Oberhausen. Die Ludwiggalerie stellt Walter Moers ins Zentrum. Doch im Kleinen Schloss machen Frauen mit scharfem Blick dem großen Zeichner Konkurrenz.
In seinem erstaunlich umfassenden „Comic-Verführer“ hat Timur Vermes, der Bestseller-Autor der Hitler-Satire „Er ist wieder da“, für den eigentlich kongenialen „Adolf“-Zeichner Walter Moers nur wenige Zeilen übrig. Sein Argument: Der 67-jährige Wahl-Hamburger sei ja längst Romancier und damit sein eigener Buchillustrator. Die „sequenzielle Bilderzählung“, als die man Comics definieren könnte, treffe für ihn nicht mehr zu.
Ganz ohne Comics (im engeren Sinn) will aber auch die Ludwiggalerie während ihrer großen Moers-Retrospektive „Was gibt’s denn da zu lachen?“ nicht auskommen. Zugleich markiert die Ausstellung „Aus der Rolle gefallen“ mit fünf deutschen Zeichnerinnen einen geradezu notwendigen Gegenpol zum (zumindest in jüngeren Jahren) doch sehr machohaften Humor des Mönchengladbachers Moers. Zudem krönt eine Grande Dame ihrer Kunst diese Schau, die am Sonntag, 20. Oktober, in der Panoramagalerie eröffnet, neben der Werkauswahl vier junger Zeichnerinnen: Denn die 75-jährige Franziska Becker darf seit ihren ersten Cartoons für Alice Schwarzers Zeitschrift „Emma“ als feministische Pionierin ihres Genres gelten. Und ein Blatt wie jenes der fröhlichen Malocherin mit dem Presslufthammer, deren Rumms den Kerlen die Hosen zu Boden flattern lässt, könnte 1975 entstanden sein oder mehr als 40 Jahre später: zeitlos zupackend.
Anders als Franziska Becker arbeitet die zweitälteste dieser Schau, die 39-jährige Paulina Stulin, überwiegend digital am Rechner. Die bisher größte Publizität erzielte die aus Schlesien stammende Darmstädterin mit dem Band „Freibad“, einer Comic-Adaption des gleichnamigen Films von Doris Dörrie - die sie sogar noch vor dem Kinostart veröffentlichte. Beide Werke zeichnen ein Freibad, exklusiv für Frauen, als Schauplatz des aktuellen Clashs der Kulturen: So (miss)versteht die Alt-Feministin den schwarzen Burkini der ambitionierten Sportlerin als Unterdrückungssymbol - und will das „Zuviel“ an Kleidung von der Bademeisterin verbieten lassen.
Ludwiggalerie: Mit preisgekrönter Zeichnerin und Tocotronic „auf dem Grund des Swimmingpools“
Weltliteratur verwandelt die erst 32-jährige „Max und Moritz“-Preisträgerin Julia Bernhard in eine Graphic Novel: „Ich möchte vom Leben alles“ heißt ihre Bild-Biographie über Simone de Beauvoir (1908 bis 1986), Frankreichs große Schriftstellerin, Philosophin und Feministin. Und für den Song-Comicband der Indie-Lieblinge „Tocotronic“ illustrierte sie mit wundervoll surrealem Touch das ebenso hinreißende Lied „Warte auf mich auf dem Grund des Swimmingpools“ - ein Ereignis zum Luftanhalten.
Einen zeichnerisch verwandten Ansatz pflegt Mia Oberländer, mit 29 Jahren die Jüngste des „aus der Rolle fallenden“ Quintetts: Ihr Comicdebüt „Anna“ bezeichnet sie als „grafischen Essay“, der sich in teils skurrilen Übertreibungen der vermeintlich „schrecklichen Unproportionalität“ hochgewachsener Frauen widmet. Die 37-jährige Münchnerin Lisa Frühbeis machte sich einen Namen mit ihrer gezeichneten feministischen Kolumne für das Sonntagsmagazin des Berliner Tagesspiegel, gesammelt erschienen unter dem Titel „Busengewunder“.
Im Kleinen Schloss in Oberhausen ist der Eintritt frei
Die Ausstellung „Aus der Rolle gefallen“ zeigt die Ludwiggalerie vom 20. Oktober 2024 bis zum 2. Februar 2025 in der Panoramagalerie, gleich neben dem Museumsshop. Dort ist der Eintritt frei.
Die Bandbreite der im Kleinen Schloss präsentierten Werke der fünf Zeichnerinnen reicht von eindrucksvollen Einzelbildern bis zu seriellen Bildfolgen aus Comic-Kolumnen und Beispielen aus üppigen Graphic Novels.