Herne. Die Folgen der Corona-Pandemie haben die Herner Schuldnerberatung im Jahr 2020 noch nicht erreicht. Das sind die Ergebnisse des Jahresberichts.
Die Herner Schuldnerberatung hat ihren Bericht für das Jahr 2020 vorgelegt. Angesichts der Corona-Pandemie war erwartet worden, dass sich die Zahlen deutlich verschlechtern würden, doch das ist bislang nicht geschehen. Die Überschuldung von Privatpersonen in Herne war im vergangenen Jahr sogar erstmals rückläufig. Das sind die Gründe und die Perspektiven für 2021.
Die Corona-Pandemie prägt auch die Arbeit der Schuldnerberatung – zum Beispiel, weil eine Zeit lang keine persönlichen Gespräche möglich waren. Doch bei den Fällen selbst spiele Corona bislang nur eine Nebenrolle, so Geschäftsführerin Andrea Leyk im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Ein Grund dafür ist bekannt: Die Bundesregierung hat die Regelungen für das Kurzarbeitergeld ausgeweitet, hinzu kommen Stundungsmöglichkeiten bei Krediten oder Mieten. Darüber hinaus, so Leyk, zehrten viele Menschen ihre Rücklagen auf, um die Krise zu überstehen. Wenn die Reserven aufgebraucht seien, müsse man eine vermehrte Zahl an Überschuldungen befürchten.
Klienten haben mit Antrag auf Restschuldbefreiungsverfahren gewartet
Dass die Zahl der überschuldeten Personen 2020 rückläufig war, hänge auch mit einer neuen Gesetzgebung zusammen: Am Jahreswechsel trat rückwirkend zum 1. Oktober 2020 die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre in Kraft. Da dies bereits im Frühjahr festgestanden habe, hätten Schuldner bis zum neuen Jahr mit der Antragstellung gewartet. Heißt: Die Überschuldungsquote von 18,21 Prozent in 2020 (doppelt so hoch wie die bundesweite Quote von 9,87 Prozent), dürfte 2021 wieder ansteigen.
Es gibt sechs große Überschuldungsursachen
Das zeige nach den Worten von Andrea Leyk, dass es eine Personengruppe gebe, die an der sichtbaren Aufwärtstendenz in Herne (die sich bis zum Beginn der Pandemie in sinkenden Arbeitslosenzahlen widerspiegelte), nicht teilhaben konnte. Obwohl viel für sie gemacht worden sei, etwa durch Instrumente wie den sozialen Arbeitsmarkt.
Zu den Zahlen im Einzelnen: Nach wie vor gibt es die „großen Sechs“ bei den Überschuldungsursachen: Arbeitslosigkeit, der Komplex „Erkrankung, Sucht, Unfall“, der Komplex „Trennung, Scheidung, Tod“, unwirtschaftliche Haushaltsführung, gescheiterte Selbstständigkeit und längerfristiges Niedrigeinkommen. Gerade das Niedrigeinkommen bereitet Leyk Kopfzerbrechen. Die Menschen arbeiteten und müssten sich dennoch teilweise für Kleinstanschaffungen verschulden.
Die Herner Schuldnerberatung betreute im vergangenen Jahr 669 Menschen, 265 Frauen und 404 Männer. Damit war das Team quasi „ausgebucht“. In den 669 Betreuungen sind 85 Beratungen zum Pfändungsschutzkonto enthalten. Die Gesamt- und Durchschnittsverschuldung ergibt sich aus 584 Schuldner- und Insolvenzberatungen. Für die Verfahren dieser Personen erfolgte eine Kontaktaufnahme mit 8297 Gläubigern. Die Höhe der Gesamtverschuldung lag 15.996 Millionen Euro. Das entspricht einer Durchschnittsverschuldung von 27.392,08 Euro.
Der detaillierte Blick auf die Beratungen bestätigt den Trend der vergangenen Jahre. So war der größte Teil der Klienten (40,24 Prozent) mit einer Summe von unter 10.000 Euro verschuldet, es folgen Personen mit Schulden zwischen 10.000 und 25.000 Euro. Die Mehrzahl der Schuldner hatte zwischen einem und fünf Gläubiger, allerdings gab es auch 82 Männer und 55 Frauen, die mehr als 20 Gläubiger hatten.
Hauptgläubiger sind Telekommunikationsunternehmen
Beim Alter der Schuldner hat sich laut Leyk eine kleine Verschiebung ergeben. „Die Schuldner werden jünger.“ Die Gruppe der 30- bis 40-Jährigen ist jetzt am stärksten betroffen, in der Vergangenheit waren es die 40- bis 60-Jährigen. Schaut man auf die räumliche Verteilung, offenbart sich, dass Personen aus Herne-Mitte und aus Wanne am häufigsten Rat suchten.
Die Gläubigerstruktur habe sich im Vergleich zu den Vorjahren nicht verändert. In 1140 Fällen waren Telekommunikationsunternehmen Gläubiger. Für Leyk eine Folge von Lockangeboten, bei denen viele Menschen ihre finanziellen Möglichkeiten überschätzten. Auf der „Gläubiger-Hitliste“ folgen: Inkassounternehmen, Dienstleister, Banken und Sparkassen, Ämter und Behörden, Versicherungen und Energieversorger.
>> KONTAKT ZUR SCHULDNERBERATUNG
■ Fanden von Mitte März bis Juni keine persönlichen Beratungsgespräche statt, so sind diese unter Beachtung der jeweils aktuell gültigen Vorschriften möglich und werden durchgeführt. Sie finden nur nach vorheriger Terminvereinbarung statt.
■ Kontakt: 02323-9 94 98-0, Telefax: 02323-9 94 98-66, E-Mail: HER-KK-Schuldnerberatung@kk-ekvw.de; weiter Informationen unter www.schuldnerberatung-herne.de.