Mülheim. Ärztehaus, Seniorenwohnungen, Apotheke: Viele Ältere halten sich rund um Saarner/Karlsruher Straße in Mülheim auf, sie kritisieren die Ruhrbahn.

„Der 122 war immer voll“, berichtet Renate Hartmann, leicht aufgebracht. Die gehbehinderte Dame mit Rollator und ihre – ebenfalls älteren – Bekannten aus der näheren Umgebung verstehen nicht, warum die Ruhrbahn die Direktverbindung in die Mülheimer Innenstadt abgeschafft hat.

Rund um die Haltestelle Karlsruher Straße lebten viele Seniorinnen und Senioren, die die City als Einkaufsort nutzten. Nun müssten sie am Lierberg umsteigen, wo ein abgesenkter Bordstein Gehbehinderten das Aus- und Einsteigen fast unmöglich mache – und die Wartezeit auf den 125er sehr lang sei. „Da steht man jetzt 20 bis 30 Minuten, und es gibt kein Wartehäuschen“, erklärt Renate Hartmann.

Mülheimer Apothekerin: „Viele ältere Leute suchen die Ärzte hier auf.“

Die Speldorfer erkennen eine weitere Ungereimtheit in der neuen Netzstruktur: „Viele ältere Menschen steuern die Haltestelle Karlsruher Straße an, weil dort ein Ärztehaus und eine Apotheke sind – und dahinter auch ein Seniorenzentrum beziehungsweise seniorengerechte Wohnungen“, monieren sie. Auch Schülerinnen und Schüler hätten den 122er genutzt.

Apothekerin Heike Sittek von der „allesgut“-Apotheke direkt an der Haltestelle Karlsruher Straße kann die älteren Herrschaften verstehen und bestätigt deren Aussagen: „Viele Leute, die die Ärzte hier aufsuchen oder die hier in der Nähe wohnen, nutzen den Bus und haben die alte Verbindung geschätzt. Manche haben sich wohl auch für die Wohnung hier entschieden, weil es die gute Verbindung in die Innenstadt gab.“

Mitarbeiter aus Oberhausen denkt über Kündigung nach

Ein Bus der neuen Ruhrbahn-Linie 129 verlässt die Haltestelle Karlsruher Straße an der Saarner Straße in Mülheim. Im Hintergrund: das Ärztehaus.
Ein Bus der neuen Ruhrbahn-Linie 129 verlässt die Haltestelle Karlsruher Straße an der Saarner Straße in Mülheim. Im Hintergrund: das Ärztehaus. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Sie selbst ist betroffen, weil ein Mitarbeiter in Oberhausen wohnt und seine Fahrzeit mit dem Bus sich durch das Umsteigen und die veränderte Taktung erheblich erhöht hat. „Er hat uns mitgeteilt, er würde sich deshalb gerne eine andere Stelle suchen“, so Sittek. Sie findet: „Wir alle sollen den ÖPNV doch stärken. Aus Umweltgründen ist diese Fahrplanumstellung kontraproduktiv.“

Die Ruhrbahn rechtfertigt sich auf Nachfrage, erklärt, dass bei der Änderung des Nahverkehrsplans „sowohl die Bevölkerungs- und Siedlungsstrukturen wie auch Fahrgastzahlen zugrunde gelegt wurden“. Die Notwendigkeit zum Umstieg auf bestimmten Linien sei unter Berücksichtigung dieser Randbedingungen allerdings nicht zu vermeiden gewesen.

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Konkrete Tipps für ältere Mülheimer aus Speldorf

Man hat aber auch konkrete Tipps für die Speldorfer Seniorinnen und Senioren: „Die Linien 125 und 129 treffen sich an der Haltestelle Broicher Waldweg zur gleichen Zeit. Wenn der Fahrgast seinen Umsteigewunsch dem Fahrpersonal mitteilt, sollte ein Anschluss möglich sein. Die weitere und zeitlich sichere Alternative ist die Fahrt bis zur Haltestelle Heuweg, an der man die Straßenbahnlinie 102 erreichen kann. Dort sind auch alle Haltestellen barrierefrei ausgebaut.“

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Zur Haltestelle Lierberg schreibt die Ruhrbahnsprecherin: „Die Haltestelle Lierberg ist bereits seit vielen Jahren barrierefrei ausgebaut. Seit der Einrichtung einer Außengastronomie besteht dort keine Möglichkeit mehr, sich unter den Gebäudevorbau zu stellen. Für eine Wartehalle besteht aktuell keine geeignete Fläche.“

Mülheims neuer Nahverkehr - mehr Infos hier:

Aktuelles Liniennetz für Mülheim wird in zwei Jahren evaluiert

Allgemein heißt es zum neuen Liniennetz: „Die Fortschreibung des Nahverkehrsplans ist unter Beteiligung verschiedener Interessengruppen erfolgt. Zudem hat eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden. Vorrangiges Planungsziel des neuen Netzes war die Verringerung des jährlichen Defizites unter Vermeidung von Parallelverkehren.“ Der aktuelle Nahverkehrsplan sehe übrigens eine Evaluation des Liniennetzes nach zwei Jahren vor. „Unabhängig hiervon sind Anpassungen oder Änderungen im Liniennetz erst nach Beschlussfassung der politischen Gremien möglich“, so die Ruhrbahnsprecherin.

Zu den Verzögerungen und Ausfällen, die es zusätzlich zum neuen Liniennetz gibt, findet am Donnerstag ein Gespräch im Rathaus zwischen OB Marc Buchholz und mehreren Vertretern der Ruhrbahn statt. Diese sind aufgefordert, Stellung zu nehmen zu den Einschränkungen und zu einer als ungenügend erachteten Öffentlichkeitsarbeit. Ein Katalog mit 25 Fragen soll abgearbeitet werden. Die Antworten werden auch Mülheimer Fahrgäste interessieren.

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Infos zu defekten Aufzügen

Renate Hartmann beklagt auch, dass die Aufzüge an den Haltepunkten oft und auch zeitgleich defekt sind.Auf der Homepage der Ruhrbahn findet man einen entsprechende Liste dazu, welche Aufzüge und Rolltreppen aktuell kaputt sind. Störfälle können sich ganz plötzlich ergeben: ruhrbahn.de/muelheim/aktuelles.Die Ruhrbahnsprecherin erklärt: „Aktuell wird der Aufzug in Heißen-Kirche grundlegend erneuert.“ Am Hauptbahnhof sei die Erneuerung vor wenigen Wochen abgeschlossen worden und die Anlagen sind im Betrieb.„Im Störungsfall wird versucht, die Anlagen schnellstmöglich wieder in Betrieb zu nehmen. Allerdings sind in Einzelfällen spezielle Ersatzteile erforderlich, die eine gewisse Beschaffungszeit benötigen“, so die Ruhrbahn.