneller“, sagt sie. Es ist Eile geboten im Kampf gegen die Klimakrise – das haben sie schon verstanden.
Eva, auch 9 Jahre, klopft gerade den Boden um eine Küstentanne neben Max und Lucy fest. „Bei der Flut im Sommer ist der Keller meiner Oma überschwemmt“, sagt sie. Ihre Oma flüchtete aus Angst vor dem Wasser ein Stockwerk nach oben. Viele Spielsachen von Eva und die Treppe zum Keller waren danach zerstört. Bis heute träumt ihre Oma von der Überschwemmung „Meine Familie liegt mir am Herzen“, sagt Eva. Auch deswegen will sie sich für den Klimaschutz einsetzen. Sie hat auch schonmal von Fridays for Future gehört, die findet sie gut, sagt sie.
Der Wald in Velbert leidet – Dürre schwächt das Immunsystem der Bäume
Die Klassenlehrerin Sophia Krause, 36, steht daneben, als Eva das erzählt. Sie beobachtet, dass die Kinder heute viel umweltbewusster sind. „Als ich Schülerin war, war das noch gar kein Thema.“ Im Sachunterricht haben ihre Schülerinnen und Schüler gelernt, wie Hefte entstehen und warum man mit Papier sorgsam umgehen sollte. Zusammen haben sie einen Film gesehen, der zeigte, wie die Erderhitzung dem Wald schadet.
Auch die Bäume in Velbert leiden. „Wir kämpfen hier immer wieder mit Pilzbefall“, sagt Förster Tunecke. Der Wald am Schloss Hardenberg besteht zum Großteil aus Laubbäumen. Tuneckes Strategie, um den Wald gegen die Klimakrise zu schützen, lautet, einen Mischwald zu erzeugen. „Unsere Beobachtungen und auch die forstwirtschaftliche Forschung zeigen, dass man so am besten gegen Dürre gewappnet ist“, sagt er.
Küstentannen können viel CO2 speichern
Küstentannen sind eigentlich in Nordamerika und Kanada heimisch, dort wachsen sie in 1600 Meter Höhe. Sie haben lange Wurzeln, sogenannte Pfahlwurzeln, so kommen sie an Wasserschichten tief in der Erde. Das könnte in der nächsten Dürre in Velbert ein Vorteil für sie sein. Außerdem wachsen sie schnell, daher speichern sie viel CO2. Und: Sie sind immergrün. Sie bieten ein gutes Versteck für Wildtiere und verschönern für Spaziergänger den Wald. „Ein Fettauge in der Suppe, eine grüne Insel“, sagt Tunecke.
Um die frisch gepflanzten Bäumchen zu schützen, wird Tunecke regelmäßig das Gras dazwischen mähen. Es würde sonst Nährstoffe und Licht rauben. Außerdem würden sich zu viele Mäuse im Gras ansiedeln, die die Küstentannen anknabbern. In der weißen Kapsel, die die Kinder mit in die Löcher werfen, ist ein Gel, das Wasser um die Wurzel bindet. Tunecke vermutet, dass in fünf Jahren die meisten der Küstentannen noch stehen, nur ein „marginaler Teil, so fünf bis zehn“ werde aufgefressen oder krank.
Neu gepflanzte Bäume werden erst in 30 Jahren wirtschaftlich genutzt
„Wir müssen auch regelmäßig jagen, die Rehe essen immer die Bäume, von denen am wenigsten da sind.“ Eine Gefahr für die zarten Küstentannen. Tunecke sagt, erst in 30 Jahren werde man die „kräftigsten und vitalsten“ der Bäume für wirtschaftliche Zwecke fällen, „wir wollen ja den Holzbau fördern.“
Nach einer Stunde sind die 22 Schülerinnen und Schüler schon fertig. Da der Sportunterricht ausfällt, beginnt ihr Wochenende schon am frühen Mittag. Klassenlehrerin Sophia Schröder will die Zeit nutzen, um mit den Kindern noch einen kleinen Spaziergang durch den Wald zu unternehmen – die Kinder freuen sich.
>> Welche Baumarten noch in Velbert gepflanzt werden sollen
Insgesamt beteiligen sich die Stadtwerke mit 1300 Bäumen am Aufbau der nächsten Wald-Generation. Bis zum Frühjahr sollen weitere frei gewordene Waldflächen bepflanzt werden – unter anderem mit: Rotbuche, Winterlinde, Hainbuche, Douglasie und Europäischer Lärche. An der Lichtung, wo die Schüler die Küstentannen eingepflanzt haben, war seit dem Sturm Kyrill von Natur aus kein neuer Wald entstanden.
Lesen Sie hier weitere Berichte aus Velbert:
- Mobilität in der Stadt: In Velbert gehen Tretroller an den Start
- Husten und Fieber: RS-Virus – „Enormer Ansturm“ in Velberter Kinderarztpraxen
- Sankt Martin: Diese Umzüge finden in Velbert wieder statt
- Auszeichnung: Langenberger Bäckerei unter den Top 10
- Anwerbeabkommen: Wie ein Gastarbeiter-Kind noch immer um seinen Platz kämpft