Oberhausen. Mittelfinger, Knallkörper, Kirmes: Partysänger Ikke Hüftgold hat Tourfinale in der Turbinenhalle Oberhausen gefeiert. Fans von Gästen überrascht.
Um Ikke Hüftgold richtig zu verstehen, muss man vielleicht schon einmal auf allen vieren krabbelnd nach seiner Muttersprache gesucht haben. Der Mann aus Limburg spezialisiert sich auf den Soundtrack bierseliger Ballermann-Urlaube. In der Hackordnung der Zicke-Zacke-Interpreten rangiert er neben Mickie Krause („Schatzi, schenk mir ein Foto“) und Mia Julia Brückner („Peter Pan“) zweifelsfrei in der Spitzengruppe.
Darum gönnte sich der 48-Jährige zum Abschluss seiner Solotour „Nummer eins“ in der Turbinenhalle Oberhausen das ganz große Geschirr. Es ist ein launiger Polterabend mit 3000 Fans. Fette Halle, Überraschungsgäste, Feuerwerk.
Eigentlich heißt er Matthias Distel. Doch der bürgerliche Name bleibt in drei Stunden Party-Konzert genauso verdeckt, wie seine natürliche Frisur. Eine schwarze Klätschhaar-Perücke ist sein Markenzeichen. Die brummende Stimme und reihenweise Zoten in den Songtexten ebenfalls. Er singt: „Ich überlege mit dem Saufen aufzuhören. Aber ich schwanke noch. Ich schwanke noch…“
Ikke Hüftgold in Oberhausen: Bei Isi Glück und Marc Eggers fliegen die Oberteile
In der Turbinenhalle hätten wohl noch ein paar Fans mehr einen stabilen Stehplatz gefunden. Doch zur Ikke-Mania ist es beachtlich gefüllt. Seine jüngere Freundin Nina Reh heizt im Vorprogramm ein und probiert sich als Party-Kleptomanin. Sie dichtet fremde Pop- und Schlagersongs einfach um und setzt den Namen ihres Freundes ein. Amüsant!
„Ich überlege mit dem Saufen aufzuhören. Aber ich schwanke noch. Ich schwanke noch…“
Als hunderte Fans noch in der langen Warteschlange am Einlass ausharren, lässt es schon DJ Timo Scheppert krachen. Überraschungsgäste würzen Hüftgolds letzte Schicht der Tour. Die singende Schönheitskönigin Isi Glück gehört zu den großen weiblichen Stars von der mallorquinischen Playa.
Im bauchfreien Top und mit getönter Sonnenbrille konnte man fast glauben, dass die Saison am Ballermann schon wieder startet. Zum Sommerhit „Delfin (in meiner Bauchtasche)“ färben Lichteffekte die Turbinenhalle in ein maritimes Blau. Verdammt cooler Auftritt!
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Dieser wird noch interessanter als mit Marc Eggers ein überraschender Duett-Partner die Bühne betritt. Derzeit machen im Boulevard Trennungsgerüchte von Eggers und seinem Partner, dem Tokio-Hotel-Sänger Bill Kaulitz, die Runde.
Von Trübsal ist beim Männermodel in Oberhausen aber nichts zu merken. Mit Isi Glück hat Eggers die Striptease-Hymne „Oberteil“ aufgenommen. Kostprobe: „Ich find dich obergeil, in deinem Oberteil. Wenn’s nach mir geht, darf‘s auch ohne sein.“ Dutzende Fans entledigen sich folglich ihrer Shirts und lassen den Stoff wie Windmühlenflügel kreisen - auch Eggers macht mit.
Ikke Hüftgold in Oberhausen: Partysänger eckte an - von „Layla“ bis „Bumsbar“
Und Ikke Hüpfgold? Seine fünfköpfige Band „Panama 24“ lernte er auf einer Kirmes kennen. Dass er beim Konzert überhaupt Instrumente an seiner Seite hat, ist ungewöhnlich. Sonst kommen zünftige Melodien nur vom Band.
