Herne. Die Aufstellung der Herner SPD-Kandidaten zur Kommunalwahl hatte es in sich: Wer abgestraft wurde, wer die Partei vor Unheil bewahrte.
Es roch nach Routine: Die SPD wollte am Samstag im Volkshaus Röhlinghausen eigentlich nur die von den Ortsvereinen aufgestellten 27 Kandidatinnen und Kandidaten für den Rat der Stadt bestätigen und die eher wenig kontroversen Listen für die Wahl der vier Bezirksvertretungen besiegeln. Doch es kam anders: Nach der „Abstrafung“ von drei Ratskandidaten per Abstimmung wurde der Vorwurf laut, dass es im Vorfeld „massiven Beeinflussungen“ gegeben habe. Immerhin konnte die SPD gerade noch einen politischen Super-GAU abwenden.
Dieser hätte eintreten können, wenn der SPD-Vorstand sein Programm wie geplant (und in den Einladungen dokumentiert) durchgezogen hätte. Zunächst sollten die Ratskandidaturen beschlossen und anschließend in einer gesonderten Veranstaltung ebenfalls im Volkshaus die Bezirkslisten aufgestellt werden. Letzterer Teil wurde dann allerdings kurzfristig abgesagt. „Zwei Tage vor der Wahl sind uns Unebenheiten zwischen Landes- und Unterbezirkssatzung aufgefallen“, erklärt SPD-Chef Hendrik Bollmann auf Anfrage. Das sei gerade noch „zur richtigen Zeit“ erfolgt, weil die Wahlen sonst möglicherweise nicht satzungskonform hätten stattfinden können.
Im Falle einer Anfechtung der Nominierungsergebnisse hätte der SPD bei der Kommunalwahl am 14. September 2025 gedroht, dass sie gar nicht erst in den vier Bezirken hätte antreten dürfen, bestätigte Bollmann der WAZ. Das hätte ein Beben verursacht, denn: Zurzeit stellt die SPD in den Bezirksvertretungen Wanne, Eickel, Herne-Mitte und Sodingen alle Bezirksbürgermeister sowie jeweils die mit Abstand größte Fraktion. „Wir sind dann lieber auf Nummer sicher gegangen“, so der Parteivorsitzende und Bundestagskandidat. Die Nominierungen für die Bezirke sollen nun - wie auch die OB-Kür und die Aufstellung der SPD-Reserveliste für den Rat - im Februar oder März durchgeführt werden.
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„Unebenheiten“ heißt: Die NRW-SPD hat die Satzung 2023 dahingehend geändert, dass die Kandidierenden für den Rat und für die Bezirke in der „gleichen Versammlung“ aufgestellt werden und nicht wie bislang in zwei Versammlungen, was das Herner Unterbezirksbüro offenbar bei der Planung nicht auf der Rechnung hatte. Und wenn Bollmann „uns“ sagt, sind eigentlich die Jusos gemeint, die den handwerklichen Fehler gerade noch rechtzeitig entdeckt hatten.
Am Donnerstagabend, also nicht mal zwei Tage vor den Versammlungen im Volkshaus, seien sie bei der Vorbereitung auf die Nominierungen auf die Satzungsänderungen gestoßen, erklären die Juso-Vorsitzenden Amelie Menges und Alexander Stahl auf Anfrage. Noch während ihrer Sitzung hätten sie den Vorstand informiert und damit wohl „Schaden von der Partei abgewendet“. Persönlich hat ihnen das aber möglicherweise geschadet, weil nicht alle mit der Verschiebung der Nominierungen einverstanden gewesen sein sollen. Bei ihrer Aufstellung für den Rat - Menges war von ihrem Ortsverein Herne-Mitte, Stahl von Herne-Ost aufgestellt worden - erhielten sie gerade mal 74 bzw. 88 der abgegebenen 128 Delegiertenstimmen. Zum Vergleich: Den größten Zuspruch gab es für Bürgermeister Kai Gera mit 112 Stimmen; insgesamt 22 der von den Ortsvereinen vorgeschlagenen 27 Kandidaten wurden mit mehr als 100 Stimmen bestätigt(siehe unten).
