Herne. Große Überraschung in Hernes SPD: Für die Kandidatur bei der Bundestagswahl 2025 fordert eine junge Genossin Parteichef Hendrik Bollmann heraus.
Um 18 Uhr schlossen am vergangenen Sonntag bei der Europawahl die Wahllokale. Keine Stunde später fiel in der Herner SPD der Startschuss für den Kampf um die Kandidatur bei der Bundestagswahl im Oktober 2025. Die Herner Genossin Sarah Jansen (34) kündigte am Rande der SPD-Wahlparty gegenüber Parteichef Hendrik Bollmann und Vize Alexander Vogt an, dass sie sich um die Nachfolge der ausscheidenden SPD-Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering bewerben werde.
Bollmann reagierte am Montagabend in der Sitzung des Herner SPD-Unterbezirksvorstands auf diesen überraschenden Vorstoß und kündigte seinerseits an, dass er sich ebenfalls im Wahlkreis Herne-Bochum II bewerben werde, so bestätigte der 41-Jährige auf Anfrage. Die aus Berlin zugeschaltete Abgeordnete Michelle Müntefering (44) erklärte zudem nach Informationen der WAZ in der Sitzung, dass sie nicht mehr antreten werde. Sowohl die Kandidatur Bollmanns als auch der Rückzug Münteferings galten innerhalb der Herner SPD zwar als ausgemachte Sache, sollten jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt mit dem „offiziellen“ Start des Nominierungsverfahren verkündet werden.
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Sarah Jansen ist in der Herner SPD weitgehend unbekannt. In dem von ihrem Mann Andreas Jansen geführten SPD-Ortsverein Holsterhausen ist die gebürtige Hernerin derzeit Kassiererin. Arbeitgeberin der gelernten Kommunikationswissenschaftlerin und Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung ist die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE). Die Mutter eines Sohnes (2), die seit 2021 mit ihrer Familie (wieder) in Herne lebt, ist stellvertretende Bezirksleiterin der IGBCE Köln-Bonn.
Entscheidung über SPD-Nominierung in Herne fällt am 14. September
Der Entscheidung, für die Herner SPD bei der Bundestagswahl antreten zu wollen, sei ein längerer Prozess vorausgegangen, berichtet sie im Gespräch mit der WAZ. Sie habe erkannt, dass die für die Stadt und ihre Menschen entscheidenden Themen - Arbeit, Investitionen, Sicherheit - im Wahlkreis nicht ausreichend in den Fokus genommen würden, sagt sie. „Ich bin mir sicher, dass ich die Kandidatin bin, die dies am besten anpacken kann.“ Sie habe aufgrund ihres persönlichen und beruflichen Backgrounds das Zeug, diese Themen „bestmöglich und authentisch“ zu vertreten.
Schon kurz nach dem Gespräch mit Bollmann und Vogt schickte Jansen noch am Sonntag eine ausführliche Bewerbungsmail an SPD-Funktionäre in Herne und Bochum. Hendrik Bollmann will in dieser Woche sein politisches Bewerbungsschreiben verfassen. Außerdem sollen nach Absprache mit der Bochumer SPD alle Mitglieder in beiden Städten über die derzeit vorliegenden Kandidaturen und das weitere Verfahren informiert werden, kündigt er an.
Kandidaturen sollen möglichst bis zum 20. August eingereicht werden, so die im Parteivorstand verabredete Vorgabe. Anschließend sollen sich Bollmann und Jansen (und mögliche weitere Bewerber) auf Veranstaltungen in Wanne-Eickel, Herne-Alt und Bochum vorstellen und den Mitgliedern Rede und Antwort stehen. Der Herner Parteitag zur Aufstellung der SPD-Kandidatin/des SPD-Kandidaten für den Wahlkreis Herne-Bochum II ist für den 14. September geplant; die offizielle Nominierung mit den Bochumer Genossinnen und Genossen soll dann später stattfinden.
Nach Jansens Bewerbung ist innerhalb der SPD zum Teil massive Kritik laut geworden. Ein Punkt: Der Vorstoß am Wahltag sei schlechter Stil, außerdem habe sie sich nicht an verabredete Fristen. Dagegen wird allerdings auch Widerspruch laut: Es gebe diese offiziellen Bewerbungsfristen nicht, sagte ein Vorstandsmitglied (das wie andere Gesprächspartner der WAZ - noch - ungenannt bleiben will). Und was sagt Hendrik Bollmann? Der schließt sich dem Vorwurf auf Nachfrage der WAZ nicht an und sagt nur: „Sarah Jansen nimmt ein demokratisches Recht wahr.“
In der Herner SPD werden Jansen keine großen Chancen eingeräumt
Große Chancen werden Jansen derzeit innerhalb der Herner SPD nicht eingeräumt, so ist zu hören. Ein Wörtchen mitzureden haben aber auch Bochumer Genossinnen und Genossen, denn: Im gemeinsamen Wahlkreis mit Herne stellen sie rund ein Drittel der stimmberechtigten Delegierten.
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Sarah Jansen hat allerdings auch Fürsprecher. Die SPD fordere immer, dass mehr Frauen und mehr junge Menschen in die Verantwortung genommen werden müssten und dass die Partei gewerkschaftsnäher werden müsse, so eine Herner Genossin zur WAZ. Hier habe man nun die Chance, dies mit einer sehr qualifizierten Kandidatin umzusetzen.
SPD: Erst Spitzenamt in Herne, dann in den Bundestag
Michelle Müntefering gehört seit 2013 für die SPD dem Bundestag an. Wie ihre Vorgänger Gerd Bollmann (Hendrik Bollmanns Vater) und Dieter Maaß gewann sie jeweils den Herner Wahlkreis. Alle drei gehörten zum Zeitpunkt ihrer ersten Wahl dem Rat der Stadt Herne und der engeren Parteispitze an, Maaß und Bollmann sogar als Vorsitzende.
Sarah Jansen kann damit in Herne nicht dienen, bekleidete seit ihrem Eintritt in die SPD im Jahr 2011 aber diverse Parteiämter (unter anderem Mitglied im SPD-Unterbezirksvorstand Münster und im Vorstand der SPD-Frauen in Berlin sowie stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende in Düsseldorf).