Mülheim. Mülheims Politik auf den Barrikaden: Sie stoppt vorerst die Entwürfe für eine Erweiterung der Rembergschule und eine Wohnsiedlung. Die Pläne.

In einem sind sich Politik und Stadtverwaltung einig: Die Rembergschule in Holthausen, eine Förderschule für geistige Entwicklung, bedarf angesichts der steigenden Schülerzahlen dringend einer Erweiterung. Das war es dann aber auch mit der Einigkeit: Mit dem Entwurf für einen Bebauungsplan am Übergang zum Landschaftsschutzgebiet ist die politische Mehrheit gar nicht einverstanden. Weil dieser auch noch die Option für ein Wohnbauprojekt schaffen will.

Zunächst aber zur Rembergschule: „Bereits jetzt ist die Schule über ihre eigentliche Kapazitätsgrenze hinaus belegt“, heißt es seitens der Stadtverwaltung zur aktuellen Schülerzahl von 188 und 17 teils bereits zweckfremd genutzten Räumen. Prognosen zur Schülerzahl-Entwicklung aus dem Bildungsentwicklungsplan aus dem Jahr 2022 gehen davon aus, dass künftig 21 Klassenräume nötig sind für in der Spitze 205 Schülerinnen und Schüler.

Mülheims Rembergschule soll gut ein Viertel Fläche hinzubekommen

Quintessenz der Verwaltung: Es fehlen vier Klassen-, dazu Differenzierungs- und Klassenräume. In der Schule seien weder ein Kunstraum noch ein Fachraum für „Textiles Gestalten“ eingerichtet, es fehlten Besprechungsräume und Arbeitsräume für Lehrkräfte. Aktuell verfügt die Rembergschule, die seit 1979 an ihrem jetzigen Ort besteht und in der Vergangenheit mehrfach erweitert worden ist, über knapp 8000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche. 1850 bis 2350 Quadratmeter sollen hinzukommen.

Zu den Optionen für eine Erweiterung hat der städtische Immobilienservice bei der Ottawa Ingenieure GmbH (Sitz: Leineweberstraße) eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Vier Varianten sind untersucht worden:

Variante 1 und 2: Sinnesgarten verlegen oder Ackerfläche hinzukaufen

Variante 1: ein Neubau südlich vom Haupteingang der Förderschule – dort, wo heute ein Sinnesgarten angelegt ist, in dem die Schüler mit einer geistigen Behinderung barrierefrei ihre Sinne schärfen können, etwa auf einem Fußerfahrungsweg, an einer Klangsäule, einem Wasserprisma oder eine Rotierscheibe. Schon einschränkend heißt es aber: „Der Sinnesgarten ist ein wichtiger Bestandteil der Förderschule und soll nach Möglichkeit erhalten bleiben.“ Zur Verfügung stünde bei dieser Variante nur eine wesentlich kleinere Fläche auf dem Gelände für einen neuen Sinnesgarten. Für diesen Standort spricht laut Studie, dass die Fläche gut für den Bau eines zweigeschossigen Gebäudes geeignet sei, auch die Lage direkt an der Rembergstraße sei ein Pluspunkt. Negativ: In dem auf 12,45 Millionen Euro taxierten Neubau wäre der Bedarf für ein zusätzliches Lehrerzimmer nicht umzusetzen.

Der Sinnesgarten an der Mülheimer Rembergschule.
Der Sinnesgarten an der Mülheimer Rembergschule. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Variante 2: ein ebenfalls zweigeschossiger Neubau auf einem Teil des westlich angrenzenden Ackers. Rund 2700 Quadratmeter Grundstück müsste die Stadt dafür erwerben, die reinen Kosten für den Neubau sind auf 15,6 Millionen Euro kalkuliert. Ein 24 Meter langer, barrierefreier Verbindungsgang zum alten Hauptgebäude wäre nötig. Es wäre laut Studie gar Platz für eine neue Bibliothek, das Lehrerzimmer und einen weiteren, flexibel nutzbaren Raum.