Der ausgestreckte Mittelfinger gen Publikum ist bei Ikke Hüftgold nicht als Beleidigung zu verstehen, sondern Begrüßungsritual. Die Stimmung kocht. Einige Fans haben sich einen Trainingsanzug angezogen. Andere tragen Nikolausmützen. Ein Fan schwenkt sogar eine Laterne, an der eine beleuchtete Bierflasche baumelt.
Ja, man merkt dem Profi nach hunderten Auftritten an: Das hier ist kein Schützenfestzelt, kein Stadtfest, kein Goldstand-Biergarten oder Ballermann-Bierkönig, wo alles schnell gehen muss. Solo-Konzerte sind nicht Alltag, sondern Königsdisziplin. 3000 eigene Fans in der Turbinenhalle scheinen mehr aufzuwiegen als zehntausende Jubler bei Großfestivals, bei denen er einer von vielen ist.
Und so reist das Konzert durch eine 15 Jahre andauernde Schunkel-Karriere, die vom vielen Anecken von jeglichem Umtausch ausgeschlossen sein müsste. Das von ihm produzierte „Layla“ („schöner, jünger, geiler“) sorgte bis auf die politische Bühne für Empörung, Sexismusvorwürfe - und Platz eins der Hitparade. Das Entsetzen war noch nicht abgeebbt, da legte er mit „Bumsbar“ („Heute sind wir wieder bumsbar. Geile Mädels, geile Jungs da“) nach. Aber irgendwann hatten auch die Prüdesten wohl schon alles gehört, der Proteststurm wurde zum lauen Lüftchen.
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Dass sich die Faszination von Fäkalzeilen wie „Wir haben wieder keine Farbe im Urin“ nicht bei einem Tässchen Kamillentee erschließen lässt, dürfte sowieso klar sein.
Als Fußballer Timo Werner 2016 mit RB Leipzig gegen Schalke mit einer dreisten Schwalbe auffiel, goss Hüftgold beim folgenden Shitstorm mit dem umgedichteten Schmähgesang „Imo Erner ist kein Urensohn!“ auch noch Öl ins Feuer.
Ikke Hüftgold in Oberhausen: Bei „Pyrotechnik“ knallt es und Feuersäulen zischen
Apropos, Feuer! In der Turbinenhalle kracht und zischt es in einer Tour. Beim heimlichen EM-Hit „Pyrotechnik (ist doch kein Verbrechen)“ leuchten Fackeln und bersten Knallkörper, dass Brandschutzbeauftragte wohl noch die durch ihre hochgezogenen Augenbrauen ausgelösten Krämpfe auskurieren.
Apropos, Fußball! Als Ikke Hüpftgold ins Plaudern gerät und wild nach favorisierten Fußballvereinen fragt, von BVB über Schalke bis Bayern, folgt ein Buh-Gewitter nach dem anderen. Praktischerweise liefern Partyschlager für alles eine Lösung: „Malle ist der geilste Club der Welt“ sorgt für Konsens.
Wer bei Ikke Hüftgold übrigens nur den proletenhaften Bad Boy sieht, fällt auf eine geschickte Maskerade herein. Der Sänger betreibt mit „Summerfield Records“ eines der professionellsten Labels der gesamten Schlagerbranche. Matthias Distel, der früher in Rockbands spielte, sieht in seinem Alter Ego „Ikke Hüftgold“ eine Satirefigur. Er macht bei „Promi Big Brother“ mit, bastelt einen Blödelsong für den Vorentscheid zum Eurovision Songcontest (ESC) zusammen, aber diskutiert auch in seriösen Talkshows wie „Hart aber fair“.
Seine Kinderstiftung „Summerfield Kids Foundation“ hat einen ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst ins Leben gerufen, über den mehr als 120 Familien unterstützt werden. Es gibt Momente, an denen das Leben eben nicht eine einzige Party ist.
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