Herne. Die Zahl der Kreuzkröten auf der Blumenthal-Brache in Herne steigt und steigt. Doch dort soll bald gebaut werden. Naturschützer sind in Sorge.
Die Zahl der Kreuzkröten auf dem Blumenthal-Gelände in Herne ist explodiert. Nach einer neuen Zählung leben auf der Zechenbrache, auf der eine Internationale Technologiewelt gebaut werden soll, mindestens 1000 erwachsene dieser geschützte Tiere - doppelt so viele wie zuletzt angenommen. Hinzu kämen Tausende Jungtiere. Die Naturschutzverbände BUND und Nabu befürchten nun, dass die Tiere im Zuge der Sanierung des Geländes Schaden nehmen könnten.
Zum Hintergrund: Auf der 25 Hektar großen Blumenthal-Brache südlich des Hauptbahnhofs Wanne-Eickel soll nach den Plänen der Stadt eine „Techno Ruhr International“ entstehen, ein Campus mit Gebäuden für Wissenschaft, Wirtschaft, Kongresse, Freizeitmöglichkeiten und Grün. Bis zu 4000 Jobs sollen dort entstehen. Zunächst stehen nun umfangreiche Sanierungsarbeiten an, weil die Böden stark belastet sind. Damit die Amphibien in dieser Zeit keinen Schaden nehmen, hat eine Landschaftsagentur sogenannte Ersatzhabitate angelegt. In diesen bis zu zwei Hektar großen Schutzzonen, umgeben von Krötenzäunen, wurden die Tiere umgesiedelt.
Herne: „Damit konnte keiner rechnen“
Das Problem: Es gebe immer mehr erwachsene Kreuzkröten auf dem Gelände, statt zunächst „nur“ 450 seien nun sogar 1000 in die Schutzzonen am Rande des Geländes transportiert worden. Laut Naturschutzverbänden habe die Population somit längst eine Größe, die es in NRW andernorts so nicht gebe. „Die Größe der Population haben wir vorher nicht so eingeschätzt“, räumte jetzt auch ein Vertreter der Landschaftsagentur im Umweltausschuss ein. Und fügte an: „Damit konnte keiner so rechnen.“ Weitere erwachsene Kreuzkröten könnten nun nicht mehr in die Ersatzhabitate gebracht werden. Dafür reiche der Platz nicht aus.
Die Vorsitzenden der Naturschutzschutzverbände BUND und NABU, Ingrid Reckmeier und Kay Thörmer, sprechen in einer Mitteilung von sehr beeindruckenden, schon fast unglaublichen neuen Zahlen. Sie sorgen sich um die Tiere - um die, die nun frei auf dem Gelände leben müssten, aber auch um die, die in die Schutzzonen umgesiedelt wurden. Dass nun 1000 erwachsene Tiere und Tausende Jungkröten in den kleinen Habitaten die anstehende Sanierungszeit problemlos überleben werden, können sich die Naturschützer „kaum vorstellen“.
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Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landschaftsagentur sicherten im Umweltausschuss zu, dass sie Tiere regelmäßig kontrollieren. Aktuell gebe es keine Auffälligkeiten. Im Notfall, so die Naturschutzverbände, könnten die Mitarbeitenden Maßnahmen wie eine Teilöffnung der Habitate ergreifen.
Der städtische Umweltdezernent Stefan Thabe glaubt nicht, dass die Amphibien in den Schutzräumen leiden: „Den Kreuzkröten geht‘s gut, das ist eine gute Nachricht“, sagte er im Ausschuss. Dass dort nun deutlich mehr Tiere leben als geplant, sieht er nicht als Problem: „In Herne leben auch mehr Menschen als im Sauerland - und halten es auch aus“, sagte er.
Grünen-Kritik: Konzeptstudie ist überholt
Ganz so locker sieht das Pascal Krüger, Vorsitzender des Umweltausschusses, nicht. „Alle Schätzungen wurden übertroffen. Die Ersatzhabitate reichen nicht aus“, sagt er zur WAZ. Er nennt die Konzeptstudie für Blumenthal deshalb „überholt“. Sie wurde im Winter vorgestellt und schlägt für das Areal eine Baufläche von 42 Prozent und einen Grünanteil von 58 Prozent vor, inklusive Sicherungsbauwerk, das Teil eines Parks und Schutzzone für Amphibien werden soll. Die Ansiedlung der Tiere auf dem Sicherungsbauwerk, so der Grünen-Ratsherr, sei „mangelhaft, weil das schlechte Lebensbedingungen bieten würde“. Hinzu komme: Die Fläche sei außerdem zu klein für die vielen Amphibien.
Neben dem Umgang mit dem Artenschutz sieht Krüger zwei weitere wesentliche ungeklärte Fragen zu Blumenthal: die Finanzierung der Flächenaufbereitung und das Ausmaß der notwendigen Altlastensanierung: „Das zeigt einmal mehr, wie wenig belastbar die bisherigen Ankündigungen für die Fläche sind.“ Er fordert: Die RAG als Flächeneigentümerin müsse der Bezirksregierung Arnsberg als Bergaufsicht und zuständige Naturschutzbehörde neue Planungen vorlegen und dabei mehr Raum für die Kreuzkröten berücksichtigen: „Die Tiere sollen die Sanierungsarbeiten gesund überstehen.“