Mülheim. Ein 35-jähriger Mülheimer musste sich vor Gericht verantworten. Mit der polizeilichen Ermittlungsarbeit waren alle Beteiligten sehr unzufrieden.

Der Angeklagte und sein Rechtsanwalt Jörg Hufer staunten nicht schlecht, als sie den Gerichtssaal des Mülheimer Amtsgerichts zur Hauptverhandlung betraten. 25 junge Polizistinnen und Polizisten, die an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Duisburg studieren, und einer ihrer Dozenten hatten im Zuschauerraum Platz genommen. Was diesen zur Ausbildung diente, war für den Mülheimer (35) bitterer Ernst.

Die Staatsanwaltschaft hatte ihn angeklagt, sich zwischen Dezember 2021 und Januar 2022 Zugang zu den Konten von zwei Bahnkunden verschafft und von dort in zehn Fällen Geld abgezweigt zu haben, mit denen teure Fahrkarten der Bahn bezahlt worden sein sollten. Rund 2000 Euro seien von deren Konten abgeflossen. Die Fahrkarten habe der Angeklagte zu deutlich geringeren Preisen an Dritte verkauft, hieß es. Die Staatsanwaltschaft sprach von „gewerbsmäßigem Computerbetrug“.

Angeklagter aus Mülheim bestritt den Vorwurf: „Ich kann so was gar nicht“

Der Angeklagte erzählte den Sachverhalt anders und bestritt jeden IT-Zugriff auf fremde Konten. „Ich kann so was gar nicht.“ Angefangen habe alles damit, dass er an einem Ticketautomaten nicht gut zurechtgekommen sei. Ein Unbekannter habe ihm daraufhin beim Lösen eines Fahrscheins geholfen.

Dieser Mann habe angeboten, ihm günstige Tickets zu besorgen. Laut dem Angeklagten handelte es sich um einen „Inder“; das habe er aus dem Turban geschlossen, den dieser getragen habe. Er habe die Rufnummer des Mannes erhalten - und bei nächster Gelegenheit von dessen Fahrkarten-Discount-Angebot Gebrauch gemacht. Ein Bekannter habe nach Italien reisen wollen und dafür Karten gebraucht. Der 35-Jährige gab ab, sich in einer Essener Bar mit dem Turban-Träger und dem Italienreisenden getroffen zu haben. Die beiden hätten Geld gegen Fahrkarten getauscht.

Zeuge: Kein „Inder mit Turban“ habe ihm die Karten verkauft, sondern der Angeklagte höchstpersönlich

Besagter Italienreisende, der als Zeuge geladen war, bestritt die Behauptungen des Angeklagten. Kein „Inder mit Turban“ habe ihm die Bahnkarten verkauft, sondern der Angeklagte höchstpersönlich. Ihm habe er das Geld gegeben. Im Gegenzug gab es keine Fahrkarte in Papierform, sondern der Angeklagte habe ihm die Karten als Datei per WhatsApp zugeschickt.

Der Widerspruch führte zwischen dem Zeugen und Verteidiger Hufer zu einem Disput, bei dem der Zeuge so laut wurde, dass Richterin Vorhaus ihn mit scharfen Worten zur Ordnung rief.

Die polizeiliche Ermittlungsakte war für die Hauptverhandlung wenig hilfreich

Laut Strafanzeige der Bundespolizei München, die die Ermittlungen geführt hat, sollen auf dem Konto des berufslosen Angeklagten nicht nur die Gelder der geschädigten Bahnkunden, sondern in kurzer Zeit insgesamt 68.000 Euro eingegangen sein. Die polizeiliche Ermittlungsakte war für die Hauptverhandlung wenig hilfreich: Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Anwalt und Richterin rügten mit deutlichen Worten, dass die Sachverhaltserforschung in diesem Fall stark mängelbehaftet gewesen sei. So habe die Polizei der Akte nicht einen einzigen Kontoauszug beigefügt, Geldflüsse ließen sich daher nicht nachvollziehen. Auch habe die Polizei von den zehn Personen, die in den Genuss der verbilligten Fahrkarten gekommen sein sollten, nur eine einzige vernommen, nämlich besagten Zeugen, der nun im Gerichtssaal saß. Die Vernehmung der anderen Personen hätte aber möglicherweise die Frage klären können, von wem die Fahrkarten tatsächlich stammten, ob nun vom Angeklagte oder dem geheimnisvollen Inder.

Die Hauptverhandlung endete zugunsten des Angeklagten. „Der Vorwurf hat sich nicht bestätigt. Ich beantrage daher Freispruch“, so der Schlussvortrag von Ankläger Schmidt. Richterin Vorhaus folgte diesem Antrag. Eine Anfrage dieser Redaktion bei der Bundespolizei zu möglichen Versäumnissen bei der Ermittlungsarbeit blieb unbeantwortet.

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