Herne/Essen. Film ab für eine besondere Ausstellung: Welche Herner und Wanne-Eickeler Spuren sich in einer Zollverein-Schau übers Ruhrgebiet-Kino finden.

Was für eine Schau! Das Ruhr Museum taucht auf Zollverein in Essen in 100 Jahre Film- und Kinogeschichte im Ruhrgebiet ein. Etwa 900 Ausstellungsstücke und Filmausschnitte hat das Team um Museumsdirektor Heinrich Theodor Grütter zusammengetragen. Zugegeben: Herne und Wanne-Eickel spielen in „Glückauf - Film ab!“ nicht gerade eine Hauptrolle, aber einige Spuren der Filmgeschichte dieser beiden Städte finden sich sehr wohl in der in 19 Kapitel gegliederten Ausstellung.

Das Gesicht der Schau: ein Herner Lkw-Fahrer

Ein Herner Lkw-Fahrer ist sogar so etwas wie das Gesicht der Ausstellung auf Zollverein: Die Szene aus Peter F. Bringmanns 1980 gedrehtem Road-Movie „Theo gegen den Rest der Welt“ mit Theo Gromberg alias Marius Müller-Westernhagen, seinem Freund Enno (Guido Gagliardi) und der Schweizerin Ines Röggeli (Claudia Demarmels) schmückt nicht nur den prallen Katalog von „Glückauf - Film ab!“. Ein überdimensionales Theo-Bild (sowie ein Schimanski-Motiv) stimmt Besucherinnen und Besucher auch bereits an der XXL-Rolltreppe zum Museum auf die Schau ein.

Zwischen Schimanski (Mitte) und Theo (oben rechts) geht es in die Ausstellung „Glückauf - Film ab!“: Die überdimensionalen Fotos von Filmszenen schmücken den Eingang des Ruhr Museums in Essen.
Zwischen Schimanski (Mitte) und Theo (oben rechts) geht es in die Ausstellung „Glückauf - Film ab!“: Die überdimensionalen Fotos von Filmszenen schmücken den Eingang des Ruhr Museums in Essen. © Lars-Oliver Christoph

Der längst zum Klassiker gereifte Film atmet aber nicht nur durch die Herner Titelfigur Lokalkolorit. Die Erstaufführung fand 1980 im Herner Lichtburg-Kino auf der Bahnhofstraße statt. Damit nicht genug: Drehbuchautor Matthias Seelig ist zwar gebürtiger Marburger, wuchs aber in Herne auf. Auch Westfalia ist leinwandkompatibel: Auf Theos Volvo-Truck prangt ein Aufkleber des Traditionsvereins. Und in Nizza zerreißt Theo eine Eintrittskarte mit dem verzweifelten Kommentar: „In fünf Minuten pfeifen die in Herne an, und wir sind hier am Arsch der Welt.“ Schließlich: Dass Ennos Nachname Goldini (fast) identisch ist mit dem Namen der Tankstellenkette des ehemaligen Herner Ölkönigs Erhard Goldbach (Goldin), dürfte alles andere als Zufall sein.

Monsterparade: Füßmanns Filmfiguren

Neben dem Herner Theo Gromberg kommen auch kleine Monster aus Sodingen in der Ausstellung groß raus. „Acht Kultfilm-Werbefiguren aus der Sammlung des Cineasten Klaus Füßmann, 1960er Jahre“ steht auf der Info-Tafel der mitten im Museum platzierten Vitrine. Und weiter heißt es dort: Filmfreunde seien in den 60ern zum Bochumer Spielwarenhaus Möllmann gepilgert, um neue Miniaturfilmfiguren aus dem Universal-Kosmos wie Frankenstein, Dracula, Wolfsmensch, Glöckner, Dr. Jekyll, Phantom der Oper oder Creature from the Black Lagoon (als Bausätze) zu erwerben.

Monsterparade: Der Sodinger Klaus Füßmann hat dem Ruhr Museum seine Filmfiguren-Sammlung zur Verfügung gestellt.
Monsterparade: Der Sodinger Klaus Füßmann hat dem Ruhr Museum seine Filmfiguren-Sammlung zur Verfügung gestellt. © Lars-Oliver Christoph

„Möllmann war ein traumhafter Spielwarenladen am unteren Ende der Kortumstraße, ähnlich wie Ritter in Herne“, erzählt Füßmann im Gespräch mit der WAZ. Als Teenager und Fan von alten Gruselfilmen sei er mit der Straßenbahn von Herne-Mitte nach Bochum gefahren, um sich mit den sogenannten „Universal-Monstern“ einzudecken. „Die Figuren war damals etwas exotisch“, sagt der 67-jährige Filmkenner, der regelmäßig Beiträge für das Retro-Fachmagazin „35 mm“ schreibt. Er habe sie nicht nur aufwändig zusammenbauen, sondern auch noch bepinseln müssen.

Klaus Füßmann in seiner heimischen Filmecke: Hier „wohnen“ die im Museum ausgestellten Figuren Frankenstein, Dracula & Co. für gewöhnlich im Regal (hinten Mitte).
Klaus Füßmann in seiner heimischen Filmecke: Hier „wohnen“ die im Museum ausgestellten Figuren Frankenstein, Dracula & Co. für gewöhnlich im Regal (hinten Mitte). © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Lola rennt, Lina ermittelt

Nicht ohne Herne(r) kommt in der Ausstellung auch die Galerie der Filmschaffenden aus dem Ruhrgebiet aus. In der Präsentation finden sich mit Joachim Król und Lina Beckmann zwei Künstler, die Wurzeln in Herne bzw. Wanne-Eickel haben.

