Herne. Eltern einer Herner Kita haben es satt: Ständig müssen ihre Kinder wegen Personalmangel zu Hause bleiben. Das zieht sich seit etwa einem Jahr.
Einige Eltern der Awo-Kita Castroper Straße in Herne-Börnig sind mit ihrer Geduld am Ende. Denn der Kita-Platz, über den sie sich anfangs so freuten, erweist sich in ihren Augen inzwischen als Schuss in den Ofen. Seit rund einem Jahr haben sie ihre Kinder trotz Betreuungsplatz zu großen Teilen zu Hause. Häufig erfahren sie erst morgens, ob wieder einzelne Gruppen geschlossen bleiben oder die ganze Kita in die Notbetreuung wechselt, da nicht genügend Erzieherinnen und Erzieher da sind.
„Meine Tochter war im September vier Tage in der Kita“, sagt Nicole Janssen voller Frust. „Letztes Jahr im November und Dezember waren es zusammen drei Tage.“ Sie habe nachgezählt, was angesichts der geringen Anzahl der Tage wohl nicht besonders schwierig war. Denn dass ihre Tochter Karoline (4) mal in die Kita gehen kann, sei schon fast zur Ausnahme geworden. Für die alleinerziehende Mutter, die zudem gesundheitliche Probleme hat, ist das eine schwere Belastung. „Ich hatte zuletzt einige Operationen, aber mein Kind durfte nicht in die Kita kommen, weil Notbetreuung war“, sagt sie.
Eltern erfahren oft erst morgens, dass die Betreuung ausfällt
Seit die Kita vor drei Jahren eröffnet hat, gehe das schon so. Zunächst sei gefragt worden, ob man das Kind früher abholen oder gar nicht bringen könne. Nun komme regelmäßig die Info, welche Gruppe an welchem Tag geschlossen bleibt, so Janssen weiter. Für die Eltern heißt das dann, kurzfristig eine Betreuung für das Kind zu organisieren.
Mutter Melek Karabal stellt das vor ein großes Problem. Teilweise sei sie bereits mit ihren beiden Kindern auf dem Weg zur Kita, wenn es wieder hieße, dass ihr Sohn (5) und ihre Tochter (2) an dem Tag nicht kommen dürften. „Wie soll ich so kurzfristig eine Betreuung finden? Ich muss arbeiten“, sagt sie. Häufig bliebe ihr dann nur, die Kinder mit zur Arbeit zu nehmen. Das ist aber nicht bei allen Eltern möglich. „Es geht so weit, dass ich meinen Job kündigen musste“, sagt Alina Erdir, deren dreijährige Tochter und fünfjähriger Sohn die Awo-Kita besuchen – zumindest wenn sie zwischendurch mal dürfen.
Bei ihr sei die Situation nochmal besonders schwierig, da ihre Tochter aufgrund einer Glasknochenkrankheit einen integrativen Kita-Platz habe. Doch auch sie dürfe ständig nicht kommen. „Das geht auch an die Psyche der Kinder“, betont Alina Erdir. Ihre Tochter habe keine Freundschaften mehr in der Kita, ihr Sohn wolle auch gar nicht mehr hingehen und verhalte sich trotz seiner sechs Jahre wie zur Zeit der Eingewöhnung. „Eine gute Vorbereitung auf die Einschulung ist das nicht“, bedauert sie. Dass das Personal ständig wechsele, zuletzt auch die Kita-Leitung, mache die Sache für die Kinder nicht einfacher.
Es sei viel versprochen worden bei der Eröffnung, sagen die Mütter, Hühner sollten an die Kita kommen, ein Therapiehund und eine Zusammenarbeit mit einem Bauern in der Nähe sei angekündigt worden. Nichts davon sei umgesetzt worden. Auch Veranstaltungen, bei denen man die anderen Eltern mal kennenlernen würde, habe es in den Jahren nicht gegeben. Ein weiteres Ärgernis: Die Betreuungs- und auch die Verpflegungskosten für Mittagessen, das die Kinder zum Großteil nicht essen konnten, seien weiterhin jeden Monat fällig gewesen.
Neue Kita-Leiterin zeigt Verständnis für Situation der Eltern
All das habe sich als Ärger über die Zeit angestaut. Die Mütter betonen, dass sie nicht gegen die Kita-Mitarbeiter oder die neue Kita-Leiterin hetzen möchten, die zum Großteil auch nichts für die Situation könnten. Sie fordern, dass der Träger tätig wird und endlich Abhilfe schafft: mehr Personal oder weniger Gruppen.
„Ich weiß, dass die Geduld gerade knapp ist“, sagt Silvija Rostohar, die seit ein paar Wochen die Leitung der Kita übernommen hat und spontan zum Gespräch der Eltern dazukommt. „Wir sind dran“, betont sie. „Ich weiß von dem Druck und habe mich sehr bewusst auf diese Stelle beworben.“ Sie sehe die schwierige Situation und Unterbesetzung auch, könne aber kein Personal zaubern. Stellen seien aber ausgeschrieben. „Der Krankenstand ist das Problem“, sagt die Leiterin der sechsgruppigen Einrichtung. „Wenn es nach mir gehen würde, würde ich sagen: Machen wir erstmal nur vier Gruppen. Die kann ich auch fest stemmen.“ So einfach sei das aber nicht, auch aus finanziellen Gründen.
Der Träger der Kita, die Awo Ruhr-Mitte, schätzt die Lage etwas anders ein und betont auf Anfrage, dass es zwar immer wieder Notbetrieb gab, aber doch eine regelmäßige Betreuung stattfand. „Die Gruppen wurden abwechselnd im Notbetrieb bedacht. So sind sowohl Kinder von Berufstätigen als auch von Nicht-Berufstätigen sowie von Alleinerziehenden abwechselnd in die Betreuung gekommen“, sagt Sprecher Christopher Becker. Die Awo versuche, so früh wie möglich Krankmeldungen von Mitarbeitenden aufzunehmen und „eine schnellstmögliche und transparente Kommunikation mit den Eltern herzustellen“. Vor allem kurzfristige Krankmeldungen seien dabei das Problem.
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Für die Kita-Gebühren sei die Stadt Herne zuständig – entsprechend der kommunalen Satzung. Die Essensbeiträge würden punktuell und anlassbezogen erstattet, so der Träger weiter. Die Awo sei aber an einen über mehrere Jahre bestehenden Abnahmevertrag mit ihrem Lieferanten gebunden und ein Teil des Essensgeldes fließe zudem als Fixkostenpunkt in die Infrastruktur zur Bereitstellung des Essens.
Mit den derzeit besetzten Personalstellen sei die gesetzliche Mindestbesetzung erfüllt, so Becker. „Wir wollen jedoch dem Umstand der Einrichtung angemessen entgegenkommen und planen zusätzliche Einstellungen.“ Noch in diesem Jahr seien Neueinstellungen vorgesehen. Vielleicht ein kleiner Hoffnungsschimmer für die seit Monaten verzweifelten Eltern.