Herne. Das Apothekensterben in Herne hält an. Innerhalb weniger Monate schließen zwei Apotheken in der City. Die Entwicklung könnte sich fortsetzen.
Das Ende nach nicht weniger als 121 Jahren kam still und leise: Am 23. Dezember vergangenen Jahres schloss die Engel-Apotheke an der Bochumer Straße in Herne-Mitte für immer ihre Pforten. Ende Juli wird eine weitere folgen.
Die „Blaue Apotheke“ an der Bahnhofstraße 78 - gegenüber von den Neuen Höfen“ - verabschiedet sich. Längst zeigen sich große Lücken in den Regalen, seit einer Woche bestelle er keine Medikamente und andere Waren mehr, erzählt Apotheker Peter Kieselack. 1972 hat er die „Blaue Apotheke“ eröffnet, in ein paar Wochen wird Schluss sein. Kieselack legt Wert auf die Feststellung, dass er sich nicht aus Altersgründen zurückziehe. Trotz seiner 86 Jahre hätte er gerne weitergemacht. Die Frage, ob der Wehmut nach dieser langen Zeit spüre, beantwortet er so: „Die Vernunft hat die Wehmut bezwungen.“
Was Kieselack damit meint: Seien die Zahlen schon länger „rosa“ gewesen, so leuchteten sie seit geraumer Zeit rot. Die Einnahmen decken schlicht nicht mehr die Kosten. Seit einem Jahr befasse er sich mit dem Gedanken an die Schließung, im Januar sei der endgültige Entschluss gefallen. Ob Löhne für seine Mitarbeiterinnen - die inzwischen andere Arbeitsstellen gefunden hätten -, oder Hard- und Software: Die Kosten seien immer weiter gestiegen. Für die Umstellung aufs E-Rezept hätte er mehrere tausend Euro investieren müssen. Das rechne sich nicht mehr. Zumal die Vergütung für ein Rezept seit Jahren nicht erhöht worden sei. „Wenn sich die politische Sitiuation nicht ändert, haben betreuende Apotheken keine Chance mehr“, so Kieslack.
Herner Apothekensprecherin warnt vor dem Ende der Apotheke vor Ort
Tatsächlich soll sich die Situation ändern, die Bundesregierung plant eine Reform des Apothekenwesens. Doch wenn die Pläne umgesetzt würden, dürften nach den Worten von Hernes Apotheken-Sprecherin Marlene Kissel-Lux der Engel-Apotheke und der Blauen Apotheke in den kommenden Jahren weitere folgen. „Das wäre das Ende der Apotheke vor Ort“, so Kissel-Lux.
Um im Bild zu bleiben: Die Pläne des Gesundheitsministeriums seien für die Apotheken bittere Medizin. Einer der zentralen Kritikpunkte ist die Tatsache, dass kein weiteres Geld ins System fließt. Nun mag man denken, dass Apothekerinnen und Apotheker prächtig verdienen, doch diese Zeiten sind offenbar lange vorbei - siehe Blaue Apotheke. „Die feste Vergütung, die wir pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel bekommen, ist seit Jahren nicht erhöht worden“, so Kissel-Lux im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Steigende Kosten müssten die Apotheken selbst auffangen. Die Pläne seien Augenwischerei, weil das Geld für die Apotheken nur umverteilt werde.
Doch viel schwerwiegender sei die Idee, Apotheken ohne Apotheker zu schaffen. Künftig soll ein Pharmazeut nur noch wenige Stunden pro Woche persönlich in der Apotheke anwesend sein müssen. „Es gibt verschiedene Berufsgruppen, die wir alle brauchen, aber ohne Apotheker geht es nun mal nicht“, so Kissel-Lux. Mit diesen Light-Apotheken wolle man wohl auf den Fachkräftemangel auch in diesem Bereich reagieren, doch wenn kein Apotheker hinter der Theke stünde, könnten starke Schmerzmittel, die man zum Beispiel in der Palliativmedizin benötige, nicht mehr abgegeben werden. „Wenn man den guten Standard, den wir Deutschland haben, behalten möchte, funktioniert es nicht mit diesem Gesetz. Würden die Pläne realisiert, würde sich die Versorgung verschlechtern.“
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In Deutschland würden im Durchschnitt pro Tag zwei Apotheken schließen. „Und das Gesetz in dieser Form wird diese Entwicklung nicht aufhalten“, so Kissel-Lux. Im Gegenteil, das Apothekensterben werde dadurch noch verschärft. Manche selbstständigen Apotheker würden besser verdienen, wenn sie sich woanders anstellen lassen würden. Und wenn kleinere Apotheken geschlossen würden, wolle niemand sie übernehmen, weil es sich nicht rentiere.