Oberhausen. Die Preisliste aller Oberhausener Seniorenheime zeigt es: Mehrere Tausend Euro im Monat müssen Pflegebedürftige jetzt für einen Platz zahlen.

Kein Ende in Sicht. Der Eigenanteil, den Bedürftige für ein Pflegeheim zahlen, ist schon jetzt hoch und soll bald erneut steigen. „Wer kann das überhaupt noch bezahlen?“, beklagt sich ein Oberhausener entsetzt. Kürzlich erst hatte das städtische Altenheim, in dem seine pflegebedürftige Mutter betreut wird, erneut den Eigenanteil erhöht. „Um über 400 Euro monatlich.“ Ein Blick in die Preisliste der Oberhausener Pflegeheime (siehe am Ende dieses Textes) zeigt: Der Mann hat recht. Tatsächlich ist die Lage sogar noch schlimmer und dürfte sich künftig noch weiter verschärfen.

Denn die Betreuungskosten sind nicht nur in den städtischen Häusern gestiegen, sondern in allen Oberhausener Senioreneinrichtungen. Durchschnittlich in den vergangenen zwei Jahren sogar bereits um insgesamt rund 800 Euro monatlich und damit um 30 Prozent. Dies allein entspricht Mehrkosten von fast 10.000 Euro, die von jedem Pflegebedürftigen jährlich nun zusätzlich aufzubringen sind. Der Oberhausener Trend ist bundesweit zu beobachten: Nach einer neuen Auswertung des Bundesverbandes der Ersatzkassen gehört NRW mit im Schnitt monatlich 3200 Euro selbst zu tragenden Kosten zum teuersten Bundesland bei der stationären Pflegeversorgung. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei immer noch stolzen 2871 Euro im Monat. Doch was bedeutet das nun für die Bewohnerinnen und Bewohner und ihre Angehörigen in Oberhausen?

Das städtische Altenheim, Haus Bronkhorstfeld, in  Oberhausen-Sterkrade. Es liegt an der Elly-Heuss-Knapp-Straße 11.
Das städtische Altenheim, Haus Bronkhorstfeld, in Oberhausen-Sterkrade. Es liegt an der Elly-Heuss-Knapp-Straße 11. © Stadt Oberhausen | Stadt Oberhausen

Im Vergleich zu 2022 sind die Heimkosten auch in Oberhausen durchgängig geradezu explosionsartig gestiegen. Ein beispielhafter Blick auf die drei städtischen Einrichtungen zeigt: Der von den Heimbewohnern zu zahlende Eigenanteil nach Abzug der Pflegekassenleistung (bei Pflegegrad zwei bis fünf) inklusive Investitionsaufwendungen und gegebenenfalls Einzelzimmerzuschlag betrug für Haus Bronkhorstfeld gerundet im Jahr 2022 noch 2946 Euro, liegt inzwischen aber bereits bei 3787 Euro. Das ist ein Kostenanstieg von über 28 Prozent in zwei Jahren nur für den selbst zu tragenden Preisblock.

Im Louise-Schroeder-Seniorenheim waren es 2936 Euro (Altbau) und 3079 Euro (Neubau, Haus am Mühlenbach) im Jahre 2022; aktuell liegt der Eigenanteil bereits bei jeweils 3806 Euro (plus 30 Prozent). Ähnlich fällt die Preissteigerung in der Seniorenresidenz am Olga-Park aus: 3041 Euro waren es im Jahr 2022; jetzt sind es 3914 Euro (plus 29 Prozent). Damit zahlen die Bewohner der städtischen Altenheime im Schnitt inzwischen gut 800 Euro monatlich mehr als noch vor zwei Jahren. Wie erklärt sich dieser enorme Anstieg innerhalb dieser kurzen Zeit?

