Herne. Nach der Weltpremiere von „Rock‘n‘Roll Ringo“ ist der auf Crange gedrehte Film erneut in Herne zu sehen. Wann er läuft, wie die Premiere verlief.
Den roten Teppich am Eingang musste man sich denken. Und auch die für Sanierungsarbeiten eingerüstete Fassade der Herner Filmwelt am Berliner Platz verbreitete eher wenig Glanz. In Kinosaal 5 herrschte dann aber zumindest zeitweise die für eine Weltpremiere angemessene Stimmung. Vorhang auf für „Rock ‘n‘ Roll Ringo“.
In zwei (fast) ausverkauften Sälen zeigte die Herner Filmwelt am Donnerstagabend den deutschen Spielfilm zum Bundesstart. Die „richtige“ Premiere mit dem Trierer Regisseur Dominik Galizia, Hauptdarsteller Martin Rohde (37) und rund 25 weiteren Produktionsbeteiligten fand im rappelvollen Saal 5 statt, wo die Vorführung immer wieder mal von Zwischenapplaus begleitet wurde. Nach der Premiere ist der Spielfilm nun erneut in der Herner Filmwelt. zu sehen, und zwar am Donnerstag, 12. September, um 19.30 Uhr, sowie Samstag, 14. September, um 20 Uhr. Außerdem ist er zu sehen im Bochumer Casablanca (Freitag und Samstag, jeweils 22.30 Uhr) und in der Schauburg Dortmund (Montag, 22.30 Uhr).
Drehort Herne: „Alles andere wäre heuchlerisch gewesen“
Die Story der 101-Minuten-Produktion im Schnelldurchlauf: Gerüstbauer Ringo (Rohde) verliert seinen Job, heuert als Aushilfe auf der (Cranger) Kirmes an, wird Kirmesboxer und gerät auf die schiefe Bahn. Dass die Studie aus dem Schaustellermilieu auch in Herne gedreht werden musste, stand für den Regisseur außer Frage: „Zentrales Thema ist die Kirmes. Da ist Herne der einzige Ort, wo man so etwas machen kann. Alles andere wäre heuchlerisch“, sagte Galizia nach der Vorführung auf der Bühne des Kinosaals. „Nicht zu vergessen Düsseldorf“, ergänzte die Box-Legende Charly Schultz in Anspielung auf die Rheinkirmes, die ebenfalls Drehort war.
Der 76-Jährige, der durch seine (jüngst verkaufte) Boxbude „Fight-Club“ auf Crange und auf anderen Rummelplätzen einen Ruf wie Donnerhall genießt, ist so etwas wie der heimliche Star des Films. „Ich habe mich praktisch selbst gespielt und nur so gesprochen, wie ich es in meinem Geschäft auch mache“, sagte Schultz in der Filmwelt mit seiner unverwechselbaren heiseren Stimme.
Neben Rohde (er spielte schon in Galizias hochgelobten Kneipenstudie „Heikos Welt“ die Hauptrolle) und Schultz setzen auch andere Darstellerinnen und Darsteller Akzente. Die Gelsenkirchener Schauspielerin und Sängerin Larissa Sirah Herden („Bad Banks“) als kriminelle Autoscooter-Schönheit beispielsweise. Oder Peter Trabner als Clown, der bereits in zahlreichen TV-Krimis zu sehen war - unter anderem als Frauenmörder in zwei Folgen des Rostocker „Polizeiruf 110“. Und auch Tuba Seese verleiht ihrer Rolle als gehörlose Ringo-Tochter Mia Nachdruck.
Diese Rolle sei nicht von Anfang an so angelegt worden, sagte Galizia, der auch das Drehbuch schrieb. Es habe aber stets im Raum gestanden. „Meine Freundin arbeitet in einer Schule für gehörlose Kinder“, erzählte der 35-Jährige. Er habe an dort mal Breakdance-Unterricht gegeben und sei fasziniert gewesen von den Kindern. „Daraus wollte ich irgendetwas machen, ohne dass es zu plakativ wirkt.“
Filmteam drehte 2023 bei der Kirmeseröffnung in Crange
Wie Tuba Seese feierte auch Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda in „Rock ‘n‘ Roll Ringo“ sein Leinwand-Debüt. Anders als Schultz spielte er sich nicht selbst, sondern er war er selbst: Das Filmteam drehte 2023 die offizielle Eröffnung der Cranger Kirmes mit dem Fassanstich, bei dem Ministerpräsident Hendrik Wüst der Ehrengast war.
Regisseur und Drehbuchautor Galizia bedankte sich in der Filmwelt ausdrücklich bei der Stadt Herne für die Unterstützung. Im Film-Abspann ging der Dank auch an das Herner Stadtmarketing in Person von Holger Wennrich und Alexander Christian, die wie unter anderem Schauspieler Willy Thomczyk der Premiere beiwohnten.
Auf der Leinwand erhöhte aber nicht nur die Cranger Kirmes den Herne-Faktor. Als Drehort hatte Galizia auch die klassische Kneipe „Schaun ma mal“ an der Unser-Fritz-Straße gebucht, wo Ringo Fleisch - so der volle Name des Titelhelden - regelmäßig für ein Herrengedeck aus Bier und Korn einkehrte.
Vielen Herner Premierengästen gefiel es offenbar: Sie spendeten Galizia, Rohde & Co. lang anhaltendem, aber nicht überschwänglichen Beifall. Durchwachsen fiel das Urteil der Filmkritik aus. So urteilte das Fachmagazin Cinema: „Dominik Galizia setzt auf schräge Typen und starke Bilder, aber die öde Story wird durch den bedeutungsschwangeren Off-Kommentar nicht besser.“ Das Internetportal Filmstarts bescheinigte „Rock ‘n‘ Roll Ringo“ Kultpotenzial. Ein Extralob gibt es für Kameramann Elias Köhler, weil er die Bilder im hochauflösendem 35mm-Analogmaterial im Cinemascope-Format eingefangen habe: „Das verschafft der mit einigen Besetzungs-Coups aufwartenden Tragikomödie einen farbintensiven Look – und tröstet über die letzte, allzu konstruierte halbe Stunde hinweg.“ Angetan zeigte sich der Kritiker der Süddeutschen Zeitung, der Galizias Film einen „rasanten Drive“ attestierte und feststellte: „Man fiebert mit, bis zur letzten Sekunde.“
Zurück nach Herne. Was bei der ersten Weltpremiere in der Geschichte der Filmwelt negativ auffiel: Nicht wenige Besucherinnen und Besucher verließen bereits beim Filmabspann den Saal, noch bevor Regisseur und Filmteam - wie zu Beginn angekündigt - auf der Bühne vor der Leinwand über ihre Produktion sprachen und Fragen beantworteten.
Wer „Rock ‘n‘ Roll Ringo“ im Kino sehen möchte, muss dafür in andere Städte fahren: In Herne läuft der von der Filmstiftung NRW und vom Bund geförderte Film nicht mehr, dafür aber unter anderem bis mindestens Mittwoch, 11. September, in der Schauburg Dortmund.