Herne/Bochum. In einer Klinik hat ein Patient mit einem Messer einen Zimmernachbarn attackiert. Die Tatwaffe will er in der Schuhsohle eingeschmuggelt haben.
Knapp sechs Monate nach einem lebensgefährlichen Messerangriff in einem Patientenzimmer des St. Marien Hospitals in Eickel muss sich ein Ex-Patient vor dem Bochumer Schwurgericht verantworten. Weil der Herner (33) krankheitsbedingt nur als eingeschränkt schuldfähig gilt, wird auch eine mögliche Zwangseinweisung in die Psychiatrie zum Schutz der Allgemeinheit geprüft.
Dass er am späten Abend des 23. August 2024 mit einem Messer auf seinen Zimmernachbarn eingestochen hat, begründete der Angeklagte so: „Ich wollte mich schützen.“ Er habe gefürchtet, von dem Mitpatienten vergewaltigt zu werden. Nur einen Tag zuvor habe der Mann ihm vermeintlich selbst anvertraut, dass er sich bereits an ihm sexuell vergangen habe. „Ich hatte Angst, dass das nochmal passiert“, sagte der 33-Jährige am Montag, 17. Februar, beim Prozessauftakt. Gleichzeitig beteuerte er: „Ich wollte ihn nicht töten.“
Herne: Angeklagter soll abgewartet haben, bis der Mitpatient eingeschlafen ist
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Staatsanwalt Max Hagemann hingegen geht in der Anklage von einem Mordversuch aus. Kurz vor Mitternacht soll der Herner damals beschlossen haben, den Zimmernachbarn aus Rache für die wahnhaft eingebildeten Vergewaltigungen zu töten. Er soll bewusst abgewartet haben, bis der Mitpatient eingeschlafen ist und so keinen Messerangriff vorausahnen konnte. Dann soll der 33-Jährige sich auf den Körper des Bettnachbarn gekniet und mit einem Küchenmesser mehrfach auf den wehrlosen Patienten eingestochen haben.
Nur weil eine Pflegekraft aufgrund lauter Schreie in das Zimmer gerannt war und den Herner weggezogen hatte, soll der 33-Jährige aufgehört haben, zuzustechen. Bei seiner Fixierung durch weitere herbeigeeilte Pflegekräfte soll der Messerstecher sich angeblich einmal kurz losgerissen, Blut von seiner Hand geleckt und dann gerufen haben: „Blut! Ich brauche Blut.“
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Der angegriffene Patient erlitt zahlreiche Schnitt- und Stichverletzungen im Gesicht, unter anderem an der Zunge und an einem Augenlid. Tiefe Schnittverletzungen im Bereich seines Unterarms und an der Hand deuten auf verzweifelte Abwehrbewegungen hin. Laut Anklage waren insbesondere die Verletzungen am Arm aufgrund großen Blutverlustes „potenziell lebensbedrohlich“.
Der Angeklagte gab zu, sich das Küchenmesser nur wenige Stunden vor dem Angriff bei einem unerlaubten Ausflug vom Klinikgelände besorgt zu haben. „Das habe ich beim Rewe gekauft“, sagte der 33-Jährige. Um das Messer unbemerkt in die Klinik einschmuggeln zu können, will er die spätere Tatwaffe angeblich in einem Hohlraum seiner Schuhsohle versteckt haben.
DNA-Untersuchungen ergaben nicht den geringsten Hinweis auf eine Vergewaltigung
Die Staatsanwaltschaft geht sicher davon aus, dass der Angeklagte sich ein Vergewaltigungserleben nur wahnhaft eingebildet hat. DNA-Untersuchungen an beiden Männern ergaben nicht den geringsten Hinweis auf eine sexuelle Gewalttat. Dass der Herner sich seinerzeit im St. Marien Hospital auf der Station M6 befand, hatte eine Vorgeschichte durch psychisch auffällige Zwischenfälle. Schon vor der Messerattacke soll er zweimal auf offener Straße in Herne-Sodingen „oberkörperfrei“ unterwegs gewesen und deshalb angesprochen worden sein, ob er Hilfe benötige.
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Am 21. August 2024 soll er vor einer Bäckerei mit einem Teppichmesser einem Passanten gegenüber angedeutet haben, ihm die Kehle durchzuschneiden. Am 16. August 2024 soll er durch das geschlossene Gartentor einen Vater, der mit seinem Kind Fußball spielte, ein Klappmesser entgegengehalten und gedroht haben: „Kommt her, ich steche euch ab.“
Der Messerstecher ist seit August 2024 bereits vorläufig in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Für den Prozess hat das Schwurgericht noch Verhandlungstage bis zum 19. März anberaumt.