Mülheim. Die Stadt Müllheim hat frühzeitig auf die Corona-Krise reagiert: Das Krisenzentrum in der Hauptfeuerwache wächst mit der Lage. Wir waren vor Ort.

Der Hof der Hauptfeuerwache in Broich ist abgeriegelt mit Bauzäunen. Einlasskontrollen regeln, dass niemand Unbefugtes eintritt. Das hat seinen Grund: An der Duisburger Straße hat die Stadt ihr Krisenzentrum zur Coronavirus-Pandemie eingerichtet. Wir waren vor Ort.

Es ist nur ein Raum von vielen entlang dieses schier endlosen Flures, wo Thomas Nienhaus und Kollegen aus dem Rathaus ihr Quartier wohl für einige Zeit eingerichtet haben. An der Wand hängen fünf großformatige Bildschirme, auf denen Mitarbeiter der Stadtverwaltung beobachten, was Mülheimer Medien zur Lage draußen berichten. Was Land und Bund entscheiden, was in den sozialen Netzwerken läuft, was und wie Bürger kommentieren. Gibt es Anlass zur Reaktion, um Unruhe, gar Panik möglichst im Keim zu ersticken?

Kommunikations-Team beobachtet die Lage und ist sieben Tage in der Woche im Einsatz

Das Kommunikationsteam hat sich schon auf zwei Räume ausgedehnt. Kollegen etwa aus dem Kulturamt, vom städtischen Sportservice, aus dem OB-Referat sind als Verstärkung hinzugestoßen. Es ist Krisenlage. Bürger haben viele Fragen, die Stadt will sie möglichst zügig beantworten, um die relative Ruhe, die in Mülheim weiter herrscht, zu bewahren. Mittlerweile hat die Stadt zusätzlich ein Bürgertelefon geschaltet: 0208/455 22.

Feuerwehr-Chef Sven Werner: „Wir haben das Krisenzentrum innerhalb von 24 Stunden auf die Beine gestellt.“
Feuerwehr-Chef Sven Werner: „Wir haben das Krisenzentrum innerhalb von 24 Stunden auf die Beine gestellt.“ © FUNKE Foto Services | Martin Möller


Die Lage beobachten, zu Fragen von Bürgern recherchieren, Antworten liefern über alle möglichen Kanäle – die Stadt baut ihr Personal auch für diese Aufgabe sukzessive aus. „Wir sind sieben Tage am Start“, sagt Nienhaus, der das Kommunikationsteam leitet. Zwölf bis 14 Stunden am Tag wird hier gearbeitet. Der Aufbau des Krisenzentrums läuft sukzessive – und rasant. „Wir haben es innerhalb von 24 Stunden auf die Beine gestellt“, sagt der Hausherr, Feuerwehr-Chef Sven Werner.

Bürger haben sich freiwillig zur Unterstützung des Krisenstabs gemeldet

Das „Virtual Operation Support Team“ in Mülheim, eines von bundesweit nur einer Handvoll, unterstützt den Bevölkerungsschutz im digitalen Zeitalter. Es liefert beständig Informationen an den engen Kreis des Krisenstabs, der regelmäßig in einem eigens geschaffenen, 180 Quadratmeter großen Konferenzraum zusammentrifft, um die aktuelle Lage zu bewerten und Entscheidungen zu treffen.

Hier kommen alle relevanten Krisenmanager aus der Stadt zusammen – vom Leiter des Krisenstabs, Stadtdirektor Frank Steinfort, über Vertreter systemrelevanter Einrichtungen wie etwa der Krankenhäuser oder der niedergelassenen Ärzte, bis hin zu Anja Kleinebrahn, die in Wien Krisenmanagement studiert und in Berlin lebt, ihrer Heimatstadt in dieser außergewöhnlichen Zeit aber ihre ehrenamtliche Unterstützung gibt. Sie ist nicht die einzige freiwillige Bürgerin im Einsatz. In der vergangenen Woche etwa haben die Mitarbeiter im Krisenstab Angela Merkels öffentliche Erklärung live mitgeschrieben, so dass die Stadt schon parallel dazu an ihrer Allgemeinverfügung zu weiteren Einschränkungen im öffentlichen Leben arbeiten konnte.