Die Filmografie Króls (67) weist stolze 42 Kinoproduktionen aus - darunter bekannte Werke wie „Der bewegte Mann“, „Lola rennt“ und „Wochenendrebellen“ (in Kürze im Open-Air-Kino im Schlosshof zu sehen). Beckmann erwarb ihr hohes Ansehen vor allem über Theatertriumphe sowie diverse Filme und Krimis im Fernsehen (unter anderem im „Polizeiruf 110“). Auf der großen Leinwand war sie zuletzt in einer Nebenrolle in „Sophia, der Tod und ich“ zu sehen, dem Regiedebüt ihres Mannes Charly Hübner.

Kopf an Kopf: Die Autogrammkarte des Herners Joachim Król (li.) hängt im Ruhr Museum neben der von Armin Rohde.
Kopf an Kopf: Die Autogrammkarte des Herners Joachim Król (li.) hängt im Ruhr Museum neben der von Armin Rohde. © loc

Die Passion der Politts

Unter dem Motto „Passion und Geschäft“ widmet sich die Ausstellung Kinobesitzern und Kinobetreibern. Eine besondere Farbe bringen Gerd Politt (81) und Mareike Politt-Köther (44) in dieses Kapitel - hat sich die Kinoleidenschaft des einstigen „Kinokönigs“ (er betrieb vor der Insolvenz Lichtspielhäuser in zahlreichen NRW-Städten) doch auf seine Tochter vererbt. Mareike Politt-Köther führt mit ihrem Mann Markus Köther seit 2004 die Herner Filmwelt und hält die Kinotradition in dieser Stadt am Leben.

Familien-Film-Bande: Gerd Politt und seine Tochter Mareike Politt-Köther in einem Saal der Herner Filmwelt.
Familien-Film-Bande: Gerd Politt und seine Tochter Mareike Politt-Köther in einem Saal der Herner Filmwelt. © Ruhr Museum | Christoph Sebastian

Eickeler Kino-Pioniere

Der Rahmen „100 Jahre Ruhrgebietskino“ wird in der Ausstellung durch einen Eickeler Superlativ gesprengt: Dort sei im Jahr 1912 das erste kommunale Kino im Deutschen Reich eröffnet worden, erfahren Besucherinnen und Besucher. Die Vorführungen im „Garthmann‘schen Saal“ sollten der Volksbildung dienen. Für die Umbauarbeiten im Saal und den Bau einer Bühne seien 100.000 Mark ausgegeben worden. Der Eröffnungsfilm hieß „Mütter verzaget nicht“.

An bequeme Kinosessel war damals noch nicht zu denken: ein Blick in den „Garthmann‘schen Saal“ in Eickel, in dem seit 1912 Filme gezeigt wurden.
An bequeme Kinosessel war damals noch nicht zu denken: ein Blick in den „Garthmann‘schen Saal“ in Eickel, in dem seit 1912 Filme gezeigt wurden. © Stadtarchiv Herne

Heartbreakers

Der Herner Bezug beim Filmplakat von „Die Heartbreakers“ erschließt sich nicht allen auf Anhieb, doch Herner Cineasten (und auch einige Musikfreunde) dürften wissen: In Peter F. Bringmanns Kinofilm aus dem Jahr 1983 sind die musikalischen Herner Brüderpaare Bernd und Dirk Gerlach (heute: Los Gerlachos) und Bernd und Dirk Faust (Devotion) als zwölfjährige Mitglieder der Band „Short Boys“ zu bewundern. In echt hieß ihre Schülerband TREFF.

„Die Heartbreakers“ fanden ebenfalls Aufnahme in „Glückauf - Film ab!“.
„Die Heartbreakers“ fanden ebenfalls Aufnahme in „Glückauf - Film ab!“. © loc

Das Drehbuch schrieb wie bei „Theo gegen den Rest der Welt“ Matthias Seelig. Der 75-Jährige - er machte einst am Pestalozzi-Gymnasium Abitur - zeichnet auch für die Drehbücher von Filmen verantwortlich wie die Jörg-Fauser-Romanverfilmung „Der Schneemann“ (ebenfalls mit Marius-Müller Westernhagen), Adolf Winkelmanns „Peng! Du bist tot!“, den Theo-Vorläufer „Aufforderung zum Tanz“, den Schimanski-Krimi „Die Schwadron“ oder den Münster-Tatort „Höllenfahrt“.

>>> Öffnungszeiten, Eintritt, Katalog

  • „Glückauf - Film ab!“ ist bis zum 2. März 2025 im Essener Ruhr Museum auf Zeche Zollverein zu sehen. Anlass der Ausstellung ist der 100. Geburtstag des Essener Glückauf-Kinos.
  • Das Museum an der Gelsenkirchener Straße 181 ist montags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 10 Euro, mit Ermäßigung 7 Euro.
  • Der im Klartext-Verlag erschienene Katalog zur Ausstellung ist für 29,95 Euro im Museumsshop sowie im Buchhandel erhältlich (296 Seiten).
  • Weiteren Informationen auf www.ruhrmuseum.de.