Herne. Das Gedenken an die Pogrome in Herne am 9. November 1938 stand nach dem Massaker in Israel unter einem besonderen Stern. Wie sich das ausdrückte.
85 Jahre nach der Pogromnacht hat Herne am Donnerstag, 9. November, in mehreren Veranstaltungen der jüdischen Opfer der Nationalsozialisten gedacht. Das am 7. Oktober an jüdischen Zivilisten begangene Massaker der Hamas-Terroristen in Israel spielte ebenfalls eine Rolle. Und: Ein Nachfahre der Wanner Unternehmerfamilie Heitkamp setzte ein sehr persönliches Zeichen.
Zur zentralen Veranstaltung hatten die Stadt und Oberbürgermeister Frank Dudda an den Standort der 1938 niedergebrannten Synagoge an der Langekampstraße in Wanne eingeladen. Vor mehr als 250 Zuhörerinnen und Zuhörern betonte der OB, dass die aktuellen Ereignissen alle berührten und bewegten. „Wir erleben Antisemitismus in einer Form, von der wir eigentlich dachten, dass wir sie überwunden haben. Das ist Gift für die Gesellschaft“, so Dudda. Antisemitische Schmierereien, Hetze in sozialen Medien, Hinwendung zu rechter Ideologie und zu radikalem Islamismus sowie eine menschenfeindlichen Haltung würden in Herne nicht akzeptiert. Das sei ein Angriff auf die Demokratie.
„Wir müssen mit aller Kraft deutlich machen, dass wir die Mauern in den Köpfen und Herzen mancher Menschen einreißen müssen. Die müssen sich verändern, nicht wir“, so der OB. Und man dürfe sich auch nicht von „Blasen im Internet“ täuschen lassen, wer die Mehrheit in der Gesellschaft stelle. Es könnten kritische Debatten geführt werden, und man könne auch Staaten kritisieren, „aber man darf nicht Menschen diskriminieren und bedrohen“, so Dudda. In Herne sei kein Platz für religiöse Intoleranz und für Hassbotschaften. Am Ende des Tages müssten sich alle darüber im Klaren sein, „dass wir in Herne ein Zusammenleben haben wollen, das auf Integration, Vielfalt und Zusammenhalt setzt.“
Veranstaltungen im Gedenken Reichspogromnacht in Herne 1938
Nach dem Oberbürgermeister ergriff auf eigenen Wunsch Engelbert Heitkamp das Wort. Der 75-Jährige - bis zum Zerfall des Konzerns im Jahr 2011 Geschäftsführer - bat mit seinem Cousin Heiner Heitkamp um Entschuldigung dafür, „wenn unsere Familie die jüdische Gemeinde durch Tun oder Nichtstun verletzt hat“. Hintergrund: Heitkamp hatte 1939 das Synagogengelände von der jüdischen Gemeinde in Wanne gekauft. Nach dem Krieg sollen Familienmitglieder mehrere Vorstöße zur Förderung der Erinnerungskultur und zur Dokumentation von Nazi-Verbrechen an diesem Standort abgelehnt haben, so im Raum stehende Vorwürfe.
An der Veranstaltung vor der Gedenktafel der Synagoge nahmen unter anderem auch zahlreiche Vertreter der Ratsparteien und der Glaubensgemeinschaften, Polizeipräsident Jörg Lukat und Alt-OB Horst Schiereck teil. Elena und Nobila von der Q1 der Gesamtschule Wanne-Eickel berichteten in ihrem Beitrag vom Schrecken der Pogromnacht 1938 in Herne und schlugen eine Brücke in die Gegenwart. Für den musikalischen Rahmen sorgte ein Lehrer-Ensemble der Gesamtschule.
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Bereits zwei Stunden zuvor hatte am Shoah-Mahnmal in Herne-Mitte eine weitere Veranstaltung mit rund 500 Teilnehmenden stattgefunden, die von der DGB-Geschichtswerkstatt, der Verdi-Jugend und der Gesamtschule Erich Fried organisiert worden war. Nach einer Rede von OB Dudda legten Schülerinnen und Schüler am Mahnmal 500 weiße Rosen für die Herner Opfer der Shoah nieder. Nach einem Schweigemarsch zum Mahnmal an der Bebelstraße wurden dort 500 rote Rosen abgelegt. Redebeiträge der Organisatoren und eine Schweigeminute beschlossen die Veranstaltung.
Wäre es diesmal für die Stadt nicht angezeigt gewesen, vor dem Hintergrund des Massakers an jüdischen Menschen in Israel ein besonderes Zeichen zu setzen und einen Schulterschluss der Herner Zivilgesellschaft zu organisieren? Diese Frage der WAZ verneinte der OB am Rande der Veranstaltung am Shoah-Mahnmal: Sie hätten das im Ältestenrat des Rates tatsächlich diskutiert. Die Stadt habe sich dann ja auch klar zum Existenzrecht Israels bekannt, indem die israelische Fahne am Rathaus aufgehängt worden sei. Eine spezielle Veranstaltung ohne Bezug zur Shoah habe man jedoch nicht durchführen wollen.