Herne. Am Wochenende beginnt die Fußball-EM. Der Herner Jens Schüring hatte bereits seinen Saisonhöhepunkt: die deutsche Tipp-Kick-Meisterschaft.

Tipp-Kick, dieser Spiele-Klassiker, ist für Jens Schüring die zweite Fußball-Karriere. In seiner aktiven Zeit ging er für die SG Stephanus Holsterhausen auf Torjagd, seit mehr als zehn Jahren schießt er das Eckige (der Ball hat zwölf Ecken) ins Eckige. Mit dem TKC Phoenix Herne ist er sogar in die 2. Bundesliga aufgestiegen.

Wer sich nicht auskennt: Beim Tipp-Kick müssen es nicht elf Freunde sein, lediglich ein Torwart und ein Feldspieler bilden das Team. Der Ball ist schwarz und weiß – Ballbesitz hat der Akteur, dessen Farbe oben liegt. Ein Spiel dauert auch nicht 90 Minuten, sondern lediglich zehn. Eine andere Sepp-Herberger-Weisheit gilt allerdings auch bei dieser Tischfußball-Variante: Der nächste Gegner ist immer der schwerste.

Auf mehr als 40 Platten wurde bei den „Deutschen“ gekickt.
Auf mehr als 40 Platten wurde bei den „Deutschen“ gekickt. © Schüring

Das galt besonders für die Deutschen Meisterschaften, die aus Anlass des 100. Geburtstags des Spiels am 8. und 9. Juni in Schwenningen stattfanden. 222 Kickerinnen und Kicker hatten sich angemeldet, auf mehr als 40 Platten kullerte der Ball. Sein Ziel sei es gewesen, den zweiten Turniertag zu erreichen, erzählt Schüring im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Doch daraus wurde nichts, trotz intensiver Trainingsvorbereitung.

„Todesgruppe“: Da darf man einfach keine Fehler machen

Im Fußballjargon würde man wohl sagen, dass er eine Todesgruppe erwischt hatte. Ihm standen Bundesligaspieler gegenüber - und der neue Deutsche Meister. „Da darf man sich einfach keinen Fehler erlauben.“ Deshalb sei es für ihn überhaupt keine Schande, dass er ausgeschieden sei. Gegen den neuen Titelträger setzte es eine 1:5-Niederlage. So belegte Schüring in der Endabrechnung den 89. Platz. Bei einem weiteren Turnier, das an jenem Wochenende veranstaltet worden ist, kam er bei 111 Teilnehmern auf einen guten achten Platz.

Jens Schüring (Brille) und Danny Piel beim Training in der Sporthalle in Wanne-Süd. Inzwischen ist die Halle die Heimat des TKC Preußen Waltrop.
Jens Schüring (Brille) und Danny Piel beim Training in der Sporthalle in Wanne-Süd. Inzwischen ist die Halle die Heimat des TKC Preußen Waltrop. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Für Schüring zählte neben dem Wettbewerb aber auch die Atmosphäre. Die hätte etwas von einem Klassentreffen gehabt, weil fast alle namhaften Spieler mit von der Partie gewesen seien, berichtet er.

TKC Phoenix Herne hat sich aufgelöst

Nach der „Deutschen“ steht für Schüring nun wieder der Liga-Alltag an - allerdings nicht mehr mit Phoenix Herne. Der Aufstieg bedeutete für den Verein das Ende, weil sich der ein oder andere die höhere Liga nicht zugetraut habe. So stand Schüring ohne Verein da - und der TKC Preußen Waltrop ohne Spiel- und Trainingsstätte. Die Lösung: Die Waltroper haben in der Sporthalle in Wanne-Süd eine neue Heimat gefunden. Und Schüring einen neuen Verein.

Nach der Deutschen Tipp-Kick-Meisterschaft schaut Schüring jetzt auf den „echten“ Fußball. Selbstverständlich werde er die deutschen Spiele bei der Fußball-EM verfolgen. Sein Tipp: Das Halbfinale sei drin.

>>> 100 JAHRE TIPP-KICK

Erfinder war der Stuttgarter Möbelfabrikant Karl Mayer. 1921 stellte er ein „Fußballbrettspiel mit Aufstellfiguren, deren Füße Stoßbewegungen ausführen können“ vor - ein Flop. Die Aufstellfiguren sind aus Blech und damit viel zu leicht, um mit ihnen vernünftig spielen zu können. Deshalb zögert Maye nicht lange, als der schwäbische Kaufmann Edwin Mieg ihm 1924 - also vor genau 100 Jahren - ein Angebot macht und das Patent abkauft.

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Mieg macht die Kicker schwerer, seit 1939 sind sie aus Zinn. Um das Spiel bekannt zu machen, fährt Mieg zur Spielzeugmesse nach Leipzig. Mit Erfolg: Das Spiel kommt quer durch alle Generationen gut an. Einfach aufzubauen ist es, schnell erklärt sind die Regeln. Der endgültige Durchbruch kommt 1954 mit dem Wunder von Bern. Nachdem die deutsche Nationalmannschaft als Überraschungsweltmeister aus der Schweiz zurückgekehrt ist, verkauft sich Tipp-Kick rund 180.000 Mal.

In Jahren ohne großes internationales Turnier vertreibt das von Gründerenkel Mathias Mieg und seinem Cousin Jochen geleitete Unternehmen derzeit etwa 30.000 Spiele und circa 100.000 Spielfiguren im Jahr. 2007 erschien eine Edition der Düsseldorfer Band „Die Toten Hosen“.