Varianten 3 und 4: Aufstocken oder potenzielles Wohnbauland hinzukaufen

Variante 3: eine Aufstockung eines Teils der Bestandsgebäude im Westen des Geländes um ein weiteres Geschoss. Noch zu klären wäre aber, ob die Statik dies überhaupt trägt und wie sie gegebenenfalls zu verstärken wäre. Noch ein Nachteil laut Gutachter: Der Erweiterungsbereich müsste für die komplette Bauzeit geräumt werden, was den Schulbetrieb erheblich stören und ein Ausweichquartier nötig machen würde. Auch müssten zusätzlich eine Treppenanlage und ein Aufzug her, auch brandschutztechnisch wären Zusatzmaßnahmen nötig. So kalkulieren die „Ottawa Ingenieure“ hierfür Baukosten in Höhe von knapp 19,7 Millionen Euro.

Variante 4: ein zweigeschossiger Neubau auf der südlich des Haupteingangs gelegenen Wiese im Einmündungsbereich der Remberg- auf die Zeppelinstraße. Das rund 4200 Quadratmeter große Grundstück wäre von der Stadt noch zu erwerben. Hier wäre gar ein 62 Meter langer Verbindungsgang zum Hauptgebäude nötig, durch den Sinnesgarten. Um den Höhenunterschied von insgesamt vier Metern zu überbrücken, wären Rampen nötig. Platz wäre aber wie bei Variante 2 für eine neue Bibliothek, ein Lehrerzimmer und einen weiteren Raum. Kalkulierte Kosten (ohne Grundstückserwerb): 17,6 Millionen Euro.

Die Rembergschule in Mülheim-Holthausen soll erweitert werden. Neubauten könnten möglich werden auf der grünen Wiese links im Bild (Variante 4), auf dem Areal des Sinnesgartens rechts daneben (Variante 1) oder auf einem angrenzenden Acker (oben, Variante 2).
Die Rembergschule in Mülheim-Holthausen soll erweitert werden. Neubauten könnten möglich werden auf der grünen Wiese links im Bild (Variante 4), auf dem Areal des Sinnesgartens rechts daneben (Variante 1) oder auf einem angrenzenden Acker (oben, Variante 2). © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Mülheimer Politiker dagegen, weiteren Freiraum am Landschaftsschutzgebiet zu bebauen

Im Ergebnis kommen die Gutachter dazu, Variante 2 zu empfehlen, also einen Bau auf dem westlich gelegenen Nachbargrundstück. Schon die Politikerinnen und Politiker im Umweltausschuss hatten mehr Sympathie geäußert für Variante 4, weil sie mit ihr weniger negative Wirkungen auf die Frischluftschneise zum Rumbachtal sehen. Auch der Planungsausschuss wollte den Gutachtern jetzt nicht ohne Weiteres folgen, Grüne und SPD meldeten Beratungsbedarf an. Lasse man die Erweiterung auf der Freifläche im Westen zu, wecke das weitere Begehrlichkeiten, den Freiraum vor Ort zu bebauen, so Brigitte Erd (Grüne) und Heidelore Godbersen (MBI).

Insbesondere Kritik äußerte die Politik auch am Bebauungsplan-Entwurf, den die Verwaltung zeitgleich mit den Varianten eingeleitet sehen wollte. Dieser sieht vor, das Baufeld der Variante 4 einem privaten Investor aus Solingen für ein „Klimaquartier“ mit Ein- und Mehrfamilienhäusern baurechtlich abzusichern. Einfamilienhäuser habe Mülheim „satt und genug“, stieß sich nicht nur Godbersen an den Plänen. „Ein Wohnprojekt im Außenbereich brauchen wir nicht“, sagte Grünen-Politiker Oliver Linsel.

Baupläne für den Schlippenweg erzeugten einst scharfen Widerstand

2012 schon hatte es Pläne für einen Bebauungsplan Schlippenweg/Zeppelinstraße gegeben. Wegen massiver Proteste gegen neues Bauland im Grünen war er seinerzeit aber auf Eis gelegt worden. Nun geht es insbesondere um eine nötige Erweiterung für die Rembergschule, eine Entscheidung darf nicht mehr allzu lange geschoben werden. Vielleicht mache es auch Sinn, die Pläne für eine Wohnsiedlung aus dem aktuellen Verfahren zu streichen, sagte jetzt Planungsausschussvorsitzende Christina Küsters, gleichsam Fraktionsvorsitzende der CDU im Stadtrat.

Erstmal ist die Sache geschoben. Die Politik will die Zeit nutzen, um mit der Leitung der Rembergschule über die vier Varianten zu sprechen. Ziel, so CDU-Politikerin Petra Seidemann-Matschulla, müsse eins sein: „Die Schülerinnen und Schüler haben es schon schwer genug, man sollte es ihnen so leicht wie möglich machen.“

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