Oberhausen. . Halbzeit für Ralph Hammerthaler, den „Straßenschreiber“ der Markstraße. Aus „zwei Kilometer Trostlosigkeit“ macht er eine „aufregende Erfahrung“.

  • Ralph Hammerthaler hörte Wutreden auf die Marktstraße – aber auch flammende Plädoyers
  • Der aus Berlin kommende Gast des Literaturhauses mag das bunte Leben in Alt-Oberhausen
  • Die literarische Bilanz viele Gespräche wird ein Essay-Band mit gestalteten Monologen

Der Chef eines Dönerbüdchens hielt ihm ein zu Herzen gehendes Plädoyer für die Marktstraße und für die Oberhausener. Ein anderes Gespräch dauerte drei Stunden – und die eine oder andere Wutrede war auch dabei. „Die kommt auch ins Buch“, sagt Ralph Hammerthaler. Zur Halbzeit seiner vier Wochen als „Straßenschreiber“ für die Marktstraße klingt seine stolze Zwischenbilanz so: „Ich werde Tag für Tag mit Geschichten beschenkt.“

Der Gast des Literaturhauses, Marktstraße 146, ließ sich die Komplikationen einer Uhrmacherwerkstatt erklären. Für ihn liefen alte Heidelberger Druckmaschinen – nun gut, etwas außerhalb der Marktstraße. Und im Tresorraum des Whisky-Fachhändlers hörte Hammerthaler beim Anblick der teuersten Tropfen das schöne Wörtchen „mein Rentnerschrank“.

Ralph Hammerthal war von der Marktstraße überrascht

Der bald 52-jährige Wahl-Berliner, selbst einst Kulturkorrespondent der Süddeutschen Zeitung, machte mit seinem neuen Job als „Straßenschreiber“ bereits einige Feuilletons auf Alt-Oberhausen aufmerksam. So würdigte die FAZ die literarische Initiative – um die Marktstraße als „zwei Kilometer Trostlosigkeit“ zu beschreiben.

„So empfinde ich es nicht“, betont Ralph Hammerthaler. „Für mich sind es zwei Kilometer aufregende Erfahrung.“ Statt Trostlosigkeit finde er hier „Trost und Humor“. Die Marktstraße habe ihn schon überrascht, als er im April im Literaturhaus aus seinem „Kurzer Roman über ein Verbrechen“ las. „Ich habe nicht erwartet, dass es hier so bunt ist – und nicht gedacht, wie viel Leidenschaft ich bei Geschäftsleuten begegnen würde.“

Er hat auch schon über Dresden geschrieben

Ralph Hammerthaler, der als Schriftsteller zwischen dem einsamen Job als Romancier und dem Schreiben für Theater oder Musiktheater wechselt, hat einige Erfahrung als Stadtschreiber – von Rheinsberg bis Dresden. Diese Engagements glichen halbjährlichen Stipendien. „Das hier ist eine ganz andere Geschichte.“

Ralph Hammerthaler beim Gespräch im Café Extrablatt - natürlich an der Marktstraße.
Ralph Hammerthaler beim Gespräch im Café Extrablatt - natürlich an der Marktstraße. © Udo Gottschalk

Denn als Schreiber der Marktstraße soll er zügig liefern. Schon am Freitag, 19. Januar 2018, so ist’s vereinbart, wird er seinen Band „Marktstraße“ im Literaturhaus vorstellen. Hammerthaler nennt’s einen „Essay in 12 oder 13 Auftritten in Form gestalteter Monologe“. Er will die Menschen zu Wort kommen lassen, die ihm ihre Geschichten anvertrauten.

Der Erzähler aus Wasserburg am Inn – der oberbayrische Tonfall ist ihm auch nach Jahrzehnten als Großstädter noch anzuhören – hatte vor über 20 Jahren einen Ruhrgebiets-Intensivkurs genossen: Mit Ludger Vortmann, dem Autor von „Müller – der Ruhrpottvampir“ ging’s vier Tage lang zu den schaurig-schönen Romanschauplätzen, einen mitternächtlichen Haldenaufstieg inklusive.

Lesung im Theater-Pool

Zurück zur Marktstraße: Sieht Ralph Hammerthaler sie als standardisierte Zutat wie in jeder Mittelstadt? „Einerseits ist es eine Fußgängerzone, wie man sie kennt“ – aber der Straßenschreiber sieht auch das Andererseits: „Hier wird noch gewohnt, es gibt Spielplätze. Ich halte mich hier sehr gerne auf.“

Seine Gastgeber sollen was haben von dem gerne und viel reisenden Literaten, der auch schon als „Writer in Residence“ in Pristina und Split lebte und arbeitete: So wird es neben dem „Marktstraßen“-Band plus Lesung auch noch einen Termin im Theater-Pool geben.

Und dem Intendanten Florian Fiedler hat Hammerthaler sein im Sommer geschriebenes Drama „Zweikampf“ auf den Tisch gelegt: Zwei Alte bekriegen sich, die einst solidarisch für Arbeiterrechte stritten. Heute ist einer zu den Rechten gedriftet. „Da wird kein Ort genannt“, sagt der Autor. Aber der Ort könnte auch Oberhausen sein.

Öffentliche Förderung für das Straßenschreiber-Projekt

Das Literaturhaus erhält aus dem Verfügungsfonds des Programms „Soziale Stadt NRW – Alt-Oberhausen“ eine finanzielle Förderung des Projekts „Straßenschreiber“.

Die Förderung nennt Hartmut Kowsky-Kawelke vom Literaturhaus „eine große Unterstützung für unsere Arbeit“. Er weist auf das große Engagement der Kulturverantwortlichen in der Stadt hin. „Die Hilfe die wir dort erfahren, ist Gold wert“, sagt Kowsky-Kawelke. Sowohl die bisherige Förderung aus dem Topf „Freie Kulturarbeit“ als auch die Projektförderung sei die passende Ergänzung der auf Spenden basierten Vereins-Arbeit.

Die ehrenamtlich getragene Kultureinrichtung an der Marktstraße 146 hatte erst im März ihre Türen geöffnet und bereichert mit Lesungen das kulturelle Leben.