Mülheim. Männer versäumen viel häufiger Früherkennungs-Untersuchungen als Frauen. Warum das gefährlich ist, erklärt ein Mülheimer Urologe.

Die Kampagne „Movember“ rückt – immer gegen Jahresende – die Männergesundheit in den Fokus: Männer weltweit lassen sich dann demonstrativ Bärte wachsen, um auf den großen Nutzen von Früherkennungsuntersuchungen hinzuweisen. Die Herren der Schöpfung in Deutschland sind Früherkennungsmuffel, wie der Mülheimer Urologe Prof. Dr. Andreas Eisenhardt im Interview erklärt.

Wie viele Männer nutzen die Früherkennungsuntersuchung ab 45 Jahren?

Eine Umfrage der Krankenkassen von 2022 hat ergeben, dass nur 24 Prozent der Männer zur Krebsvorsorgeuntersuchung gehen, bei den Frauen sind es dagegen 50 Prozent.

Woran mag das liegen?

An einem männlichen Rollenbild, das immer noch weit verbreitet ist. Viele von uns sind ja James Bond. Sie gehen erst dann zum Arzt, wenn es ihnen richtig schlecht geht.

Und das ist ein Fehler?

Ja, denn die Vorsorge ist sehr sinnvoll. 40 Prozent der männlichen Tumorerkrankungen sind dem urologischen Bereich zuzuordnen, sie betreffen Prostata, Blase, Niere, Hoden oder Penis. Wenn man den Tumor früh erkennt, kann man ihn gut behandeln. Wenn er erst Symptome verursacht, ist er oft schon so groß, dass er schwer heilbar ist – oder eventuell auch gar nicht mehr.

Mülheimer Mediziner rät Männern zur erweiterten Krebsvorsorge

Haben Männer „Muffe“ vor Vorsorgeuntersuchungen?

Jeder hat Sorge davor, dass der Arzt bei der Vorsorgeuntersuchung etwas findet. Das ist menschlich. Aber man sollte sich immer vor Augen halten: Durch Früherkennung von Tumoren lassen sich schlimme und gefährliche Erkrankungen vermeiden. Deshalb sollte man ein Mal im Jahr die urologische Früherkennung nutzen und ab 50 Jahren auch alle zehn Jahre eine Darmspiegelung machen lassen.

Was umfasst die gesetzliche Früherkennungsuntersuchung beim Urologen?

Die körperliche Untersuchung, also das Abtasten der entsprechenden Körperteile und Organe, sowie ein Gespräch.

Der Mülheimer Mediziner Prof. Dr. med Andreas Eisenhardt empfiehlt als Vorsorgeuntersuchung auch den Ultraschall der Niere. Dieses Bild entstand Anfang 2023.
Der Mülheimer Mediziner Prof. Dr. med Andreas Eisenhardt empfiehlt als Vorsorgeuntersuchung auch den Ultraschall der Niere. Dieses Bild entstand Anfang 2023. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Gibt es weitere Untersuchungen, die Ihrer Meinung nach sinnvoll sind, aber vom Patienten bezahlt werden müssen?

Ja, es gibt sehr sinnvolle Wunschleistungen, also Igel-Leistungen. Mit einer Ultraschalluntersuchung kann man die Nieren checken lassen und bei Früherkennung eines Nierentumors diesen organerhaltend operieren und den Krebs mit hoher Wahrscheinlichkeit heilen. Mit einem Urintest kann man eine Erkrankung der Blase frühzeitig feststellen. Und ein Bluttest, genauer gesagt die Bestimmung des sogenannten PSA-Wertes, kann Hinweise auf ein Prostata-Karzinom geben.

Auch Mülheimer könnten auf ihre Gesundheit noch besser achten

Warum sind Bluttest und PSA-Wert so wertvoll für die Diagnostik?

Man kann besser als durch Abtasten erkennen, ob ein Prostata-Karzinom vorhanden ist. Wissen wir das frühzeitig, können wir möglicherweise bei einem kleinen, nicht aggressiven Tumor diesen aktiv überwachen und abwarten, was mit ihm passiert. Sollte er sich weiterentwickeln, sehen wir das zeitnah und können dann immer noch sehr gut eingreifen. Die aktive Behandlung wäre dann eine Operation oder eine Bestrahlung. Ist der Tumor bei der Diagnose schon groß oder aggressiv, so würde man direkt operieren oder bestrahlen.

Kann man Krebs heute besser heilen, auch wenn er schon fortgeschrittener ist?

Es gibt viel bessere, tumorspezifische Medikamente als früher. Die Nebenwirkungen bei einer Chemotherapie können wir geringer halten und gerade beim Prostatakrebs hat sich durch eine moderne Hormontherapie die Behandlung in den vergangenen Jahren extrem verändert. Außerdem gibt es Medikamente, die das Immunsystem positiv modellieren können.

Frauen werden im Schnitt vier bis fünf Jahre älter als Männer...

Ja, das liegt auch daran, dass sie mehr auf ihren Körper achten. Sie sind auch Arztbesuche eher gewohnt, gehen zum Beispiel wegen der Einnahme der Pille oder wegen einer Schwangerschaft regelmäßig zur Gynäkologin.

Wie können Männer selbst auf ihre Männergesundheit achten?

Sie sollten regelmäßig die Hoden abtasten. Außerdem gilt auch hier: regelmäßiger Schlaf, gesunde Ernährung, kein Nikotin- und mäßiger Alkoholgenuss, sportliche Aktivitäten auch in fortgeschrittenem Alter und Entspannungsphasen sind förderlich für die Gesundheit.

Mülheimer Arzt: „Männer geben doch auch ihre Auto regelmäßig zu Inspektion“

Hat die Aufgeschlossenheit gegenüber der Vorsorge mit Bildung oder sozialer Herkunft zu tun?

Die Lebenserwartung korreliert hierzulande immer noch mit sozialer Herkunft und Bildung. Das gilt auch für die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen. Alter, Bildung, Religion und sozialer Status spielen dabei eine Rolle. Das ist ein Unding, das sollten wir anpacken. Jeder sollte zur Früherkennung gehen.

Die Bewegung „Movember“ lenkt den Blick auch auf die seelische Gesundheit von Männern...

Rund 20 Prozent der Beschwerden, mit denen Männer herkommen, sind psychosomatisch. Das heißt: Wir finden keine organische Ursache, aber die Männer haben dennoch spürbar Probleme, also Symptome. Dann müssen wir genauer nach Faktoren schauen, die das eventuell verursachen. In manchen Fällen kann auch eine Psychotherapie angezeigt sein.

Was wollen Sie Männern hier unbedingt mit auf den Weg geben?

Männer geben ihr Auto ganz bewusst regelmäßig zur Inspektion – und sie zahlen dafür nicht wenig Geld. Sie sollten ebenso sorgsam mit ihrem Körper umgehen und einmal pro Jahr zur Früherkennung zum Arzt gehen.

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