Herne. In Herne ist die Not der Eltern so groß, dass sie ihre Kinder teilweise mit falschem Namen für Kitas anmelden. Mehr als 800 bleiben unversorgt.
Not macht erfinderisch: In der Hoffnung, mehr Chancen auf einen Kitaplatz in Herne zu bekommen, haben Eltern ihre Kinder teilweise mit falschem Namen beim Kita-Navigator angemeldet. „Kinder sind zum Teil bis zu fünf Mal aufgetaucht. Das ist nicht im Sinne des Erfinders“, betont Sarah Gentilini, Jugendhilfeplanerin bei der Stadt Herne, vor dem Ausschuss Kinder, Jugend und Familie. „Und wenn das wissentlich erfolgt, ist das Betrug“, betont sie. Insgesamt seien derzeit 818 Kinder beim Kita-Navigator vorgemerkt, die bisher vergeblich auf einen Betreuungsplatz warten.
Um einen Platz in einer Kita in Herne zu bekommen, müssen Eltern ihr Kind seit Oktober 2020 nicht mehr direkt bei den Einrichtungen, sondern über den so genannten „Kita-Navigator“ bei bis zu fünf Kitas anmelden. Sobald es einen Platz bei einer Kita erhalten hat, soll es (eigentlich) aus dem System rutschen und somit lange Wartelisten von Kindern verhindert werden, die eigentlich schon gar keinen Bedarf mehr haben. Doch auch beim Navigator seien einige „Karteileichen“ zu verzeichnen, sagt Sarah Gentilini vor der Herner Politik. Diese hatte um aktuelle Bedarfsquoten im U3- und Ü3-Bereich sowie eine Übersicht der Wartelisten zugeordnet zu den einzelnen Bezirken gebeten.
Herne: Viele „Karteileichen“ im Kita-Navigator
„Das ist keine Auswertung, die auf Knopfdruck erfolgen kann“, betont Gentilini. „Das ist ein recht mühsamer Prozess gewesen, die Daten im Kita-Navigator so aufzubereiten, dass man daraus verschiedene Dinge überhaupt ableiten kann.“ Unter den 3500 bis 4000 Datensätzen seien einige, bei denen die Eltern ihre Kinder nicht aus dem System gelöscht hätten, obwohl sie aus Herne weggezogen oder ihr Kind bereits in die Schule gekommen sei. Zum Teil seien auch Kinder aus anderen Städten registriert oder Kinder, die bereits in einen Betreuungsplatz haben, jedoch gerne in eine andere Kita wechseln würden.
Und dann seien da auch die Eltern, die ihre Kinder mit falschem Namen oder unterschiedlicher Schreibweise des Namens gleich mehrfach registrieren, um die Chance auf einen Platz zu erhöhen und ihr Kind bei mehr als fünf Kitas vorzumerken. Eltern seien „sehr kreativ“ und würden „ihre Kinder auch wissentlich mehrfach mit Alias-Namen anlegen“, beobachtet die Jugendhilfeplanerin.
Nach automatischer und händischer Bereinigung der Datensätze, die eine „Herausforderung“ gewesen sei, seien es noch insgesamt 818 Datensätze gewesen, also Vormerkungen, die zum 15. Oktober in Herne wohnten, die unter sechs Jahre alt seien, und die tatsächlich noch nicht anderweitig betreut würden.
Beim Blick auf die Bezirke steche vor allem Herne-Mitte negativ hervor. „Dort sind es 266 Kinder, die noch auf einen Betreuungsplatz warten“, so Gentilini. Insgesamt sehe man, dass absolut betrachtet, in Sodingen die wenigsten unbefriedigten Vormerkungen sind (69 für U3 und Ü3 zusammen). In Eickel seien es zum Stichtag (15. Oktober) 131 unbetreute Kinder, die aber gerne einen Platz hätten, und im Bezirk Wanne 203 vorgemerkte Kinder, die noch keinen Betreuungsplatz haben. Hinzu kommen noch 149 Vormerkungen, die aus älteren Datensätzen stammten und keinem Bezirk zuzuordnen seien.
Gentilini weist darauf hin, dass noch 231 Kita-Plätze im Verlauf des Kita-Jahres vergeben werden sollen, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung aber noch nicht in Betreib waren. In Wanne und in Eickel sollen demnach beispielsweise bei der Kita Karlstraße noch ein bis zwei Gruppen eröffnet werden, der Veilchenweg laufe noch nicht und auch die Plätze bei den beiden städtischen Einrichtungen Am Berg und Am Freibad würden jetzt erst sukzessive vergeben.
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Mit Blick auf die Versorgungsquote für das kommende Kita-Jahr zeigt sich Gentilini aber „erfreut“. „Wir werden vermutlich im U3-Bereich die 40 Prozent-Marke knacken.“ Und weiter: „Nach dem langen Ringen um Erfolge schlägt es sich nun auch in Quoten nieder. Dieses Jahr schon und im nächsten Jahr noch besser.“
Sorgen bereiten der Herner Politik, die vielen älteren Kinder, die auf einen Betreuungsplatz warten. Laut den vorgestellten Daten sind es insgesamt 344 Kinder über drei Jahren und das, obwohl die Stadt in dieser Altersgruppe eigentlich jedem Kind einen Platz anbieten möchte. Vor allem mit Blick auf Vorschulkinder sieht dies der Ausschussvorsitzende Ulrich Kloni kritisch: „Wir haben mit mehreren Trägern gesprochen und gefragt: Warum stellt ihr eure Aufnahmekriterien nicht um?“ Besonders Vorschulkinder sollten ohne Wenn und Aber einen Kita-Platz erhalten, so sein Appell. „Wenn ein fünfjähriges Kind keinen Kita-Platz bekommt, ist das eine Katastrophe spätestens dann, wenn es in die Schule kommt“, sagt er. Es könne nicht sein, dass es Kinder gibt, die nicht wenigstens ein Jahr in einer Kita waren. „Das müsste die höchste Priorität haben.“