Herne. Als letzte Stadt des Ruhrgebiets beteiligt sich nun auch Herne am Gedenkprojekt „Stolpersteine“. Was geplant ist, wie man sich einbringen kann.

Über 100.000 Gedenksteine für ermordete und verfolgte Opfer der Nazis in mehr als 1800 deutschen Kommunen: Das ist die beeindruckende (Zwischen-)Bilanz des 1992 vom Künstler Günter Demnig (77) gestartete Projekt „Stolpersteine“, das inzwischen auch in Europa Kreise zieht. Im Ruhrgebiet ist Herne bislang die einzige noch nicht beteiligte Stadt, was sich in Kürze ändern wird. Nach dem auf Initiative der Grünen erfolgten Ratsbeschluss im April zur Einführung des Projekts lädt ein Aktionsbündnis nun für Mittwoch, 11. Dezember, zu einer Auftaktveranstaltung ein.

Sie laden zum Auftakttreffen für die Stolpersteine in Herne ein: (v.li.) Oliver Doetzer-Berweger (Emschertal-Museum) Tina Jelveh (Grünen-Fraktion) und Rolf Dymel (Förderkreis Mahn- und Gedenkstätte Polizeigefängnis).
Sie laden zum Auftakttreffen für die Stolpersteine in Herne ein: (v.li.) Oliver Doetzer-Berweger (Emschertal-Museum) Tina Jelveh (Grünen-Fraktion) und Rolf Dymel (Förderkreis Mahn- und Gedenkstätte Polizeigefängnis). © loc

Mitmachen ausdrücklich erwünscht: Rolf Dymel vom federführenden Verein „Förderkreis Mahn- und Gedenkstätte Polizeigefängnis Herne“ hofft wie Tina Jelveh (Grüne) und Stadthistoriker Ralf Piorr auf eine breite Beteiligung aus der Zivilgesellschaft, um NS-Opfer im gesamten Stadtgebiet sichtbar zu machen. Vereine, Verbände, Schulen und Gruppen, aber auch Einzelpersonen seien dazu aufgerufen, sich aktiv zu beteiligen und mit Beiträgen sowie Recherchen einzubringen, so Dymel. Was ihnen wichtig sei: „Alle Opfergruppen sollen bei der Verlegung der Stolpersteine berücksichtigt werden.“

Bis die Steine mit den kleinen Gedenktafeln aus Messing am letzten bekannten Wohnort des jeweiligen NS-Opfers ins Pflaster eingelassen werden, gehen allerdings noch zwölf Monate ins Land: „Die ersten Stolpersteine können erst im Dezember 2025 verlegt werden“, sagt Ralf Piorr. Dieser Termin sei vom Büro Günter Demnig vorgegeben worden. Der Berliner Bildhauer habe die Marke einst schützen lassen. Er lege Wert darauf, in Kommunen, die noch keinen Stolpersteine haben, den ersten Stein selbst zu verlegen. „Unsere Vorstellung ist, dass wir zum Auftakt zehn bis zwölf Steine realisieren“, so Piorr.

Initiator Gunter Demnig - hier in Oberhausen - legt Wert darauf, den ersten Stolperstein in einer Stadt selbst zu verlegen. Im Dezember 2025 soll dies in Herne der Fall sein.
Initiator Gunter Demnig - hier in Oberhausen - legt Wert darauf, den ersten Stolperstein in einer Stadt selbst zu verlegen. Im Dezember 2025 soll dies in Herne der Fall sein. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Alle Beteiligten betonen, dass die Stolpersteine als Ergänzung der Herner Erinnerungskultur und insbesondere des Projekts „Nahtstellen, fühlbar, hier ...“ zu verstehen sei. Und Tina Jelveh weist darauf hin, dass die Grünen-Fraktion vor ihrem Vorstoß im Rat ein Gespräch mit der jüdischen Gemeinde Bochum, Hattingen, Herne geführt habe. Es gebe dort zwar auch kritische Stimmen zu den Stolpersteinen, doch grundsätzlich sei die Gemeinde mit der Realisierung des Projekts in Herne einverstanden gewesen.

Die Kosten für die Herstellung der Steine durch das Büro Demnig - 130 Euro pro Exemplar - sowie für die Verlegung sollen allein über Spenden finanziert werden. Die Politik erteilte der Stadt den Auftrag, die Recherchen für die Stolpersteine zu unterstützen sowie die Genehmigungsverfahren für die Verlegung „wohlwollend“ zu unterstützen. Das werde auch geschehen, kündigen Stadtsprecher Christoph Hüsken und Oliver Doetzer-Berweger vom Emschertal-Museum an. Für die städtische Homepage und/oder das Geoportal sei eine Karte mit den jeweiligen Standorten geplant, außerdem sollen sie in die WDR-App für die Stolpersteine eingepflegt werden.

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Der Wunsch auf Einführung der Stolpersteine sei schon häufiger an ihn herangetragen worden, berichtet Stadthistoriker Piorr, der sich seit vielen Jahren insbesondere mit der Geschichte der Jüdinnen und Juden in Herne und Wanne-Eickel im Nationalsozialismus befasst. „Ich habe Anfragen aus Australien, Israel und New York erhalten.“ Es seien Angehörige ermordeter Jüdinnen und Juden aus der zweiten und dritten Generation, die sich einen Stolperstein für ihr Familienmitglied in Herne oder Wanne-Eickel wünschten. Auch Religionsgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas und andere Gruppen seien bereits vor dem Ratsbeschluss bei der Stadt vorstellig geworden in Sachen Stolpersteine.

Das weitere Verfahren für die Verlegung der Stolpersteine soll beim Auftakttreffen am Mittwoch, 11. Dezember, im Heimatmuseum, Unser-Fritz-Straße 108, festgelegt werden. Beginnt ist um 18 Uhr.