Oberhausen. Franziska Krumwiede-Steiner gehört dem Bundestag bereits an. Der jetzigen Kandidatur in Oberhausen ging ein Streit in Mülheim voraus.

Die vorgezogene Bundestagswahl hat manche Parteien kalt erwischt. Sie mussten sich nämlich schneller als geplant einig werden, wen sie als Direktkandidaten ins Rennen schicken. Etwas anders sieht das bei den Grünen aus. Denn zu ihnen ist vor wenigen Monaten mit der Mülheimerin Franziska Krumwiede-Steiner eine Politikerin gewechselt, die bereits dem Parlament angehört. Für die jetzige Kandidatur bekam sie daher starken Rückenwind, einstimmig sprach sich die Versammlung für die 39-Jährige aus.

Bei den Oberhausener Grünen fühlt sich die Abgeordnete sehr wohl

Bei einem Besuch im neuen Grünen-Parteibüro an der Stöckmannstraße kommt Krumwiede-Steiner auf die Gründe für ihren Wechsel zu sprechen. Nach monatelangen Querelen mit den Mülheimer Grünen habe sie den Schlussstrich gezogen, bedauere das Zerwürfnis aber dennoch sehr. In einer Kampfabstimmung um die Bundestagskandidatur war sie, jahrelang Partei- und Fraktionschefin, dem Konkurrenten Björn Maue recht knapp mit 62:52 Stimmen unterlegen. Die Wahl sieht sie sehr kritisch, es wurde der Vorwurf der Wahlmanipulation laut. Demnach hätten auch Geflüchtete an der Abstimmung teilgenommen, die erst kurz vorher als Mitglieder angeworben worden seien.

Als der parteiinterne Clinch immer weiter eskalierte, klopfte Krumwiede-Steiner bei zwei Oberhausener Grünen-Größen an, Bärbel Höhn und Sebastian Girullis, zu denen sie seit langem enge Kontakte pflegt. Schließlich nahm man sie Oberhausen freudig auf. „Das fühlte sich richtig gut an“, sagt die Politikerin heute.

Nachträglicher Einzug in den Bundestag war für Oberhausener Kandidatin eine faustdicke Überraschung

Dass sie überhaupt im Februar in den Bundestag einzog, war eine faustdicke Überraschung. Zweimal schon hatte Krumwiede-Steiner kandidiert, 2017 und 2021 – ohne Erfolg. Doch durch die Nachwahl in einigen Berliner Bezirken, wegen vorheriger Pannen erforderlich geworden, entstanden Verschiebungen. Die Berliner Grünen-Abgeordnete Nina Stahl musste gehen und die Mülheimerin übernahm den Sitz.

„Ich wünsche mir schon seit Jahren, im Bundestag mitmischen zu können. Deshalb habe ich mich über das Mandat riesig gefreut“, sagt die promovierte Studienrätin. Dass sie innerhalb von zwei Wochen Abschied nehmen musste von ihren Klassen an der Mülheimer Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Mülheim, war dann aber doch ein schwerer Schritt. Mit einer ganzen Reihe von Schülern steht sie aber weiterhin in Kontakt, beispielsweise über das soziale Netzwerk Tiktok. Dort ist sie schon seit einiger Zeit präsent und hält es auch für wichtig, in dem Netzwerk Gesicht zu zeigen. Eine Partei wie die AfD habe unter jungen Leuten nicht zuletzt solche Erfolge, weil sie den Kanal zu nutzen weiß, erklärt die Grünen-Politikerin. Deshalb müsse man der Plattform eine entsprechende Beachtung schenken.

Oberhausener Grünen-Kandidatin zieht mit Slogan „Mehr Kohle für Bildung“ in den Wahlkampf

Damit kommt die Mutter zweier Töchter (5,10) auf die Ziele zu sprechen, für die sie einsteht und nennt drei entscheidende Stichworte: Bildung, Familie, Kinder. Dazu habe die Ampel einiges erreicht und auch nach dem Scheitern der Koalition seien noch Beschlüsse gefallen. Als Beispiel nennt sie den Digitalpakt, der Milliarden für Schulen vorsieht, das Start-Chancen-Programm für benachteiligte Kinder und Jugendliche oder auch das Ringen um die Kindergrundsicherung, das durchaus die Hürden einer solchen Initiative, aber eben auch die Notwendigkeit aufgezeigt habe.

Dringenden Handlungsbedarf sieht sie bei der Reform der Schuldenbremse, damit ein Klima für Investitionen entsteht. Zugleich müsse auch zwingend eine Lösung her, um gerade die Städte im Ruhrgebiet von den Altschulden zu befreien, um ausreichend Handlungsspielräume zu schaffen. Besuche bei der Oberhausener Caritas, der Ruhrwerkstatt oder auch dem Friedensdorf hätten ihr soziale Schieflagen aufgezeigt, derer man sich annehmen müsse. Worauf es ihr vor allem ankommt, zeigt der Wahlkampfslogan: „Mehr Kohle für Bildung“.

Grüne in Oberhausen
Franziska Krumwiede-Steiner sieht dringenden Handlungsbedarf, die Schuldenbremse zu reformieren und fordert, die Städte von den Altschulden zu befreien. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Früher eher rebellisch, heute sucht die Abgeordnete durchaus den Kompromiss

In den klaren und deutlichen Worten scheint manchmal noch etwas von den Anfängen ihres politischen Engagements durchzuschimmern. Franziska Krumwiede-Steiner stammt aus dem bayerischen Ingolstadt, der Heimat des einstigen CSU-Chefs Horst Seehofer. „Da war ich schon sehr rebellisch“, sagt sie. Anders habe man sich auch kaum Gehör verschaffen können, ob beim Umweltschutz oder der Atompolitik.

Heute steht sie durchaus auf Kompromisse, gehörte in Mülheim zu den ersten Grünen auf Stadt- und Gemeindeebene, die eine Koalition mit der CDU geschlossen haben. Sie könnte sich auch gut vorstellen, dass das auf Bundesebene klappt. Kanzlerkandidat Merz hätte wohl nichts dagegen. Dass CSU-Chef Söder sich weigert, verwundert die Politikerin keineswegs. In Bayern hätten die Grünen noch immer einen schweren Stand.

Insgesamt betrachtet, so betont sie, sei der aktuelle Wahlkampf sehr gut angelaufen, was nicht zuletzt an Kanzlerkandidat Robert Habeck liege. Die heiße Phase werde aber wohl eher nach Weihnachten beginnen. Falls es für sie nicht zu einem erneuten Einzug in den Bundestag reichen sollte, ist der Weg vorgegeben: Dann kehrt sie an die Mülheimer Gesamtschule zurück. Vielleicht klappt es aber vorher noch, die Einladung eines ehemaligen Lehrers aus Bayern anzunehmen. Er hat sie gebeten, den Schülern das Thema Bundestagswahl näherzubringen.

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