Herne/Bochum/Witten. Innenminister Reul will die Polizei stärken, das Sicherheitsgefühl erhöhen. Trotzdem sinkt in Herne, Bochum und Witten die Zahl der Polizisten.

„Die Polizei in Bochum, Herne und Witten bekommt Verstärkung“, teilte das Polizeipräsidium Bochum Anfang September mit und berichtete von 124 neue Polizeibeamtinnen und -beamten für Herne, Witten und Bochum sowie vier neue Verwaltungskräfte. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit oder zumindest irreführend, denn: Auf Nachfrage der WAZ erklärt die Polizei, dass derzeit in den drei Städten der Kreispolizeibehörde unterm Strich sogar weniger Polizistinnen und Polizisten tätig sind als noch vor einem Jahr.

Die 2023 in Betrieb genommene neue Herner Polizeiwache an der Cranger Straße.
Die 2023 in Betrieb genommene neue Herner Polizeiwache an der Cranger Straße. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Im Vergleich zum Vorjahr hat sich im Polizeipräsidium Bochum die Zahl der Polizeivollzugsbeamten um 27 Stellen reduziert“, sagt Polizeisprecher Jens Artschwager. Und: Die Zahl der Streifenbeamten sei um neun gesunken. Die Gesamtzahl liege im September 2024 bei 1533 Stellen. Wie viele Kräfte jeweils auf die einzelnen Städte entfallen, kann die Polizei nicht aufschlüsseln.

Entwicklung von 2019 bis 2024: Mehr Arbeit, weniger Polizisten

Und wie ist die Langzeitentwicklung? Beim Blick auf die Jahre 2019 bis 2024 fällt auf, dass die Zahl der Polizistinnen und Polizisten in Herne, Bochum und Witten auch in diesem längeren Zeitraum gesunken ist. Konkret: von 1609 im Jahr 2019 über 1556 in 2021 und 1560 im vergangenen Jahr auf 1568 in diesem Jahr (Stichtag: jeweils 1. April). Und das, obwohl ein Konsens darüber besteht, dass sich das Kriminalitätsbild in diesem Zeitraum stark verändert hat und die Anforderungen an die Polizei gestiegen sind.

Um die personelle Ausstattung bei der Polizei mittelfristig zu verbessern, hat das Land NRW im September 2023 auf Initiative von Innenminister Herbert Reul (CDU) die Ausbildungskapazitäten erhöht: Erstmals wurden in einem Jahr 3000 Anwärterinnen und Anwärter eingestellt. Dieses selbst gesteckte Ziel wurde nach Angaben des Innenministeriums auch 2024 erreicht.

Polizeipräsidium: Zahlen sind nur bedingt aussagekräftig

Das seit wenigen Monaten von Christine Frücht geführte Polizeipräsidium Bochum unternimmt gegenüber der WAZ den Versuch einer Einordnung der aktuellen Zahlen. Bei der Betrachtung sei wichtig zu wissen, so Sprecher Artschwager, dass die Personalzahlen „üblichen Schwankungen unterliegen“ - bedingt durch Ab- und Zugänge, Elternzeit und Pensionieren. Der Vergleich zu einem Stichtag sei daher nur bedingt aussagekräftig. „Die Polizei für Bochum, Herne und Witten ist auch weiterhin gut aufgestellt, um für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen“, betont der Polizeisprecher.

Christine Frücht - hier bei der Amtseinführung durch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) - ist seit Juni 2024 Polizeipräsidentin für Herne, Bochum und Witten. Die 56-Jährige ist Nachfolgerin von Jörg Lukat (hinten links), der nach fünf Jahren an der Spitze des Polizeipräsidiums in den Ruhestand ging.
Christine Frücht - hier bei der Amtseinführung durch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) - ist seit Juni 2024 Polizeipräsidentin für Herne, Bochum und Witten. Die 56-Jährige ist Nachfolgerin von Jörg Lukat (hinten links), der nach fünf Jahren an der Spitze des Polizeipräsidiums in den Ruhestand ging. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Was in diesem Jahr eine größere Rolle spielt: Die Zahl der Pensionierungen ist derzeit höher als ursprünglich prognostiziert. Vor zwei Jahren war das Bochumer Polizeipräsidium für 2024 noch von 64 Pensionierungen ausgegangen, tatsächlich stieg diese Zahl um mehr als ein Drittel an. „Ende des Jahres 2024 werden 91 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte in Pension gegangen sein“, so Artschwager. Diese „unerwartete Entwicklung“ habe mit einem Erlass des Innenministeriums zu tun: „Vielen gewünschten Lebensarbeitszeitverlängerungen konnte dadurch in diesem Jahr nicht entsprochen werden.“ Ab dem kommenden Jahr werde die Zahl der Ruheständlerinnen und Ruheständler aber deutlich sinken: auf 45 Pensionieren in 2025 und 35 Pensionierungen in 2026, so die Prognosen.

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Von den 124 neuen Polizeikräften sind 81 Männer und 43 Frauen. Wie viele der neuen Beamtinnen und Beamten einen Migrationshintergrund haben, kann das Polizeipräsidium Bochum nicht sagen. „Die Zahl ist uns nicht bekannt, sie wird nach unserem Kenntnisstand auch nicht erhoben.“

Unter den Neuzugängen im Polizeipräsidium seien insgesamt 77 frisch ernannte Kommissarinnen und Kommissare, die jüngst ihr duales Studium abgeschlossen hätten. Die anderen Beamtinnen und Beamten seien bereits länger bei der Polizei und wechselten aus anderen Städten zum Polizeipräsidium Bochum. 76 der neuen Kolleginnen und Kollegen arbeiteten ab sofort im Wach- und Wechseldienst - 45 von ihnen kämen nach Bochum, 20 nach Herne und elf nach Witten.

>>> Ex-Polizeigewerkschafter befürchtet Kürzungen

  • Eickels Bezirksbürgermeister Arnold Plickert (SPD), bis zur Pensionierung 2018 Vorsitzender der Polizeigewerkschaft in NRW, kann nicht nachvollziehen, dass seine früheren Kolleginnen und Kollegen bei Bedarf ihre Lebensarbeitszeit nicht verlängern dürfen und die Zahl der Pensionierungen dadurch ansteigt. Die Vielzahl der polizeilichen Aufgaben („sie haben deutlich zugenommen“) werde dadurch auf weniger Schultern verteilt.
  • Grundsätzlich positiv bewertet der 67-Jährige das Ziel des NRW-Innenministers, jährlich mindestens 3000 neue Polizeianwärterinnen und -anwärter einzustellen. Das müsste eigentlich in den kommenden Jahren zu einem deutlichen Personalplus auch im Polizeipräsidium Bochum führen, so Plickert. Er befürchte jedoch, dass die Sparzwänge in NRW Folgen für die personelle Ausstattung der Polizei haben würden und auch hier der Rotstift angesetzt werde.
Arnold „Adi“ Plickert war bis 2018 NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei. Seit 2020 ist der Sozialdemokrat Bezirksbürgermeister in Eickel.
Arnold „Adi“ Plickert war bis 2018 NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei. Seit 2020 ist der Sozialdemokrat Bezirksbürgermeister in Eickel. © SPD