Mülheim. Wird Wohnen in Mülheim durch die Grundsteuerreform für viele wesentlich teurer? Jetzt liegt eine Modellrechnung zur Steuerbelastung vor.

Das NRW-Finanzministerium hat seine Rechnungen zur Grundsteuerreform 2025 abgeschlossen und den Städten mitgeteilt, welche Hebesätze sie veranschlagen müssten, um ihre Einnahmen stabil halten zu können. Mülheimer Wohneigentümer und Mieter dürfte die Nachricht gar nicht freuen. Ihnen droht weiterhin eine saftige Steuererhöhung.

Es war stets das erklärte Ziel, die durch ein Verfassungsgerichtsurteil notwendig gewordene Grundsteuerreform im kommenden Jahr so umzusetzen, dass sie für die Kommunen aufkommensneutral ausfällt. Im Fall Mülheim hieße das: Auch 2025 soll Stadtkämmerer Frank Mendack in der Lage sein, über die Grundsteuer rund 60 Millionen Euro für die überschuldete Stadt zu vereinnahmen. Angesetzt ist dafür seit 2019 und aktuell ein Hebesatz von 890 Prozent, der ob saftiger Erhöhung vor fünf Jahren ein ganz heißes Eisen in Mülheim ist und seinerzeit für Massenproteste gesorgt hatte.

Mülheimer Hebesatz müsste nochmals kräftig steigen, um Einnahmen zu halten

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Nun ist klar: Der Hebesatz müsste noch deutlich steigen, gar vierstellig werden, will Mendack für den Haushalt 2025 kein Minus haben. Das Finanzministerium hat ausgerechnet, dass Mülheims Hebesatz auf 1069 Prozent steigen müsste, sollte es bei einem einheitlichen Hebesatz für Wohngebäude und Nichtwohngebäude (im Wesentlichen Gewerbe) bleiben. Nun kann jeder Hausbesitzer seinen Steuerbescheid zur neuen Grundsteuer ab 2025 hervorholen und mit Hilfe von Steuermesszahl und Grundstückswert ausrechnen, was ein Hebesatz von 1069 Prozent für ihn bedeuten würde.

Wegen der extremen Bevorteilung von Wirtschaftsgrundstücken in der Bewertungssystematik nach dem Grundsteuer-Bundesmodell dürfte dies viele Mülheimerinnen und Mülheimer aus den Socken hauen. Es drohen - wie sich bereits vor einiger Zeit abgezeichnet hatte - erhebliche Mehrbelastungen. Gerade für Besitzer älterer Immobilien in besseren Wohnlagen. In rund 2000 Fällen in Mülheim sollen in aktuellen Bescheiden des Finanzamtes zwei- bis dreifach so hohe Steuermessbeträge festgesetzt worden sein.

Das Land überträgt die Verantwortung den Kommunen

Erhebliche Mehrberlastungen drohen... wenn sich nichts mehr tut. Das Land NRW hatte sich der Forderung der kommunalen Familie verweigert, mit einem Landesgesetz die Bevorteilung von Nichtwohngrundstücken auszugleichen. Es hätte - wie etwa der Freistaat Sachsen schon vor drei Jahren - die Steuermesszahl für sie deutlich anheben können, um das Wohnen nicht über die Maße zu verteuern. Das Land will diese Verantwortung aber nicht übernehmen und sie den Kommunen übertragen. Die 396 NRW-Kommunen sollen die Möglichkeit erhalten, selbst eine Ausdifferenzierung ihrer Hebesätze festzulegen, sprich: einen Hebesatz für Wohngrundstücke festzulegen und einen (höheren) für Nichtwohngrundstücke, um die einseitige Mehrbelastung für Wohngrundstücke in Kürze der Zeit noch abzuwenden. Ein Gesetzgebungsverfahren dazu ist angestoßen.

Jedenfalls hat das Finanzministerium nun auch für Mülheim ermittelt, wie hoch jene ausdifferenzierten Hebesätze ausfallen müssten, dass Wohnen in der Summe in der Ruhrstadt nicht verteuert wird. Das Ministerium kommt demnach auf einen Hebesatz für Wohngebäude, der sich mit 884 Prozent nur geringfügig vom aktuellen Hebesatz unterscheidet. Für Nichtwohngrundstücke hätte die Stadt laut Ministerium einen Hebesatz von 1660 Prozent anzusetzen.

