Mülheim. Abstand, Kontaktverbot, Masken wirken offenbar auch bei anderen Infektionserkrankungen. Seit April 2020 wurde kein einziger Grippefall gemeldet.

Im vergangenen Corona-Jahr konnten sich durch die verordneten Hygienemaßnahmen wegen der Pandemie auch viele andere Infektionskrankheiten offenbar nicht so ungehemmt ausbreiten wie sonst: In NRW wurden 32,5 Prozent weniger Nachweise gemeldet, teilte die Krankenkasse DAK unter Verweis auf Zahlen des Robert Koch-Instituts mit. NRW-weit gingen die Norovirus-Infektionen demnach sogar um 64,2 Prozent zurück. Ein ähnlicher Trend findet sich auch in Mülheim.

Rückgang von über 73 Prozent bei den Norovirus-Infektionen

Eine Infektion mit Noroviren ist meldepflichtig, und so hat das Mülheimer Gesundheitsamt die Zahlen parat: Während sich 2019 in Mülheim 208 Menschen mit dem Norovirus infizierten, waren es im vergangenen Jahr nur 55, ein Rückgang von über 73 Prozent. Dies führt Dr. Frank Pisani schon auf die Corona-Maßnahmen zurück. "Das Hygienekonzept ist ja das gleiche", sagt der Leiter des Mülheimer Gesundheitsamts, eben Abstand zu halten und die Isolation der Erkrankten. Noroviren verursachen Magen-Darm-Erkrankungen und sind sehr ansteckend. Vor allem in Senioreneinrichtungen können Norovirus-Infektionen zu einem Problem werden.

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Auch bei den Windpocken gibt es in Mülheim einen deutlichen Rückgang von 37 Fällen im Jahr 2019 auf 27 in 2020. Die Windpocken oder Varizellen werden durch eine Tröpfcheninfektion übertragen, Masken und Abstand könnten durchaus auch hier geschützt haben. "Der Rückgang bei den Windpocken könnte schon mit den Hygienemaßnahmen zusammenhängen", sagt Pisani, der aber darauf verweist, dass es in Mülheim zu wenige Fälle für einen echten Vergleich gibt.

Weniger Fälle von Influenza wurden 2020 in Mülheim gemeldet

Leicht zurück gingen in Mülheim auch die gemeldeten Fälle von Krätze; von 55 in 2019 auf 40 im vergangenen Jahr. Krätze ist eine durch die Skabiesmilbe verursachte ansteckende Hautkrankheit. Aber auch hier sind die Zahlen zu gering, meint Pisani, um daraus schon Schlüsse ziehen zu können. Man müsse bei Krätze einen engen Körperkontakt haben, um sich anzustecken, erläutert der Amtsleiter. Wo Menschen auf engem Raum zusammen sind, können sich Skabiesmilben daher gut verbreiten. In Gemeinschafts- oder Pflegeeinrichtungen, in Kindergärten oder Schulen kann Krätze vermehrt auftreten.

Bei der echten Grippe, der Influenza, scheinen die Hygienemaßnahmen der Corona-Pandemie auch zu niedrigeren Zahlen geführt zu haben. 258 Fälle wurden in ganz 2019 in Mülheim gemeldet. Im vergangenen Jahr wurden 250 Fälle gemeldet, aber nur von Januar bis einschließlich April 2020. "Danach hatten wir keine Grippe-Meldungen mehr", sagt Gesundheitsamtsleiter Pisani. Normalerweise nimmt die Zahl der Grippeinfektionen zum Herbst hin wieder zu.

Kopfläuse konnten sich im letzten Jahr nicht so gut verbreiten

Die AOK, die 42.500 Mitglieder in Mülheim hat, kann bestätigen, dass die Infekte in 2020 deutlich zurückgingen. "Wir merken den positiven Nebeneffekt der Corona-Hygienemaßnahmen bei der Entwicklung von Infektionserkrankungen", sagt Helmut Kiedrowicz, Sprecher der AOK Mülheim und Essen. Er verweist auf eine weitere positive Entwicklung aufgrund der Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln. Die Hygienemaßnahmen machen offenbar auch den Kopfläusen das Leben schwer. Die Übertragungswege werden unterbrochen, weil auch Kinder mehr Abstand halten müssen und nicht mehr so oft die Köpfe zusammenstecken. Im Jahr 2020 wurden rund 30 Prozent weniger Anti-Läuse-Mittel verordnet als noch im Vorjahr, das zeigen Auswertungen der AOK Rheinland/Hamburg.

MEHR HEPATITIS-FÄLLE ALS IM VORJAHR

Meldepflichtig sind noch etliche weitere Erkrankungen. Darunter etwa Salmonellen oder Hepatitis A-E. Diese Infektionen spielten in Mülheim aber nur eine untergeordnete Rolle.

So wurden im Jahr 2019 genau 28 Salmonellen-Infektionen gemeldet, im Jahr 2020 waren es 25. Die Zahl der Hepatitis-Infektionen hat allerdings zugenommen, von 11 Fällen in 2019 auf 17 Fälle in 2020.