Herne. Ist das schon eine Krise? Die Herner SPD kommt derzeit nicht zur Ruhe. Lars-Oliver Christoph kommentiert die Situation nach den Nominierungen.
Das Wort Krise ist sicherlich (noch?) nicht angebracht, aber die Misstöne und Zerwürfnisse innerhalb der SPD lassen sehr wohl aufhorchen - und das nicht erst seit dem Nominierungsparteitag. Mangelndes Engagement kann Hendrik Bollmann sicherlich niemand vorwerfen, doch angesichts der Entwicklungen der vergangenen Monate werden intern hier und da Zweifel an seiner Führungsqualität laut.
Die Frage ist allerdings, ob man eine Partei wie die Herner SPD als Vorsitzender oder als Vorstandsteam überhaupt in den Griff bekommen kann. Und jeder Sozialdemokrat, jede Sozialdemokratin muss sich persönlich die Frage stellen, ob eine Abstrafung per Stimmzettel bei Nominierungen für eine Wahl das richtige Mittel ist, wenn es keine Gegenkandidaturen gibt. Letztlich schadet man sich dadurch selbst, weil Kandidaten und Partei nach außen geschwächt werden. Dabei hat die SPD bereits eindrucksvoll bewiesen, dass es auch anders geht. Im März 2021 verweigerte ein Drittel der Herner Genossinnen und Genossen Michelle Müntefering bei der Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden die Stimme. Nur wenige Tage später wurde sie mit 90 Prozent erneut als Bundestagskandidatin nominiert.
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Jenseits dieser Nebenkriegsschauplätze bleibt festzuhalten: Der SPD gelingt anders als der CDU ein personeller Umbruch - scheiden doch elf Stadtverordnete der aktuellen Fraktion aus. Das ändert allerdings nichts daran, dass Frauen sowie Migrantinnen und Migranten (mal wieder) stark unterrepräsentiert sind. Eine Volkspartei, die den Anspruch hat, führende politische Kraft in Herne zu sein und zu bleiben, kann damit nicht zufrieden sein.
Es stellt sich allerdings auch die Frage nach der Substanz - gilt es doch, Leistungsträger wie die Ausschussvorsitzenden Ulrich Sybrerg (Planung) und Patrick Steinbach (Soziales) zu ersetzen. Und ob es einem Fraktionsvorsitzenden Kai Gera - eine Gegenkandidatur ist derzeit nicht in Sicht - gelingen wird, den Laden, sprich: die Fraktion zusammenzuhalten, muss sich erst noch zeigen. Nicht alle in der SPD halten ihn für den geeigneten Mann in dieser Position. Oberbürgermeister Frank Dudda gehört sicherlich nicht zu den Skeptikern: Gera dürfte wie der amtierende Fraktions-Chef Udo Sobieski Loyalität gegenüber dem OB ganz groß schreiben.