Städtetag contra Finanzminister: Unversöhnliche Positionen stehen gegeneinander

Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) verteidigte abermals den Weg des Landes, selbst nicht dafür sorgen zu wollen, eine massive Umverteilung der Steuerlast zuungunsten von Wohngrundstücken aus der Welt zu räumen. „Die Auswirkungen der Reform auf die Grundsteuerbelastung von Wohn- und Gewerbeimmobilien sind lokal unterschiedlich“, erklärte er. „Deshalb ist es folgerichtig, dass die Kommunen, in denen es zu Verwerfungen kommt, eigenverantwortlich gegensteuern können.“ Gleichwohl kündigte er an, die Kommunen bei der Umsetzung in Sachen IT und Rechtssicherheit unterstützen zu wollen.

Der Städtetag erklärte noch einmal seine ablehnende Haltung. Differenzierte Hebesätze seien kein rechtssicheres Instrument, um die Lastenverschiebung hin zu Wohngrundstücken zu verhindern. „Die rechtlichen Unsicherheiten wären groß, denn jeder differenzierte Hebesatz muss in jeder Kommune separat verfassungsfest begründet werden. Das ist bei einer der wichtigsten kommunalen Steuern ein viel zu großes Risiko“, so Helmut Dedy, Geschäftsführer des NRW-Städtetages. Das Land sei gefordert, eine Regelung wie in Sachsen, im Saarland und in Berlin zu verankern.

Mülheims Stadtrat will dringenden Appell an Land richten, selbst Abhilfe zu schaffen

Auch in Mülheim läuft die Politik ein Jahr vor den Kommunalwahlen Sturm gegen das Land. CDU und Grüne stellen sich dabei gemeinsam mit der SPD gegen die eigene Landesregierung. Per Ratsbeschluss am 4. Juli wollen sie die schwarz-grüne Landesregierung durch den Stadtrat auffordern lassen, mit einer landeseinheitlichen Regelung wie Sachsen und Co. dafür zu sorgen, dass eine extreme Mehrbelastung von Wohngrundstücken ausbleibt.

Stadtkämmerer Frank Mendack informierte die Ratsfraktionen noch am Donnerstag über die Hebesatzberechnungen des Landes. In dem Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt, bezifferte er die Umverteilung der Lasten von Geschäfts- auf Wohngrundstücke auf zehn Millionen Euro. Diese Lücke würde im Haushalt klaffen, beließe es die Stadt bei einem Hebesatz von 890 Prozent. Auf Anfrage dieser Redaktion wollte sich Mendack noch nicht in die Karten schauen lassen, welche Marschroute er für eine neue Hebesatz-Satzung einschlagen will. Er wies darauf hin, dass die politische Meinungsbildung abzuwarten sei.

Mülheim hat jetzt drei Optionen, die Grundsteuer-Frage selbst zu klären

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Grundsätzlich gäbe es mehrere Möglichkeiten. Einerseits könnte Mülheim den einheitlichen Grundsteuer-Hebesatz auf besagte 1069 Prozent für alle anheben und die Umverteilung tolerieren, die Stadt könnte aber auch einen Ausgleich suchen über den vom Land vorgezeichneten Weg mit ausdifferenzierten Hebesätzen. Dritter Weg: Mülheim könnte - zumindest vorübergehend, bis vielleicht doch noch eine landeseinheitliche Regulierung kommt - bei einem Hebesatz von 890 Prozent bleiben.

Voraussetzung dafür ist aber, im Haushalt für 2025 irgendwie abbilden zu können, dass Mindereinnahmen von zehn Millionen Euro eine Genehmigung des Etats nicht gefährden. Mendack sagte am Donnerstag, dass es zu früh sei abzuschätzen, ob entsprechend Puffer im Haushalt vorhanden sein könnte. Er verwies darauf, dass weder Daten zum Gemeindefinanzierungsgesetz mit seinen Schlüsselzuweisungen an die Städte und Gemeinden vorlägen noch klar sei, ob eine Altschuldenregelung oder etwa auch bessere Finanzierungsquoten für Kita, Offenen Ganztag oder den nötigen Ausbau der Schulen Entlastungen bringen werden.

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