Herne. Wie geht es der Herner Filmwelt in der Krise? Geschäftsführer Markus Köther im Interview über rückläufige Zahlen, neue Säle und Preiserhöhungen.
Kinos sind wie andere Kultur- und Freizeiteinrichtungen auch in der Krise. Die WAZ hat mit Markus Köther (48), Geschäftsführer der Herner Filmwelt, gesprochen über: die aktuelle Situation, das anstehende Kinofest, den deutschen Film und vieles mehr.
Die deutschen Filmtheater feiern am Samstag und Sonntag das „Kinofest“: 5 Euro Eintritt für jeden Film und bei jeder Vorführung. Welchen Film aus Ihrem Programm legen Sie den Hernerinnen und Hernern besonders ans Herz?
Markus Köther: „Der Gesang der Flusskrebse“ ist ein sehr schöner Film. Und ein Highlight ist auf jeden Fall auch das Double-Feature von „Top Gun“ und „Top Gun Maverick“ am Sonntag in unserem Relax-Saal.
Angekündigt werden ja auch begleitende Aktionen und Angebote. Was ist da zu erwarten?
Zum Beispiel illuminieren wir die Filmwelt von außen und von innen. Wir spielen Filmmusik, bieten Kinderschminken an und verteilen kleine Geschenke. Ausgewählte Menüs gibt es zu reduzierten Preisen. Und wir führen ein Quiz durch.
Man kann das „Kinofest“ als gelungene Marketing-Aktion bezeichnen. Man könnte es aber auch einen Akt der Verzeichnung nennen: Laut jüngsten Berichten haben Kinos im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit Besucherrückgänge von bis zu 40 Prozent. Wie dramatisch ist die Situation Ihrer Branche?
Keine Frage: 30 bis 40 Prozent ist natürlich ein immenser Rückgang. Es gibt Besuchergruppen, die haben noch gar nicht ins Kino zurückgefunden – zum Beispiel die ältere Klientel.
Auch interessant
Und wie läuft es in der Herner Filmwelt?
Bei uns ist der Rückgang etwas abgeschwächter. Die großen Verluste sind in der Kinobranche vor allem im Arthouse-Bereich zu verzeichnen, also in den Filmkunsttheatern. Aber natürlich ist die Situation auch bei uns spürbar. Man darf aber nicht vergessen, dass wir drei Säle erneuert haben und über mehr als zwei Monate gar nicht alle Filme spielen konnten.
Was haben Sie in den drei Sälen konkret gemacht?
Wir haben mit Ausnahme der Leinwände alles komplett erneuert. Wir haben die Abstände zwischen den Reihen und zwischen den einzelnen Sitzen vergrößert. Man kann dort tiptop sitzen, unsere Gäste sind begeistert. Die Kapazität in den drei Sälen hat sich wegen dieser „Wohlfühlabstände“ um etwa 30 Prozent reduziert.
Wie teuer war der Umbau?
Über Zahlen spreche ich nicht. Der größte Teil der Kosten ist über eine Förderung aus dem Bundesprogramm „Neustart Kultur“ finanziert worden, konkret aus dem Topf „Zukunftsprogramm Kino 2“. Aber natürlich mussten wir auch einen Eigenanteil leisten.
Sie haben in den vergangenen Jahren viel Geld in die Sanierung und Modernisierung investiert. Ist nun erstmal Schluss damit?
Nein. Wir investieren beispielsweise in Kürze in den Austausch von alten Servern. Davon bekommen die Besucher aber nicht unbedingt etwas mit.
Menschen gehen ja vor allem ins Kino, um einen guten Film zu sehen. Wie bewerten Sie das bisherige Angebot im Filmjahr 2022?
Das Filmangebot ist zur Zeit etwas eingeschränkter. Im Juli hatten wir zwar sehr gute Zahlen und waren sogar auf dem Vor-Corona-Niveau. Im September wirkt sich bei den Neustarts aber offenbar das Produktionsloch aus, das durch die Pandemie entstanden ist. Die Filme, die 2022 funktioniert haben, waren alle schon lange „fertig“, zum Beispiel „Top Gun Maverick“, „Jurassic World“ und „Minions“.
Gab es Negativüberraschungen bei den Neustarts?
Der deutsche Film tut sich mittlerweile generell schwer. „Wunderschön“ von Karoline Herfurth ist gut gelaufen, aber das ist eher die Ausnahme. Irgendwie ist da etwas der Wurm drin.
Die Streaming-Anbieter produzieren inzwischen selbst viele Serien und Filme. Wird dadurch auch Qualität abgeschöpft?
Na klar. Dadurch geht mit Sicherheit kreatives Potenzial für Kinoproduktionen verloren.
Die Branche hofft ab dem 16. Dezember auf eine vorweihnachtliche Bescherung durch James Camerons zweiten Teil von „Avatar“. Sie auch?