In die Höhe gehen die Preise vor allem durch die gestiegenen Personal- und Energiekosten

Auf unsere Nachfrage hin erläutert Stadtsprecher Frank Helling: Die hohen Kostensteigerungen von 2022 bis 2024 seien einerseits Folge der gestiegenen Personalkosten infolge des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst, der unter anderem Erhöhungen zwischen 340 und 680 Euro monatlich vorsieht. Andererseits habe sich die hohe Inflation nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine durch gestiegene Kosten für Energie und Lebensmittel bemerkbar gemacht.

Der Grundriss des 3-geschossigen „Haus Bronkhorstfeld“ erinnert an die vier Flügel einer Windmühle. In drei Flügeln sind die Wohnbereiche untergebracht. Jeweils elf Zimmer bilden eine Wohngruppe.
Der Grundriss des 3-geschossigen „Haus Bronkhorstfeld“ erinnert an die vier Flügel einer Windmühle. In drei Flügeln sind die Wohnbereiche untergebracht. Jeweils elf Zimmer bilden eine Wohngruppe. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Der Anstieg des Eigenanteils für die Heimbewohnerinnen und -bewohner um rund 30 Prozent sei außerdem auf die starren Beträge der Pflegekassen für den pflegebedingten Aufwand zurückzuführen. „Durch diese festen Kassenleistungen gehen Erhöhungen bei den Pflegekosten immer zu Lasten der Senioren.“ Dazu kommt: Die laufend steigenden Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen tragen alle Bewohner stets selbst, die in den 90er Jahren eingeführte gesetzliche Pflegeversicherung ist ausschließlich für den reinen Pflegeaufwand geschaffen worden - und das nicht als Vollversicherung.

Die Folgen dieser sich immer schneller drehenden Kostenspirale sind gravierend: Es gibt immer weniger Oberhausenerinnen und Oberhausener, die sich eine Pflegeheimbetreuung noch aus eigenen Mitteln leisten können. So konnten 2022 im Louise-Schroeder-Seniorenheim immerhin noch 44 Prozent der 120 Bewohner ihren Aufenthalt komplett aus der eigenen Tasche bezahlen. Zwei Jahren später sind es nur noch 33 Prozent. Im Neubau des Louise-Schroeder-Quartiers, dem Haus am Mühlenbach, sind aktuell nur noch 30 Prozent (von 80 Bewohnern) Selbstzahler – vor zwei Jahren waren es 41 Prozent.

Im Haus Bronkhorstfeld können inzwischen nur noch 26 Prozent der 99 Bewohner ihren Aufenthalt alleine finanzieren (2022: 43 Prozent). Ähnlich erschreckend fällt die Lage in der Seniorenresidenz am Olga-Park aus: Dort sind es noch 22 Prozent von 60 Bewohnern (2022: 38 Prozent).

Fakt ist: Der Anteil der Seniorinnen und Senioren, die auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sind, ist noch nie so rasant angestiegen wie in den vergangenen zwei Jahren. 161 Oberhausenerinnen und Oberhausenerin kamen von 2022 bis 2024 in den städtischen Einrichtungen dazu. Traurige Folge: Ihnen bleibt nach einem langen Arbeitsleben nun so gut wie nichts mehr von ihrer Rente übrig. Denn aus ihrem Einkommen stehen ihnen gesetzlich nur 135 Euro monatlich zur freien Verfügung zu. Dazu kommt in der Regel ein monatliches Bekleidungsgeld von 26 Euro. Selbstbestimmung sieht anders aus.

Aber auch der Kommune schnüren die Heimkosten zunehmend die finanzielle Luft ab: Schon jetzt muss Oberhausen alleine in seinen städtischen Pflegeheimen für zwei Drittel der Pflegebedürftigen die Kosten tragen. Doch dabei bleibt es natürlich nicht. Denn die Lage in den anderen Einrichtungen sieht ja ähnlich aus.

