Kamp-Lintfort. Tierschützer haben Haustiere aus katastrophalen Bedingungen befreit. Die Halterin war den Ämtern bekannt – und muss nun mit Konsequenzen rechnen.
- Auf einem Campingplatz in Kamp-Lintfort haben Tierschützer und das Veterinäramt des Kreises Wesel 251 Tiere aus katastrophalen Bedingungen gerettet.
- Viele der Meerschweinchen, Kaninchen, Vögel und Hunde waren verwahrlost, verdreckt oder verletzt.
- Die Halterin war dem Veterinäramt bekannt. Der Kreis Wesel will nun ein Verfahren einleiten.
Ein schockierender Anblick: 251 Tiere sind am Dienstag, 3. Dezember, in Kamp-Lintfort aus einem Messie-Haushalt befreit und in die Kamp-Lintforter Tierherberge sowie auf den Gnadenhof in Weeze gebracht worden. Viele der Tiere sind verletzt, verwahrlost und völlig verdreckt, teilt der Bund Deutscher Tierfreunde (BDT) mit Sitz in Kamp-Lintfort mit. Das Veterinäramt hatte die Beschlagnahmung der Tiere veranlasst.
Nach Angaben der Polizei begann die Rettungsaktion morgens um 8.41 Uhr und dauerte etwa fünf Stunden an. Schauplatz des Einsatzes war ein Mobilheim auf der Freizeitanlage Altfeld, einem Campingplatz an der Altfelder Straße. Ursprünglich war laut BDT von etwa 30 Kaninchen und einigen Wellensittichen sowie Hunden die Rede. Dies habe sich aber nur als Spitze des Eisbergs entpuppt.
Messie-Haushalt in Kamp-Lintfort: Tierschützer standen knietief im Mist
Den BDT-Tierschützern bot sich schon bei der Ankunft bei dem Messie-Haushalt ein schreckliches Bild. Schon beim Betreten des Hauses gab es das erste Problem: Die Tür habe sich aufgrund des übermäßigen Mists nicht öffnen lassen. Im gesamten Gebäude habe sich der Dreck so hoch gestapelt, dass sich die Tierschützer nur geduckt hindurchbewegen konnten und teilweise knietief im Mist standen. Der Geruch von Ammoniak sei so stark gewesen, dass es die Tränen in die Augen trieb und die Hitze sei fast unerträglich gewesen.
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Der Einsatz der BDT-Tierretter, der Mitarbeiter des Veterinäramtes und der Polizei dauerte mehrere Stunden. Erst dann waren alle 251 Tiere eingefangen und gesichert. Es handelt sich nach Angaben der Tierschützer um mehr als 40 Vögel, 124 Kaninchen und über 80 Meerschweinchen sowie drei Hunde, insgesamt seien 251 Tiere gerettet worden. Die Zahlen der Weseler Kreisverwaltung weichen leicht davon ab. Hier ist die Rede von 86 Meerschweinchen, 48 Wellensittichen und vier Hunden. Die Anzahl der beschlagnahmten Kaninchen deckt sich mit den Angaben des BDT.
„Die bei der Kontrolle vorgefundenen Zustände waren weder hinsichtlich des Umfangs der Tierhaltung noch der katastrophalen Haltungsbedingungen erwartet worden.“
Wie Eva Richard, Pressesprecherin des Kreises Wesel, berichtet, sei das Veterinäramt auf mehrere Tierschutzbeschwerden hingewiesen worden. „Die Frau war dem Veterinäramt bekannt“, so Richard. Vor Ort habe sich gezeigt, dass die Tierhaltung im Mobilheim der betroffenen Person zwingend begutachtet werden müsse. Weil die Dame nicht mitwirken wollte, musste das Mobilheim amtlich geöffnet werden. „Die bei der Kontrolle vorgefundenen Zustände waren weder hinsichtlich des Umfangs der Tierhaltung noch der katastrophalen Haltungsbedingungen erwartet worden“, sagt die Sprecherin der Kreisverwaltung.
Verstöße gegen den Tierschutz in Kamp-Lintfort: Kreis Wesel will Verfahren einleiten
Die Polizei war als Unterstützung vor Ort, um bei möglichem Widerstand eingreifen zu können. „Das Veterinäramt wusste nicht, wie die Frau reagieren würde. Der Einsatz ist aber ruhig verlaufen“, berichtet Peter Reuters, Pressesprecher der Kreispolizeibehörde in Wesel auf Nachfrage unserer Redaktion. Demnach sei die Halterin der etlichen verwahrlosten Haustiere weggefahren und habe die Tierschützer und das Amt ihre Arbeit machen lassen.
Gegen die Frau wird zumindest von Seiten der Polizei nicht ermittelt. Dennoch muss sie womöglich rechtliche Konsequenzen erwarten, wie Eva Richard mitteilt: „Der Kreis prüft nunmehr ein Haltungs- und Betreuungsverbot und wird nach abschließender amtstierärztlicher Begutachtung wegen der tierschutzrechtlichen Verstöße ein Verfahren einleiten.“
Nach schockierender Rettungsaktion: Kamp-Lintforter Tierherberge bittet um Hilfe
Es dauerte Stunden, bis die Tiere erstversorgt und untergebracht waren. Die verletzten und kranken Tiere werden nun von Tierärzten behandelt, die verdreckten Tiere nach und nach gesäubert und untersucht. Trotz der großen Belastung und der schrecklichen Umstände haben alle Tiere die erste Nacht in den Tierschutzeinrichtungen gut überstanden, heißt es in der Mitteilung des Vereins.
Erste Untersuchungen hätten ergeben, dass viele der weiblichen Tiere tragend sind. Mit zusätzlichen Belastungen sei also zu rechen. Wegen der notwendigen Quarantäne ist vorerst ein Kontakt mit Tierheimfremden nicht möglich. Die Tierschützer bitten dringend um Hilfe, da eine so große Anzahl an Tieren auch finanziell kaum bewältigbar ist.
Mittwoch, 16.30 Uhr: der Tag nach dem schrecklichen Fund. Wir sind auf der Suche nach Nachbarn, die womöglich etwas bemerkt haben. Es ist allerdings absolut ruhig auf dem Camping-Platz. Bisher ist keine Menschenseele zu sehen. In den meisten Häusern brennt Licht, aber es ist halt auch kein Wetter, um im Garten zu sitzen.
Eine knappe halbe Stunde später haben wir Erfolg. Eine Dame, die mit ihrem Hund unterwegs ist, zeigt sich auf Nachfrage schockiert. „Über 250 Tiere?“, fragt sie empört. Von dem Einsatz mitbekommen hat sie nichts. Auch ein älterer Herr zeigt sich überrascht. Er hat ebenfalls nichts von einem derartigen Einsatz gewusst.
„Wir begleiten den Fall seit rund einem Jahr“, erklärt Dietmar Harsveldt, Geschäftsführer und Eigentümer der Freizeitanlage, im Gespräch mit der Redaktion. Zahlreiche Meldungen an die Behörden hätte es gegeben, unter anderem auch von anderen Mietern. Passiert sei lange nichts. „Hätte man uns ernst genommen, wäre es zu so einer Situation gar nicht erst gekommen“, betont er.
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