Natürlich, das ist ein Film, von dem die Branche und ich eine Menge erwarten.
Der erste „Avatar“-Film hat vor 13 Jahren der 3D-Technik zum Durchbruch verholfen. Was ist diesmal technisch zu erwarten?
Was ich gehört habe: Es soll eine „High Frame Rate 3D“ werden, also eine hohe Bildwiederholungsrate. Da darf man sehr gespannt sein, wie das am Ende aussehen wird.
Sie mussten Ihr Kino nach dem Corona-Ausbruch für Monate schließen. Ist die Pandemie aktuell in der Filmwelt ein Thema?
Beim Personal gibt es immer wieder mal Ausfälle. Beim Besuch gibt es derzeit jedoch keinerlei Beschränkungen.
Die Energiekrise hat Corona als Thema Nummer 1 abgelöst. Welche Auswirkungen wird die Preisexplosion auf die Filmwelt Herne haben?
Das wird eine große Rolle spielen. Mit unserem Energieanbieter haben wir glücklicherweise noch einen Vertrag bis zum 31. Dezember. Anschließend werden wir ein sicherlich nicht niedrigeres Angebot erhalten. Ich fürchte, das wird ordentlich ins Kontor knallen.
Werden Sie die Eintrittspreise erhöhen müssen?
Das kann ich heute nicht sagen. Grundsätzlich gilt: Ich kann ja nicht alles endlos an unsere Kundinnen und Kunden weitergeben. Was soll die Kinokarte denn dann kosten?! Alles ist teurer geworden, bei unseren Waren macht das rund 20 Prozent. Einige Produkte gibt es zwischenzeitlich gar nicht: Wir hatten mal riesige Probleme, Pappbecher zu bekommen. Und es gab auch mal Lieferprobleme bei der Käsesoße oder bestimmten Süßwaren.
Haben Sie die Preise der Snacks und Getränke schon angehoben?
Wir haben mit Augenmaß ein wenig nachjustieren müssen. Bis Jahresende wird es wohl erst einmal keine Preiserhöhungen mehr geben. Ich weiß nicht, wo das alles noch hinführen soll. Sicher ist für mich auch angesichts der allgemeinen Konsumzurückhaltung: Es wird vorerst keine Monate geben, in denen wir großartig Geld verdienen werden. Bevor Menschen aufs Essen verzichten, sparen sie zunächst mal bei der Karte fürs Kino und Theater oder für den Stadionbesuch.
Haben Sie noch eine finale Botschaft an die Hernerinnen und Herner?
Ja. Es hört sich alles sehr negativ an, aber es gibt auch eine Menge Versöhnliches. Wir zeigen beispielsweise am Mittwoch beim „Damenabend“ den neuen Film „Ticket ins Paradies“ mit George Clooney und Julia Roberts. Der große Saal ist so gut wie ausverkauft, deshalb zeigen wird das noch in einem weiteren Saal. Die Reihe „Anime Night“ läuft super. Und auch das möchte ich mal betonen: Was wir tun, machen wir gerne. Und wir haben in der Filmwelt ein Super-Team.
Schlussrunde: Kassandra Emmerich, Prognosen zur Pandemie
Richtig oder falsch? Regisseur Roland Emmerich hat kürzlich gesagt: „Kino wird es nur noch 10 oder 20 Jahre geben.“
Falsch. In 10, 20 Jahren wird es noch Kinos geben. Die Branche wird sich aber anpassen und neue Modelle entwickeln müssen.
Eine These: Corona wird 2022 in der Filmwelt keine Rolle mehr spielen.
Ich kann mir vorstellen, dass es im Herbst, Winter noch zu Einschränkungen kommen wird.
Meine aktuelle Lieblingsserie ist ...
Ich habe aktuell mit meiner Frau die US-Serie „Dead to Me“ angeschaut. Fand ich nicht schlecht. Und ich habe mal „Kleo“ mit Jella Haase angefangen. Da bin ich mir aber noch nicht sicher.
Was ist der beste Kinderfilm, den Sie jemals mit Ihren Kindern gesehen haben?
Ich finde alle Animationsfilme von Pixar super, weil die Filme Seele haben. Ich mag aber auch die „Minions“, weil ich mich dabei kaputtlachen kann. Und „Die Schule der magischen Tiere“ fand ich ebenfalls nett.
>>> Zum Kino, zur Person: sechs Säle, zwei Kinder
Die Herner Filmwelt ist 2004 am Berliner Platz in Herne-Mitte eröffnet worden. Das Kino hat aktuell sechs Säle mit knapp 740 Plätzen. Vor dem jüngsten Umbau von drei Sälen hatte das einzige Filmtheater noch rund 900 Plätze.
Markus Köther führt die Filmwelt seit 2007 mit seiner Frau Mareike Politt-Köther, der Tochter des früheren „Kino-Königs“ Gerd Politt. Die beiden haben zwei Kinder (12 und 7).