Herne. Auch in Herne sind Mitarbeiter in den Notaufnahmen zuletzt beleidigt - und sogar angegriffen worden. Kameras und Safe Rooms sollen jetzt helfen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Notaufnahmen werden immer wieder Opfer von Angriffen - wie zuletzt in einem Essener Krankenhaus. Einige Herner Kliniken rüsten deswegen ihre Sicherheitsvorkehrungen auf. So soll unter anderem in den Häusern der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft verstärkt Videoüberwachung eingesetzt werden.

Denn auch in Herne kommt es immer wieder zu Attacken auf Klinikmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in den Notaufnahmen. „Verbale Angriffe kommen mehrfach wöchentlich vor, sie gehören damit bedauerlicherweise schon fast zum Alltagsgeschäft“, sagt Chefarzt Dr. Mike Thompson, ärztlicher Leiter der Zentralen Notaufnahme in Herne-Mitte. Es gebe aber auch körperliche Übergriffe. Diese seien allerdings deutlich seltener. Und sie gingen – in den meisten Fällen – zudem von Demenzerkrankten aus. „Damit können unsere Mitarbeitenden professionell umgehen.“

Dr. Mike Thompson ist ärztlicher Leiter der Notaufnahme im Evangelischen Krankenhaus Herne.
Dr. Mike Thompson ist ärztlicher Leiter der Notaufnahme im Evangelischen Krankenhaus Herne. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Thompson nennt ein Beispiel für einen Angriff: Vor einigen Monaten habe es einen Übergriff eines nicht demenzkranken Patienten gegeben. Dieser sei zunächst verbal massiv ausfallend geworden, habe vor Mitarbeitenden sexuelle Handlungen an sich vorgenommen und schließlich sogar einen Arzt geschlagen. „Wir haben die Polizei gerufen, die den Mann schließlich festgenommen hat.“

Wie oft die Polizei in solchen Fällen hinzugezogen wird, darüber wird laut Thompson keine Statistik geführt. „Wenn eine Deeskalation nicht gelingt und auch die zu Hilfe gerufenen Kolleginnen und Kollegen die Situation nicht beruhigen können, rufen wir die Polizei.“ Sobald Mitarbeitende zu Schaden kommen - körperlich oder psychisch - werde Strafanzeige erstattet.

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In den Krankenhäusern der Evangelischen Krankenhausgemeinschaft gebe es sogenannte Safe Rooms. Diese seien ein sicherer Rückzugsraum, zu dem Fremde keinen Zutritt hätten. Mitarbeitende könnten sich in gefährlichen Situationen hierhin zurückziehen und sich so schützen. Im EvK Herne gibt es laut Thompson zwei solcher Safe Rooms. Einer dieser Räume sei in der oben geschilderten Situation von Mitarbeitenden genutzt worden.

Außerdem sei im Wartebereich bereits seit Längerem eine Überwachungskamera installiert. „Die Video-Überwachung im Bereich der Zentralen Notaufnahme werden wir kurzfristig noch ausweiten, um Übergriffe juristisch aufarbeiten zu können.“

Nach Angriffen: Krankenhaus bietet langfristige Unterstützung an

Und welche Sicherheitsvorkehrungen trifft das Krankenhaus darüber hinaus? Es werde kein Rezept geben, das Übergriffe zu 100 Prozent verhindert, so der Leiter der Notaufnahme. Umso wichtiger sei es, dass optimale Rahmenbedingungen geschaffen würden, um die Mitarbeitenden bestmöglich zu schützen.

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Dazu zählten Deeskalationstrainings, Leitlinien zum Umgang mit Aggression und Gewalt, sichere Bereiche sowie verschiedene Alarmierungsmaßnahmen. So gebe es zum Beispiel an den internen Telefonen einen Notfallknopf, den Mitarbeitende betätigen könnten, um umgehend Hilfe von Kolleginnen und Kollegen anzufordern.

Wichtig sei auch die kollegiale Nachbetreuung, so Thompson. „Denn wer einmal Opfer eines Übergriffs im Dienst geworden ist, kann langfristig darunter leiden.“ Deshalb gebe es Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, die in der akuten Situation helfen und auch langfristig Unterstützung bieten.

„Wer einmal Opfer eines Übergriffs im Dienst geworden ist, kann langfristig darunter leiden.“

Dr. Mike Thompson
Ärztlicher Leiter der Notaufnahme des EvK Herne

Für neue Mitarbeitende gebe es zudem besondere Onboarding-Maßnahmen: „Bereits an ihren ersten Arbeitstagen bekommen sie Basis-Maßnahmen aus dem Deeskalationstraining vermittelt und lernen die Notfallkette kennen.“ Seit Juni 2024 sei die Evangelische Krankenhausgemeinschaft zudem Mitglied im landesweiten Präventionsnetzwerk #sicherimDienst.

Patienten sind fordernder geworden

Auch die St. Elisabeth Gruppe stellt fest, dass die Patienten in den vergangenen Jahren anspruchsvoller und damit fordernder geworden seien. „Dies spüren unsere Mitarbeiter täglich und erleben sehr verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Ausdrucksformen“, erklärt Sabine Edlinger, Geschäftsführerin, St. Elisabeth Gruppe. In der Regel handele es sich um verbale Aggressivität, die sich in der Wortwahl und im Tonfall zeige und regelmäßig vorkomme. „Tätliche Übergriffe kommen nur sehr vereinzelt vor.“

In angespannten Gesprächssituationen gehe das Personal auf die Menschen ein und versuche, die Situation zu entspannen. Um hier gut vorbereitet zu sein, hätten die Mitarbeiter die Möglichkeit, an entsprechenden Kommunikationsseminaren teilzunehmen. Ein Angebot von hausinternen Kommunikationsseminaren stehe all den Mitarbeitern offen, die sich ergänzende Unterstützung durch einen Kommunikationsexperten wünschten. „In den meisten Fällen können die Mitarbeiter diese Fälle so selbst deeskalieren. Sollte dennoch Bedarf bestehen, kann ein Sicherheitsdienst hinzugerufen oder die Polizei verständigt werden“, so Edlinger.