Herne. Zwei Parteien gedachten in Herne der jüdischen Opfer des 9. November 1938. Welche Rolle der Nahost-Krieg, der Hamas-Terror und die AfD spielten.

Herne gedenkt der jüdischen Opfer der Reichspogromnacht am 9. November 1938: Die Grünen und die CDU führten Gedenkveranstaltungen am Ort der vor 86 Jahren niedergebrannten Synagogen in Herne und Wanne-Eickel durch, die Stadt hatte ihre traditionelle Veranstaltung verlegt.

Knapp 25 Menschen - unter ihnen der Bochumer Grünen-Bundestagsabgeordnete Max Lucks - folgten am Samstagabend der Einladung der Grünen an den Ort der ehemaligen Synagoge an der Schaeferstraße/Hermann-Löns-Straße in Herne-Mitte. Bereits vor der Veranstaltung hatte die Stadt einen Kranz (für „Rat und Verwaltung“) an der Gedenktafel abgelegt.

Warnung vor neuem Nationalismus und der AfD

„Mit dem Gedenken ist das so eine Sache“, sagte Grünen-Urgestein Jörg Höhfeld in seiner Rede. Vor einigen Wochen sei der jüdische Publizist Max Czollek im Heimatmuseum Unser Fritz gewesen, der den Begriff des „Versöhnungstheaters“ geprägt habe. Man müsse nicht jede These Czolleks teilen, so Höhfeld. Aber die Gefahr, über das Erinnern die Entwicklungen der Gegenwart zu übersehen, den neuen Nationalismus, das Erstarken rechtsextremistischer, antisemitischer und völkischer Ideen bis in die Mitte der Gesellschaft, sei sehr real. „Wie kann im Land des ,Erinnerungsweltmeisters‘ eine Partei, von der einige Landesverbände als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden und deren Thüringer Landesvorsitzender als Faschist bezeichnet werden, darf, bei einer Landtagswahl 30 Prozent bekommen?“, fragte Höhfeld.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zündeten bei der Gedenkveranstaltung der Herner Grünen Kerzen an.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zündeten bei der Gedenkveranstaltung der Herner Grünen Kerzen an. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Das Sterben der letzten jüdischen Zeitzeugen dürfe nicht das Ende der Erinnerung sein. „Die Erinnerung muss bleiben - an das größte Menschheitsverbrechen, verübt von uns Deutschen.“ Erst recht, weil die Lage von Jüdinnen und Juden in Deutschland nach dem Terroranschlag der
Terrormiliz Hamas am 7. Oktober 2023 wieder prekär geworden sei. „Dem müssen alle, die bereit sind, aus dem 9. November 1938 etwas zu lernen, entgegentreten - überall und immer“, so der 80-Jährige.

Auch interessant

Das bedeute aber nicht, dass man ein Freund der israelischen Regierung sei, die Siedlungspolitik unterstütze oder jede Maßnahme der israelischen Armee für richtig halte: „In unserem Herzen sollte genug Platz sein für die Getöteten, Vergewaltigten und Verschleppten des 7. Oktober, aber auch für die Getöteten und Vertriebenen im Gaza-Streifen und im Libanon.“ Man könne nur auf einen gerechten Frieden hoffen: „Deshalb ist das Gedenken an die Shoah, die sich in der Pogromnacht ankündigte, heute aktueller denn je. Menschenrechte gelten für alle.“

„Menschenrechte gelten für alle“: der frühere Grünen-Stadtverordnete Jörg Höhfeld am Standort der ehemaligen Herner Synagoge.
„Menschenrechte gelten für alle“: der frühere Grünen-Stadtverordnete Jörg Höhfeld am Standort der ehemaligen Herner Synagoge. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Vor 30 Jahren hätten die Grünen zum erste Mal am 9. November an der ehemaligen Synagoge gestanden, berichtete Jörg Höhfeld am Rande der Veranstaltung. Anlass sei der Brandanschlag auf eine Synagoge am 25. März 1994 in Lübeck gewesen - der erste Anschlag dieser Art seit 1938. Sie hätten daraufhin beschlossen, ein Zeichen zu setzen und regelmäßig an diese Nacht zu erinnern - und zwar dort, wo die Synagoge gestanden habe. Die Stadt habe ihre Gedenkveranstaltungen dagegen damals in der Regel „um den 9. November herum“ durchgeführt, häufig am Mahnmal Bebelstraße.

Herner CDU führt erstmals Gedenkveranstaltung zum 9. November durch

Auch die Herner CDU zog es am Samstag, 9. November, zum Ort einer ehemaligen Synagoge. An der Langekampstraße in Wanne-Eickel führte die Partei erstmals selbst eine Gedenkstunde durch. „Uns war wichtig, dass wir auch an dem Gedenktag den Menschen ein Angebot machen“, sagte CDU-Chef Christoph Bußmann zur WAZ und verwies auf die Verlegung der städtischen Veranstaltung (siehe unten). Die Erinnerung an die Pogromnacht sei für die CDU Mahnung und Auftrag zugleich, für Demokratie und Menschenrechte einzustehen und Rassismus und Menschenverachtung entschieden entgegenzutreten. Wenn ,nie wieder‘ wirklich etwas bedeuten solle, dann müsse man nicht nur an der Seite Israels stehen, sondern auch Jüdinnen und Juden in Deutschland beschützen.

CDU-Gedenkstunde an der ehemaligen Synagoge in Wanne-Süd: Parteichef Christoph Bußmann und die stellvertretende Vorsitzende Bettina Szelag.
CDU-Gedenkstunde an der ehemaligen Synagoge in Wanne-Süd: Parteichef Christoph Bußmann und die stellvertretende Vorsitzende Bettina Szelag. © CDU Herne

Und warum findet das Gedenken der Stadt zum 9. November diesmal erst am 11. November statt? „Um Schulklassen die Teilnahme zu ermöglichen, findet die Veranstaltung unter der Woche während der Unterrichtszeit statt und nicht am eigentlichen Jahrestag der Pogromnacht, der in diesem Jahr auf einen Samstag fällt“, erklärte Stadtsprecher Tobias Kindel. Bereits seit Jahren würden Schülerinnen und Schüler in die Gedenkveranstaltung einbezogen, „um die Erinnerung in die nächste Generation zu tragen“.

Die Gedenkveranstaltung der Stadt findet am Montag, 11. November, an der ehemaligen Synagoge an der Langekampstraße 48 in Wanne-Süd statt. Beginn ist um 12 Uhr.