Herne/Bochum. Die Herner Elisabeth-Gruppe und das Katholische Klinikum Bochum haben ihr „Kochhaus“ in Betrieb genommen. Es versorgt 30 Einrichtungen.
Kochhaus - das ist ein ziemlich zurückhaltender Name für eine der größten Unternehmensküchen der Region. Dort - in einem Gewerbegebiet in Bochum-Gerthe - ist alles eine, ach was, zwei Nummern größer: Schnitzel werden nicht in Pfannen gebraten, sondern laufen über eine Bratstraße, für die Rührbesen braucht man zwei Hände, und Kartoffeln kommen direkt von einem Hof am Niederrhein - was bei einem Verbrauch von etwa vier Tonnen pro Monat Sinn macht. Die Einrichtungen der Elisabeth-Gruppe werden bereits beliefert, im Laufe des Jahres kommen die Bochumer hinzu. 30 werden es am Ende sein, rund 17.000 Mahlzeiten werden dann Tag für Tag produziert und ausgeliefert.
Zig Grundrisse, bis die richtige Lösung gefunden war
Die Gesamtleitung des Kochhauses liegt bei Ramin Homayouni, er hat das Kooperations-Projekt der beiden Krankenhaus-Gruppen von Anfang an begleitet. Schon die Planungsphase sei äußerst komplex gewesen, erzählt er beim Besuch der WAZ-Redaktion. Es seien zig Grundrisse entstanden, ehe die ideale Lösung gefunden war. Die Küche ist zwar das Herzstück, doch die Warenströme und Abläufe müssen in die richtigen Bahnen gelenkt werden, die Kühlung muss an der richtigen Stelle sein, ebenso wie die Behälter, in denen die Mahlzeiten ausgeliefert werden, die Spülstraße oder die Entsorgung. So gebe es allein drei verschiedene Hygienebereiche, da die Vorgaben für die Krankenhausversorgung besonders streng seien.
Ebenso komplex sind die Anforderungen für das Essen selbst. Über allem stehe der Anspruch, dass es lecker sein müsse, so Homayouni. Man darf abnehmen, dass er selbst strenge Maßstäbe anlegt. Bevor er zur Elisabeth-Gruppe kam, hat er eine Reihe anderer Stationen in der Gastronomie absolviert, auch in der Sterneküche. Deshalb müssten die Ausgangsprodukte eine hohe Qualität haben, auch Regionalität sei ihm wichtig. Deshalb kommen die Kartoffeln vom Niederrhein, der Spargel aus der direkten Umgebung. Die Eier kommen in Bio-Qualität aus dem Münsterland, geschätzter Jahresverbrauch etwa eine Viertel-Million. Wurst und Fleisch bezieht das Kochhaus von einem Betrieb in Mülheim. Eine weitere Devise: Die Mahlzeiten orientieren sich an der Saison von Obst und Gemüse, und es gebe einen Trend zu mediterranem Essen.
Krankenhausessen hat viele verschiedene Anforderungen
Doch das Essen soll ja nicht nur schmecken, es soll gerade in den Krankenhäusern auch zur Heilung beitragen oder eine Beeinträchtigung vermeiden. Homayouni nennt als Beispiel die Rheumatologie. Dort sei es wichtig, antientzündliche Kost zu bieten - also wenig Fleisch, dafür viel Olivenöl. Senioren in der Klinik für Geriatrie haben wiederum ganz andere Ansprüche, dort muss eventuell Rücksicht auf Schluckbeschwerden genommen werden. Homayouni hat vor einigen Jahren Mahlzeiten in Püreeform entwickelt. Das Katholische Klinikum Bochum hat eine Klinik für Dermatologie. Auch Hauterkrankungen können eine bestimmte Diät erfordern. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Und als ob es nicht schon genug Herausforderung ist, all diese „Wünsche“ zu erfüllen, stand das Team des Kochhauses vor dem Start vor einer weiteren großen Aufgabe: Alle Gerichte entstehen im sogenannten „Cook & Chill“-Verfahren. Das heißt: Die Mahlzeiten werden gekocht, heruntergekühlt und am nächsten Tag an Ort und Stelle aufgewärmt und serviert. „Deshalb verhält sich das Essen einfach anders“, erzählt der „Chefkoch“. Schon mehr als zwei Jahre vor Baubeginn hätten sie damit begonnen, spezielle Rezepte zu entwickeln, die mit „Cook & Chill“ umzusetzen sind. „Wir haben sehr viele Versuche benötigt, bis es funktioniert hat.“
Herausforderung: Wie bleibt eine Schnitzelpanierung fluffig
Zum Beispiel beim Schnitzel: Das schmeckt erst so richtig mit einer fluffigen Panierung - doch die kann sich beim falschen Kühlen und Wiederaufwärmen auch in Pappe verwandeln. Das Küchenteam hat einen Weg gefunden, wie sie fluffig bleibt. Ähnliches gilt für Nudeln. Die sollen nicht matschig, sondern „al dente“ bei den Patienten und Gästen ankommen. Da dürfte sich die Küche in ein Testlabor verwandelt haben. Beim Thema Suppe kann Homayouni heute lachen, bei den Tests dürfte er der Verzweiflung nahe gekommen sein. Die Aufgabenstellung: Wie schafft man es, dass die Suppe nicht beim Transport überschwappt? Die Lösung: die japanische Gelatine Agar Agar. Mit ihr wird die Suppe geliert. Aber wie wird sie wieder flüssig? Es komme auf die Dosis an Agar Agar an, verrät Homayouni. Doch bis sie dieses Geheimnis gelüftet hätten, hätten sie teilweise tennisballharte Suppen produziert. „Wir haben Wochen gebraucht und haben immer wieder von vorne angefangen.“
Auch die Optik spiele eine wichtige Rolle, „die Gerichte müssen immer gleich aussehen“. Es gibt klare Vorgaben, Rezept inklusive Foto des Endergebnisses hängen laminiert in der Küche, in absehbarer Zeit werden jedoch Tablets die Aufgabe übernehmen. Damit die Qualität stimmt, verkosten die Küchenmeister jedes Gericht, um Fehler frühzeitig zu schmecken.
Seit rund drei Monaten läuft der Betrieb. „Es gibt noch ein paar Ecken und Kanten, die wir nach und nach abschleifen, wir optimieren die Abläufe jeden Tag weiter“, erzählt Ramin Homayouni.
Die Herner Elisabeth-Gruppe und das Katholische Klinikum Bochum haben gemeinsam etwa 70 Millionen Euro in das Kochhaus investiert. „Durch die kontinuierlich steigende Anzahl von Patienten, aber auch Mitarbeitern hätten unsere vorhandenen Küchen vergrößert werden müssen. Schnell war klar, dass dies in den einzelnen Krankenhäusern nicht möglich gewesen wäre“, so Sabine Edlinger, Geschäftsführerin der St. Elisabeth-Gruppe. Deshalb sei die Entscheidung für den Bau dieser Großküche gefallen.