Theo, der notorische Zocker. Der sympathische Loser, der mit einem – sagen wir mal vorsichtig: geliehenen - Fiat Bambino einen ausgewachsenen Sattelschlepper abdrängen will („Enno, den feg ich von der Bahn!“). Und der stets und ständig auf die Schnauze fällt, um sich anschließend mal wieder wacker hochzurappeln. Theo – eben immer im Einsatz gegen den Rest der Welt.
1980 wurde der Film mit Marius Müller-Westernhagen in der Rolle des Theo Gromberg (Regie: Peter F. Bringmann) ein absoluter Kassenschlager. Mehr als drei Millionen Besucher hatten ihren Spaß am Roadmovie um den geklauten Laster mit dem Herner Kennzeichen.
Moment mal – Herne? Stimmt genau, und das ist ganz sicher kein Zufall. Denn Theos geistiger Vater Matthias Seelig wuchs an der Mühlenkampstraße in Sodingen auf, wo sein Vater Lothar eine Kinderarztpraxis betrieb. Vor ziemlich genau 40 Jahren entwickelte Seelig (heute 66) die Figur des spindeldürren Stehaufmännchens.
Was mancher gar nicht weiß: Es gab einen Vorläufer zu „Theo gegen den Rest der Welt“. Seine eigentliche Premiere feierte der Überlebenskünstler nämlich im ersten (und wie manche meinen: besseren) Theo-Streifen „Aufforderung zum Tanz“. Seelig, damals Publizistikstudent („Ich hatte keinerlei dramaturgische Kenntnisse“), hatte sein Drehbuch bei einem Wettbewerb des Kuratoriums junger deutscher Film eingereicht. „In sechsfacher Ausfertigung wollten die das haben“, erinnert er sich: „Ich habe nächtelang auf einer alten Olympia-Schreibmaschine getippt, bis mir buchstäblich die Fingernägel ausfielen!“
Dann die große Überraschung: Seeligs Hommage an das alte Ruhrgebiet („alles, was sich so angestaut hatte an Erinnerung“) überzeugte die Juroren, völlig überraschend fand er sich unter den drei Preisträgern wieder. „Ich wollte den Film erst selber drehen“, erinnert er sich. Dann aber stieg der WDR ein. „Das hat mich vermutlich vor einem Haufen Schulden bewahrt.“
Also wurde fleißig gedreht: auf dem Güterbahnhof Wanne-Eickel und im „Haus Becker“ (später: „Hotel Alt Crange“), auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen-Horst, am Rhein-Herne-Kanal (auf der Flucht vor der Sinti-Sippe Zaplata und deren pinkfarbenem Cadillac hüpft Theo in höchster Not von der Brücke). Im Februar 1977 wurde der Film erstmals im ARD-Fernsehen ausgestrahlt, danach noch ein paarmal (aber erstaunlich selten) wiederholt. Erst mit dem Kinofilm „Theo gegen den Rest der Welt“ stellte sich später der große Erfolg ein.
Kult sind allein schon die Sprüche von Theo & Co., Kostproben gefällig? Bitteschön: „Schaffst du das auch? – Bin ich Student?“ - „Ich hab ein einzelnes, ganz langes Haar auf der Brust, das hatte ich schon als Säugling.“ - „Halt dich raus, wenn Erwachsene zocken, Zwickel-Pit.“ – „Jetzt hol ich die Sense raus!“
Doch bei allem Witz merkt man genau, dass Seelig wusste, wovon er erzählte. Die Plackerei im Güterbahnhof, wo Theo Frachtbriefe durch gefälschte Papiere ersetzen sollte, hat der Sodinger selbst erlebt: „Sechs Wochen hab ich durchgehalten, da ging ich sowas von auf dem Zahnfleisch!“ Und auch Theos aberwitzige Zockerrunden sind ihm nicht völlig fremd. Die Hauptfigur übrigens trägt Züge verschiedener Personen. Darunter sein jüngerer Bruder, aber auch ein Mitstudent aus Gelsenkirchen, der einst Postautos aufkaufte und nach Afghanistan verschiffte: „Der fuhr Auto wie eine gesengte Sau.“
Mit dem jungen Westernhagen als Darsteller tat sich Seelig übrigens anfangs schwer – wie auch mit Enno-Darsteller Guido Gagliardi (der 1996 viel zu früh verstarb). „Ich hatte mir die beiden ganz anders ausgemalt, Enno eher als hünenhaften Christopherus, der das ‘Kind’ Theo auf seinen Schultern trägt. Aber die Besetzung hat sich als absoluter Glücksfall erwiesen.“ (Nebenbei: Die später als „flambierte Frau“ bekannte Gudrun Landgrebe feierte in der „Aufforderung zum Tanz“ als blutjunge Friseuse und Theo-Gespielin Ulla ihr Filmdebüt.)
Auch für Matthias Seelig bedeutete die „Aufforderung“ die Eintrittskarte ins Filmgeschäft. Er schrieb später die Drehbücher für Filme wie „Die Heartbreakers“, „Der Schneemann“, „Peng! Du bist tot“, „Der Leibwächter“, „Der Sandmann“ sowie die Münster-Tatorte „Das zweite Gesicht“ und „Höllenfahrt“.
Er könnte damit protzen, doch anders als seinen Figuren sind ihm markige Sprüche völlig fremd. Im Nachhinein, räumt der zurückhaltende Autor ein, sei ihm die „Aufforderung zu Tanz“ fast ein bisschen peinlich.
Nun aber mal halblang, Herr Seelig – bitte nicht so bescheiden!
Denn mit der „Aufforderung zum Tanz“ haben Sie einst nicht mehr und nicht weniger geleistet, als ein ganz neues Genre zu begründen: den Prototyp der Ruhrgebiets-Komödie, mit der ein Adolf Winkelmann oder Peter Thorwarth später so große Erfolge feierten. Für das Selbstbewusstsein einer ganzen Region war das vermutlich wertvoller als die Sonntagsreden sämtlicher Revieroberbürgermeister zusammen. „Dieser Menschenschlag ist schon etwas ganz Besonderes“, sagt der Wahl-Kölner, der im Herzen immer ein Ruhri geblieben ist.