Sprockhövel/Hattingen. Die siebenköpfige Familie Masri wohnt in einer Flüchtlingsunterkunft. Hier wird der Terror des Assad-Regimes mit dem Griff zum Handy deutlich.
Manchmal sagen Bilder mehr als tausend Worte: Mohamed Masri bittet, auf sein Smartphone zu schauen. Der 18-Jährige zeigt eine Bildergalerie des Grauens, hunderte Dokumentationsfotos von männlichen Leichengesichtern aus dem berüchtigten Gefängnis in Saidnaya nahe Damaskus, wie es in Syrien unzählige gibt. „Es sind auch Verwandte darunter, furchtbar misshandelt und gequält, bevor sie von Assads Leuten umgebracht wurden“, sagt Masri, der mit seiner Familie in Sprockhövel lebt.
Eine kleine Erfolgsgeschichte
Vater, Mutter und fünf Kinder der Familie Masri leben durchaus privilegiert seit September in einer freundlichen Wohnung der neuen Flüchtlingsunterkunft in Merklinghausen. Überhaupt ist der Teil ihres Lebens, der hier seit einigen Jahren in Sprockhövel stattfindet, eine kleine Erfolgsgeschichte. Ein ganz anderes Bild vermittelt die Familie von ihrem früheren Leben in Syrien, das von Terror, Angst und Perspektivlosigkeit geprägt war. Und das bestimmt den Blick auf Syrien jetzt, wo der Diktator zwar weg, die Unsicherheit aber groß ist.
Besuch bei Familie Masri
Es gibt so viele Besonderheiten, die im Umgang mit geflüchteten Menschen beachtet werden wollen. In Dunkelheit unangekündigt einfach mal bei der syrischen Familie Masri anklingeln, das ist für die dort lebenden Menschen bereits eine Prüfung. Ein Deutscher mit Schreibblock und Kuli vor der Tür, - ist der vom Amt? Was will der? Erklärungen werden da erstmal missverstanden, bis der Sohn hilft und den offenbar harmlosen Mann hereinbittet.
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Bald aber greift diese wunderbare Gastfreundschaft auch und gerade Fremden gegenüber, wie man sie aus arabischen Ländern kennt. Schuhe aus, rauf aufs Sofa, ein Tee gefällig? Natürlich hat Familie Masri am Wochenende viel ferngeschaut, die Ereignisse in ihrer Heimat Syrien haben sich ja überschlagen. Parallel hielt Vater Abdulazez übers Internet Kontakt zur weitverzweigten Sippe vor Ort in Aleppo.
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Das wichtigste Gefühl: „Wir sind glücklich, dass Assad weg ist“, sagt Sohn Mohamed im Namen der ganzen Familie, er spricht gut verständlich Deutsch. Aber die blutige Spur, die diese Herrscherfamilie über ein halbes Jahrhundert in Syrien gezogen hat, ist selbstredend geblieben.
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Die Masris sind keine Leute, die fahnenschwenkend und jubelnd durch die Innenstadt ziehen, auch wenn die Freude größer ist, als sie sie gegenüber dem Besucher zeigen. Sie machen sich seit dem Umsturz Gedanken, was das alles für sie persönlich bedeuten könnte. Die Eltern lernen fleißig die Sprache der „neuen Heimat“, wie sie Deutschland nennen. Ein Kind besucht die Grundschule, Tochter Iman Masri die Mathilde-Anneke-Schule in Niedersprockhövel, Sohn Mohamed ist in der 10. Klasse und jobbt gerade nebenher bei Netto, um dann eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker in Wuppertal zu beginnen. Seine Schwester Iman plant, nach dem Hauptschulabschluss Krankenschwester zu werden.
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Das Übersetzungsprogramm auf dem Handy von Mutter Ahid Syed hilft, auch etwas kompliziertere Gedanken auszutauschen. „Viele Flüchtlinge aus Syrien überlegen jetzt, zurückzugehen“, sagt sie. Mit ihrem Mann ist sie sich einig, dass da eine Entscheidung im Sinne der Familie zu treffen sein wird. „Die Kinder stehen hier vor einer guten Zukunft, das dürfen wir nicht einfach gegen die Unsicherheit in Syrien nach Assad eintauschen.“
Von der in Deutschland nun einsetzenden Debatte um eine zügige Rückführung der syrischen Flüchtlinge in ihr Herkunftsland haben die Masris noch nichts mitbekommen. Das würde sie wahrscheinlich noch mehr verunsichern. Geht es nach dem Willen der siebenköpfigen Familie in Merklinghausen, so wird sie bleiben. Mohamed Masri: „Eine normale Wohnung suchen, arbeiten gehen, keine Angst mehr haben müssen.“