Aushang mit Zitat von Altbundeskanzler Schmidt: „In der Krise beweist sich der Charakter“

Die Stimmung ist angespannt. Scherze, wie sie in den sozialen Medien aktuell millionenfach kursieren, haben im Mülheimer Krisenzentrum keinen Raum. An eine Tür hat jemand einen Zettel gehängt mit dem Konterfei von Altbundeskanzler Helmut Schmidt und dessen Zitat: „In der Krise beweist sich der Charakter.“

IT-Spezialisten der Stadtverwaltung programmieren derweil Abfragebögen für eine Datenbank, in der alle Mülheimer Infektions-, Verdachts- und Quarantänefälle im Überblick gehalten werden kann. Verfolgt wird auf einer Lagekarte, ob sich irgendwo in der Stadt Schwerpunkte der Corona-Pandemie entwickeln. In einem anderen Raum hält ein Team stets im Blick, was sich bei den kritischen Infrastrukturen tut, bei den Ver- und Entsorgern etwa. Immer im Fokus natürlich auch der Rettungsdienst und die Lage im Diagnosezentrum.

Feuerwehr-Chef appelliert: Bitte die 112 für wirkliche Notfälle freihalten

Das Krisenzentrum in der Hauptfeuerwache ist für Besucher abgeriegelt. Neben Einlasskontrollen herrschen strikte Hygienevorgaben.
Das Krisenzentrum in der Hauptfeuerwache ist für Besucher abgeriegelt. Neben Einlasskontrollen herrschen strikte Hygienevorgaben. © FUNKE Foto Services | Martin Möller


Überall werden Kapazitäten aufgebaut. Die Stadt will auf alles vorbereitet sein. Selbst das schlimmst denkbare Szenario werde geplant, sagt Feuerwehr-Chef Sven Werner. In leeren Gebäuden in der Stadt sind Not-Krankenhäuser eingerichtet, die laut Werner sofort ihren Betrieb aufnehmen könnten. Auch die Krankenhäuser tun alles Erdenkliche, um ihre Notfall-Kapazitäten zu erhöhen.

In dem Zusammenhang appelliert der Feuerwehr-Chef an die Bürger, den Notruf 112 weiter nur für tatsächliche Notfälle zu nutzen und geduldig zu sein, um die Leitungen für eben diese freizuhalten, „wir müssen handlungsfähig bleiben“. Es hatte laut Werner am Samstag vor acht Tagen schon einmal eine kritische Situation gegeben, als viele Mülheimer zum Wochenenden aus Risikogebieten zurückgekehrt waren.

Stadtdirektor: Wir handeln unaufgeregt, sachlich, ausgesprochen unpolitisch

Am Ende des Rundgangs durch das Krisenzentrum tagt mal wieder der Krisenstab. „Unaufgeregt, sachlich, ausgesprochen unpolitisch, ausgerichtet darauf, das Beste für die Bevölkerung zu tun“, betont Stadtdirektor Frank Steinfort, der schon am Freitag zur Forderung von OB-Kandidatin Monika Griefahn (SPD), Mülheim möge im Zweifel im Alleingang eine Ausgangssperre verhängen, seinen Unmut klar geäußert hatte. Die Stadt werde sich an dem orientieren, was das Land vorgibt, sagte er. Auch, um keine Unruhe aufkommen zu lassen.

Kurz vor Sitzungsbeginn: Im Mülheimer Krisenstab sitzen regelmäßig alle Vertreter systemrelevanter Infrastrukturen zusammen, um die Lage zu beraten und Konsequenzen daraus zu ziehen.
Kurz vor Sitzungsbeginn: Im Mülheimer Krisenstab sitzen regelmäßig alle Vertreter systemrelevanter Infrastrukturen zusammen, um die Lage zu beraten und Konsequenzen daraus zu ziehen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Im Krisenstab herrscht eine einhellige Meinung zur Qualität der Zusammenarbeit. „Als wenn wir uns persönlich schon lange kennen“, ruft eine Vertreterin der Krankenhäuser, bevor die Türe sich schließt und die neuerliche Sitzung des Krisenstabs beginnt.