Herne. Die Zahl der Autos in Herne steigt und steigt. Ist die Mobilitätswende bereits gescheitert? Was Stadt und Politik dazu sagen.
Immer mehr Blech: Mit einem Beschluss für ein Gesamtkonzept „Klimafreundliche Mobilität“ wollten Stadt und Politik 2019 eine Verkehrswende einleiten - eigentlich. Das Ziel: Stärkung des Rad- und Fußverkehrs, weniger Raum für den Autoverkehr. Wenn man sich die Zahlen der Kfz-Zulassungen in Herne 2024 anschaut, scheint dieses Ziel bisher verfehlt worden zu sein.
Die Zahl der zugelassenen privaten und gewerblichen Fahrzeuge hat in Herne und Wanne-Eickel im vergangenen Jahr erneut zugenommen. Die Gesamtzahl der Fahrzeuge in Herne liegt jetzt bei 99.726 - die 100.000-Grenze ist also fast erreicht. 2023 gab es in Herne insgesamt 98.402 Fahrzeuge. 2024 gab es laut Stadt in Herne insgesamt 15.241 Zugänge an Gebrauchtfahrzeugen. 2023 waren es 14.376. Dazu kommen Neuzulassungen, also von Neuwagen, in 2023 exakt 3225 Fahrzeuge und 3402 in 2024.
Seit 2015 steigt der Wert damit Jahr für Jahr um jeweils mehr als 1000 Kraftfahrzeuge – mit einem Ausreißer. Nach Angaben der Verwaltung ist die Zahl der Kfz-Zulassungen in Herne 2021 identisch mit der von 2020. Das überrascht umso mehr, da es noch 2020 den höchsten prozentualen Anstieg seit 2015 gegeben hatte (frühere Zahlen liegen der Stadt nicht vor). Ein Erfassungs- oder Übermittlungsfehler? Nein, betonte 2023 Stadtsprecher Patrick Mammen gegenüber der WAZ. Die Zahl sei korrekt.
Stadt beauftragt Kommunikationskonzept zur Mobilitätswende
Diese Zahlen und die damit verbundenen Auswirkungen, wie beispielsweise hoher Parkdruck in den Wohngebieten oder Elterntaxen vor Schulen und Kindertageseinrichtungen, machen laut Stadt deutlich: „Trotz vieler umgesetzter Maßnahmen in den vergangenen Jahren besteht weiterhin ein großer Bedarf für eine Mobilitätswende in Herne“, so Stadtsprecherin Carina Loose.
Um das öffentliche Bewusstsein dafür zu stärken, habe der Rat der Stadt Herne die Verwaltung im vergangenen Jahr mit der Erstellung eines Kommunikationskonzepts zur Mobilitätswende beauftragt. In den nächsten drei Jahren seien unter anderem eine Aktivierungskampagne und viele verschiedene Beteiligungsformate für die Bürgerinnen und Bürger geplant. Die Verwaltung werde dabei durch externe Kommunikations- und Beteiligungsexpertinnen und -experten unterstützt.
„Die Mobilitätswende ist gescheitert.“
Ziel sei es, den Bürgerinnen und Bürgern Alternativen zum Pkw, wie den öffentlichen Nahverkehr, das Radfahren und zu Fuß gehen, näherzubringen. Die Mobilitätswende könne nur gelingen, wenn alle Menschen ihren Beitrag dazu leisten, so Loose. So soll der Pkw-Verkehr langfristig reduziert und negative Folgen, insbesondere für die Umwelt, verringert werden.
Für Pascal Krüger, Vorsitzender des Umweltausschusses, ist ganz klar: „Die Mobilitätswende ist gescheitert.“ Es habe weder ambitionierte Ziele bei dem Thema gegeben, noch seien diese ambitioniert umgesetzt worden, so der Grünen-Politiker im Gespräch mit der WAZ. Die Maßnahmen seien zudem nicht kampagnenfähig. Es gebe viele Schwachstellen, die hausgemacht seien. Doch wie könnte es besser gelingen? „Man muss ein gutes Angebot schaffen.“ Die Taktung im ÖPNV müsse sich verbessern, Haltestellen und Radwege müssten ausgebaut werden.
Roberto Gentilini (SPD), Vorsitzender des Ausschusses für Digitalisierung, Infrastruktur und Mobilität, ist bei dem Thema ratlos. „Das ist für mich eine Blackbox.“ Die Gründe, warum immer mehr Menschen sich ein Auto zulegten, kenne er nicht. Er habe sogar das Gefühl, dass der Trend eher rückwärts verlaufe und immer mehr junge Menschen ein Auto fahren. Gentilini sei kein Freund von Verboten, vielmehr müsse das Angebot attraktiv gestaltet werden. Dass die CDU beispielsweise überlegt, das Deutschlandticket wieder abzuschaffen, bezeichnet der Herner Politiker als „Wahnsinn“. „Das verunsichert die Leute nur.“
Dass der Trend zum Auto gehe, habe aber nichts damit zu tun, dass von Seiten der Politik zu wenig getan werde, betont er. Ein Grund könne sein, vermutet Gentilini, dass viele Fachbereiche in der Stadtverwaltung unterbesetzt seien und so einige Maßnahmen nicht so schnell umgesetzt werden können, wie es eigentlich notwendig wäre.
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