Herne. Die Nominierungsphase zur Kommunalwahl 2025 geht in die heiße Phase: Wer kommt, wer geht. Und: Warum eine Herner Grüne mit Frank Dudda abrechnet.

Fan des VfL Bochum geht in die Offensive

Die Kommunalwahl findet erst am 14. September 2025 statt. Doch weil in diesen Tagen die Nominierungsverfahren begonnen haben, nimmt das Personalkarussell enorm an Fahrt auf und überschreitet bisweilen sogar Tempolimits. Ganz weit vorne bei (parteiinternen) Personaldiskussionen ist traditionell die SPD, die gemessen an früheren Wahlergebnissen in Herne am meisten zu „verteilen“ hat und schon seit einigen Wochen den Turbo eingeschaltet hat. Eine wichtige Weiche ist offenbar bereits gestellt worden. Für den nach dem OB-Amt wichtigsten Posten - der Fraktionsvorsitz im Rat - hat sich Bürgermeister Kai Gera (55) beworben.

Anders als es den Anschein hatte, meldete er diese Bewerbung nicht erst nach dem Verzicht des amtierenden (und nicht unumstrittenen) Fraktionsvorsitzenden Udo Sobieski auf eine weitere Ratskandidatur an. Sondern: Gera hat Sobieski zunächst im persönlichen Gespräch über seine Ambitionen informiert, so war zu hören. Das trug möglicherweise nicht unwesentlich dazu bei, dass Sobieski anschließend entgegen früherer Aussagen seinen Rückzug verkündete.

Einen Rettungsring braucht Kai Gera (re.; mit Bädergesellschaft-Chef Lothar Przybyl) derzeit eher nicht: Der 55-Jährige nimmt Kurs auf den Fraktionsvorsitz in der Herner SPD.
Einen Rettungsring braucht Kai Gera (re.; mit Bädergesellschaft-Chef Lothar Przybyl) derzeit eher nicht: Der 55-Jährige nimmt Kurs auf den Fraktionsvorsitz in der Herner SPD. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Einen Gegenkandidaten hat Gera - Riesen-Fan des VfL Bochum, leidenschaftlicher Karnevalist - derzeit offenbar nicht zu befürchten. Fraktions-Vize Matthias Bluhm, der ebenfalls als potenzieller Sobieski-Nachfolger gehandelt worden ist, unterstützt Geras Kandidatur, wie er der WAZ auf Nachfrage berichtete. Doch ob nun Sobieski, Gera oder Bluhm - Oberbürgermeister Frank Dudda wird es im Falle seiner Wiederwahl eher schnuppe sein, wer unter ihm SPD-Fraktionsvorsitzender ist, solange dieser nicht auf die Idee kommen sollte, eine rot-grüne statt eine rot-schwarze Koalition im Rat zu schmieden oder ihm allzu häufig zu widersprechen. Von Gera ist das nicht zu erwarten.

Auch die Frage, wer Gera im Bürgermeisteramt nachfolgen könnte, ist offenbar bereits abgeräumt worden: Fraktions-Vize Gabriele Przybyl (60) soll es werden, heißt es. Doch gerade bei dieser Position ist in der SPD bekanntlich höchste Vorsicht geboten - bootete doch Erich Leichner nach der Kommunalwahl 2014 die damals amtierende Bürgermeisterin Birgit Klemczak entgegen früherer Absprachen durch eine Überraschungskandidatur in der SPD-Ratsfraktion aus.

Jelveh (Grüne) verlässt den Rat, Özcelik (SPD) unterliegt

Noch mehr Personalien zur Kommunalwahl: Tina Jelveh wird nicht mehr für die Grünen antreten, wie sie auf Anfrage bestätigte. Trotz ihrer erst 39 Jahre hat die stellvertretende Fraktionsvorsitzende eine beeindruckende politische Vita - wurde sie doch direkt nach ihrem Einzug in den Rat im Alter von 24 Jahren (unter Rot-Grün) in Herne zur Bürgermeisterin gewählt, zur jüngsten in ganz NRW. Mit familiären und beruflichen Gründen - Jelveh ist Lehrerin und hat zwei kleine Kinder - begründet sie ihren Schritt. Eher unfreiwillig vor dem Aus im Rat steht die SPD-Stadtverordnete Nurten Özcelik, die in den vergangenen Jahren erfolgreich gegen den Rauswurf aus der Ratsfraktion (und gegen die Kündigung bei der Stadttochter Sparkasse) gekämpft hatte. In ihrem Ortsverein Wanne-Süd bewarb sich die 53-Jährige nun erneut für den Ratswahlbezirk Eickel-West, zog aber - in Abwesenheit - mit 0:13 Stimmen (bei einer Enthaltung) den Kürzeren gegen Ortsvereins-Chef und Ratsherr Martin Kortmann.

Die Grünen-Stadtverordnete und ehemalige Bürgermeisterin Tina Jelveh zieht sich nach 16 Jahren aus dem Rat zurück. Mit im Bild: NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Mi.) und Fraktions-Chef Thomas Reinke beim Maiempfang der Herner Fraktion.
Die Grünen-Stadtverordnete und ehemalige Bürgermeisterin Tina Jelveh zieht sich nach 16 Jahren aus dem Rat zurück. Mit im Bild: NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Mi.) und Fraktions-Chef Thomas Reinke beim Maiempfang der Herner Fraktion. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Abrechnung mit der „Arroganz der Macht“

Der pauschale Vorwurf, dass sich Parteien vor allem mit sich selbst beschäftigen, steht häufig im Raum. Die Grünen haben dies nun ganz bewusst und aus guten Gründen gemacht: Anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Grünen-Ratsfraktion erschien eine Sonderausgabe der Fraktions-Zeitung „Grünzeug“. Lustige Anekdoten finden sich in dem 16-seitigen Postille. Auch Dorothea Schulte - von 2004 bis 2013 Fraktions-Chefin unter Rot-Grün und amtierende Stadtverordnete - hat einen Beitrag („Die Arroganz der Macht“) verfasst. Die 68-Jährige macht darin aber schnell klar, dass ihr zu Rot-Grün „keine lustige Anekdote“ einfalle. Es folgt vielmehr eine gnadenlose Abrechnung mit dem ungeliebten Koalitionspartner, in der sie Giftpfeile abschießt wie „Da, wo es für die Genossen wichtig war, haben sie uns ausgetrickst“.

Ziemlich beste politische Feinde oder: Die Blicke sprechen Bände. Bei Erdbeer- und Kiwitörtchen zogen die damaligen Herner Ratspartner Frank Dudda (SPD) und Dorothea Schulte (Grüne) 2011 im Café Wiacker eine Zwischenbilanz ihrer rot-grünen Koalition.
Ziemlich beste politische Feinde oder: Die Blicke sprechen Bände. Bei Erdbeer- und Kiwitörtchen zogen die damaligen Herner Ratspartner Frank Dudda (SPD) und Dorothea Schulte (Grüne) 2011 im Café Wiacker eine Zwischenbilanz ihrer rot-grünen Koalition. © WAZ FotoPool | KIRSCH, Monika

Die gewünschte Anekdote liefert sie schließlich doch noch, die aber eher eine volle Breitseite gegen den damaligen SPD-Fraktions-Chef Frank Dudda darstellt. Schulte im O-Ton: „Der damalige Fraktionsvorsitzende nahm es mit der Wahrheit nicht immer genau. Als ich ihn darauf ansprach, warum er in seiner Fraktion das Gegenteil dessen behauptete, was wir abgesprochen haben, meinte er lapidar, man müsse die Wahrheit den Zuhörenden anpassen.“