Langenberg. So schlecht wie heute ging es dem Wald – nicht nur – in Langenberg seit Jahrhunderten nicht mehr. Die erneute Dürreperiode ist nur ein Grund.
„Schauen Sie sich diesen Zweig an“, sagt Peter Tunecke. Das Exemplar ist gut 30 Zentimeter lang, hat einige Verästelungen und ein paar grüne Blätter. „Normalerweise“, fährt der Oberforstrat von den Technischen Betrieben Velbert fort, „erreicht ein Zweig diese Größe nach etwa einem Jahr.“ Dann zählt er die Knospenansätze: „Dieser hier ist zehn bis zwölf Jahre alt. Da steckt gar keine Power mehr drin.“
„Das Erscheinungsbild des Waldes und einzelner Bäume lässt nichts Gutes hoffen“, sagt Tunecke und deutet um sich: Von Bäumen platzt die Rinde ab, Blätter verfärben sich braun, fallen ab, ganze Äste sind morsch. „So eine Schwächung, so eine Vitalitätsabnahme hat die Forstwirtschaft in den letzten 250 Jahren nicht gesehen.“ Der Zustand des Waldes „ist erschreckend“, stellt Tunecke fest.
Nur jeder sechste Baum ist gesund
Inzwischen sei nur noch jeder sechste Baum gesund, „und das geht weiter“. Das Gros der Fichten etwa „müssen wir aufgeben. Es gibt noch einige geringfügige Reste, aber die holt sich der Käfer auch noch.“ Brauchte es früher rund 2000 Borkenkäfer, um einen gesunden Baum absterben zu lassen, „reichen heute 200“.
Doch der Reihe nach, denn der explodierende Befall mit Schadinsekten ist eine Folge von anhaltender Dürre und hohen Temperaturen. Bereits das dritte Jahr in Folge regnet es zu wenig. „Bis in anderthalb Meter Tiefe ist der Boden staubtrocken“, sagt Tunecke. Hinzu kommt, dass der Grundwasserspiegel immer weiter absinkt, weil der Nachschub fehlt.
Platzregen hilft gar nicht
„Und so ein Platzregen bei Gewitter bringt gar nichts“, erläutert der Forstwirt. Denn die feinen Öffnungen im Boden – so genannte Kapillare – können die Massen an Wasser gar nicht aufnehmen, zudem das aufschlagende Wasser das Bodenmaterial so verschiebt, dass diese natürlichen Röhrchen auch noch verschlossen werden. „Das fließt alles seitlich ab und kann das Grundwasser gar nicht nachfüllen“, sagt Tunecke.
Obwohl der Februar recht feucht war, machte das Wetter danach jede Hoffnung zunichte. Bereits Ende März startete die erste Trockenperiode, die bis in den Mai hinein reichte. „Dazu kam starker Ostwind“, erläutert Tunecke. Der ist ebenfalls trocken. „Pro Quadratmeter Blattfläche verdunsten jeden Tag sechs Liter. Und wenn über Wochen nichts nachkommt, helfen auch die Reserven aus dem Februar nicht mehr.“
„Wahl zwischen verhungern und verdursten“
Nun kommt erneut die Hitze dazu: Bei solchen Temperaturen schließen Blätter ihre Poren, damit nicht noch mehr Wasser verdunstet, um den Baum vor zusätzlicher Transpiration zu schützen“, erläutert Fachmann Peter Tunecke. Der Baum könne aber kein Wasser nachziehen, weil im Boden nichts mehr ist. „So entsteht eine Saugspannung in den Leitbahnen, die dann geschädigt sind oder reißen.“
Kommt nun doch plötzlich viel Wasser, „kann es zu einer Embolie kommen“, sagt Tunecke. Der Baum hätte dann also die Wahl „zu verhungern oder zu verdursten.“ Auf solche Extremsituationen reagiert der Baum mit einer so genannten Vollmast. Das heißt: Er wirft alles an Samen ab, was da ist. „In der Natur ist der Erhalt der Art wichtiger, als der Erhalt des einzelnen Individuums“, erläutert Tunecke.
Struktur des Baumes geschwächt
Diese Vollmast aber entziehe dem Baum jede Menge Kraft. „Normalerweise haben Sie so etwas ein- bis zweimal pro Jahrzehnt“, so Tunecke. „Aber in den vergangenen zehn Jahren hatten wir das gleich sieben oder acht Mal.“ Dementsprechend geschwächt seien die Bäume jetzt.
Das führe dazu, dass die Struktur im Baum nicht mehr stark genug sei, die Statik also Schaden nehme, so Tunecke. „Und das wiederum kann zu Astbrüchen führen. Auch gesund aussehende Äste fallen dann ab, weil der Baum sie nicht mehr halten kann.“
Äste fallen herunter, Bäume fallen um
Deswegen unterstreicht Tunecke, dass das Betreten des Waldes immer auch eine Gefahr berge: „Äste können plötzlich abbrechen, auch Bäume können umfallen.“ Deswegen würden auch regelmäßig so genannte Gefahrenbäume entnommen – allerdings nur dort, wo zum Beispiel Straßen, Häuser oder Wege gefährdet sind. Mitten im Wald, so Tunecke, „kann der Baum auch umfallen. Da machen wir dann nichts.“
Aber: „Noch so ein Jahr und ich bin mir sicher, dass wir Teile des Waldes sperren müssen“, unterstreicht Tunecke den Ernst der Lage.
Waldbrandrisiko ist sehr hoch
Doch nicht nur Astbruch und abknickende Bäume sind eine Gefahr für Waldbesucher. Mit der Trockenheit steigt auch das Waldbrandrisiko, abgestorbenes Holz tut sein Übriges dazu.
„Nicht rauchen, nicht grillen, kein Feuer“, appelliert Tunecke an die Waldbesucher. „Und bitte nicht das Auto auf Grasstreifen parken.“ Denn die Hitze, die etwa der Katalysator abstrahle reiche, um das trockene Gras in Brand zu setzen.
Wald wird sich verändern
Und die Zukunft? „Wir wissen nicht, wo die Reise hingeht“, sagt Peter Tunecke. Zur Zeit werde viel experimentiert, etwa mit anderen Baumsorten. „Was wir erwarten können ist: Irgendeine Form der Vegetation wird es geben. Aber ob es der klassische, dichte Wald sein wird, das bezweifle ich.“
Auch das Erscheinungsbild werde sich ändern, andere Baumarten wachsen. Hoffnung mache momentan zum Beispiel die Ess-Kastanie, auch Douglasien und bestimmte Tannenarten kämen besser mit dem Klima zurecht. Doch Ergebnisse brauchen Zeit, bis ein Baum groß ist, dauert es Jahrzehnte. „Die Forschung ist dran“, sagt Tunecke, „aber ob wir alles richtig gemacht haben, das müssen die nächsten Generationen beurteilen.“
Käfer und Pilze sind ein Problem
Der Borkenkäfer ist inzwischen so aggressiv, dass er nicht nur Fichten befällt, sondern auch andere Baumarten. „In denen kann er sich zwar nicht entwickeln, um den Baum zu töten, reicht es aber“, erläutert Oberforstrat Peter Tunecke.
Ist der Käfer erst einmal im Baum, können auch Pilze in den Baum eindringen. Die schädigen den Baum zusätzlich.
Und auch Bäume können Sonnenbrand bekommen: Bei zuviel Einstrahlung wird die Schicht unmittelbar unter der Rinde geschädigt, die Rinde platzt ab – das Einfallstor für Schädlinge ist offen.