Für viel Geld hat die Stadt Oberhausen für das Louise-Schroeder-Seniorenheim einen Neubau an der Siepenstraße in Osterfeld errichten lassen. Dieser wurde im August 2021 offiziell eröffnet.
Für viel Geld hat die Stadt Oberhausen für das Louise-Schroeder-Seniorenheim einen Neubau an der Siepenstraße in Osterfeld errichten lassen. Dieser wurde im August 2021 offiziell eröffnet. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Nur selten können die Städte Familienangehörige an den Unterbringungskosten beteiligen. Kinder können etwa nur zur Kasse gebeten werden, wenn sie über ein jährliches Gesamteinkommen von mehr als 100.000 Euro verfügen. „In Oberhausen gibt es da aktuell drei Fälle“, sagt Frank Helling. Zwei dieser drei Fälle seien noch in der Prüfung, in dem dritten Fall könne kein Unterhalt gefordert werden. In Bezug auf Getrenntlebenden- bzw. Geschiedenenunterhalt gebe es fünf Fälle. „Davon sind drei Personen nicht leistungsfähig, ein Fall wird noch geprüft und eine weitere Unterhaltsfestsetzung in Höhe von 100 Euro monatlich ist erfolgt.“

Dieses Luftbild zeigt den Neubau des Louise-Schroeder-Seniorenheimes an der Siepenstraße in Oberhausen-Osterfeld im Februar 2021.
Dieses Luftbild zeigt den Neubau des Louise-Schroeder-Seniorenheimes an der Siepenstraße in Oberhausen-Osterfeld im Februar 2021. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft warnt die Stadt: „Wir benötigen eine grundlegende Reform der Heimkostenverteilung sowie der Finanzierung der Pflegeversicherung.“ Für die gesamte Pflegebranche sei eine solche Reform längst überfällig und werde auch von den Verbänden gefordert.

Es geht auch anders: Dänemark und Schweden beweisen es

Eine solche Reform dürfe aber nicht weiter zu Lasten der Qualität gehen, hält Stefan Welbers, Geschäftsführer des Seniorenheims „Gute Hoffnung leben“, dagegen. Tatsächlich liefen im Moment aus Kostengründen Verhandlungen, die in vielen Fällen vorsehen, die Fachkraftquote in Pflegeheimen von derzeit 50 Prozent auf 40 Prozent abzusenken. Dann müssten die verbliebenen Fachkräfte wesentlich mehr Verantwortung übernehmen. „Es wird noch teurer und vermutlich nicht besser“, befürchtet Welbers.

„Stellen Sie sich einmal vor, in einer Arztpraxis würden Hilfsärzte arbeiten, weil die Krankenkassen einfach nur 50 Prozent der Fachkräfte bezahlen.“ Das sei doch undenkbar, „ist aber in der Pflege eine Realität“. Auch dies sei ein Grund, warum nur so wenige Menschen diesen Beruf ergreifen wollten.

Stefan Welbers, Leiter des Seniorenzentrums „Gute Hoffnung leben“, fordert eine Pflegereform.
Stefan Welbers, Leiter des Seniorenzentrums „Gute Hoffnung leben“, fordert eine Pflegereform. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Dabei habe ein Besuch von Branchenvertretern aus Oberhausen in Dänemark und Schweden 2023 gezeigt, wie es anders geht. Welbers erzählt: „Der Anteil an den Heimkosten in Dänemark liegt bei rund 500 Euro pro Person in rund 50 Quadratmetern großen Zimmern und in Schweden lag der Eigenanteil bei rund 256 Euro in 63 Quadratmetern großen Appartements.“ Dabei arbeiteten in beiden Ländern fast nur studierte Pflegekräfte. „Mängel in der Pflege sind geringer, die Sterberate auch.“ Dafür würde diese Form der Altenbetreuung komplett aus Steuermitteln finanziert und läge in der Verantwortung der Kommunen, denen auch die Seniorenheime gehörten. Von seiner Grundrente, die es etwa in Dänemark gibt, könne fast jeder das Seniorenheim selbst bezahlen.

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