Fast gescheitert: Herner SPD-Ratskandidat spricht von Hinterzimmerpolitik
Noch ärger als den beiden Jusos erging es Andreas Jansen, der nur hauchdünn als Kandidat bestätigt worden ist. Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Holsterhausen und Ehemann der (Bollmann unterlegenen) Bundestagskandidatin Sarah Jansen kam im Volkshaus auf gerade mal 65 Stimmen, bei nur einer Stimme weniger wäre er durchgefallen. Auf Nachfrage der WAZ nimmt der 35-Jährige kein Blatt vor den Mund: Er freue sich, dass die Mehrheit des Parteitags ihm das Vertrauen ausgesprochen habe. „Eine große Minderheit leider nicht. Ich verbuche es als Erfolg, dass trotz massiver Beeinflussungen im Vorfeld die Mehrheit Hinterzimmerpolitik abgelehnt und sich für die offene, demokratische Kultur ausgesprochen hat.“
Er erwarte nun „ein deutliches Zeichen der SPD-Führung in Herne“, damit die Partei endlich zur Geschlossenheit zurückfinde, so Jansen weiter. Deshalb sei er auch froh, dass Hendrik Bollmann ihm im Volkshaus als einer der Ersten zur Nominierung gratuliert habe. Aber: „Wenn die SPD weiter so zerstritten agiert wie aktuell, müssen wir uns warm anziehen.“
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Ist die Herner SPD zerstritten? „Nein, das ist sie nicht“, sagt Bollmann . Es seien „an diversen Stellen immer mal wieder einige Konflikte aufgetreten“. „Die SPD hat es aber immer hinbekommen, am Ende wieder gemeinsam und geschlossen aufzutreten.“ Das sei von Wählerinnen und Wählern auch honoriert worden. Die Abstimmungsergebnisse von Menges, Stahl und Jansen will der Vorsitzende nicht kommentieren. Was ihm wichtig sei: „Diese drei Gewählten sind tolle und engagierte Vertreter ihres Stadtteils. Deshalb bin ich - auch mit meinem Votum - voll und ganz von ihnen überzeugt.“ Bollmann betont zudem, dass erstmals in Herne die Juso-Spitze in Direktwahlkreisen antrete.
>>> Die 27 Kandidatinnen und Kandidaten der SPD für den Rat
Bei der Kommunalwahl 2020 gelang es der SPD, alle 27 Herner Direktwahlkreise für den Rat zu gewinnen. Diese Kandidatinnen und Kandidaten wurden von ihren Ortsvereinen für die Kommunalwahl am 14. September 2025 nominiert und vom Parteitag final bestätigt:
Unser Fritz/Crange: Michael Zyweck (110 Stimmen)
Baukau-West: Birgit Klemczak (107)
Bickern: Andreas Hentschel-Leroy (111)
Wanne-Nord: Yücel Yilmaz (106; neu)
Wanne-Mitte: Frank Salzmann (105)
Röhlinghausen-Nord: Holger Dressler (106; neu)
Wanne-Süd: Michael Wippich (103; neu)
Eickel-Ost: Elisabeth Majchrzak-Frensel (91)
Röhlinghausen-Süd: Nadine Minervino (108; neu)
Eickel-West: Martin Kortmann (110)
Eickel-Mitte: Markus Krause (102; neu)
Holsterhausen-Nord: Petra Herrmann-Kopp (111)
Holsterhausen-Süd: Andreas Jansen (65)
Strünkede: Andreas Nowak (109)
Baukau-Ost: Roberto Gentilini (101)
Herne-Mitte: Amelie Menges (74; neu)
Herne-Ost: Alexander Stahl (88; neu)
Herne-Süd: Jan Zajic (112; neu)
Herne-Alt: Theres Boneberger (110)
Herne-Südost: Gabriele Przybyl (105)
Altenhöfen: Kai Gera (112)
Horsthausen: Matthias Bluhm (111)
Elpeshof: Andrea Ellerbrock (93)
Börnig: Michael Weberink (104; neu)
Sodingen-Nord: Nicole Marek (108; neu)
Sodingen-Süd: Olaf Semelka (107)
Holthausen: Andreas Reifschneider (103)
Nicht mehr angetreten sind die SPD-Stadtverordneten Ulrich Syberg, Patrick Steinbach, Hendrik Bollmann, Heinrich Schmidt, Volker Bleck, Manuela Lukas, Jürgen Scharmacher, Michael Gramer, Jörg Högemeier und Ulrich Klonki. Nurten Özcelik ist in ihrem Ortsverein Wanne-Süd nicht erneut aufgestellt worden.