Herne. Klappt der Urlaub oder nicht? Diese Ungewissheit beschert der Herner Verbraucherzentrale zurzeit eine regelrechte Flut von Anfragen.
Anfang März hat die Verbraucherzentrale dringend benötigte Verstärkung bekommen. Neben Veronika Hensing berät nun Bianca Pilath Verbraucher. Einer von Pilaths Schwerpunkten: Reiserecht. Der Zeitpunkt des Einstiegs hätte nicht besser sein können, denn seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wird die Herner Beratungsstelle mit Anfragen zum Thema Reise förmlich überflutet.
„Wir hatten in den vergangenen zwei Monaten so viele Anfragen zum Thema Reise wie in den vergangenen zehn Jahren insgesamt“, schätzt Veronika Hensing. Etwa ein Dutzend Mal pro Tag erkundigten sich Herner über verschiedene Aspekte von Reisen, 80 Prozent aller Anfragen drehten sich um die schönste Zeit des Jahres.
Manche Verbraucher wollen gar nicht mehr verreisen
Dass diese ausgefallen ist oder es ungewiss ist, ob und unter welchen Umständen sie stattfindet, treibt viele Menschen um. Bianca Pilath sieht zwei große Problemfelder. Einerseits gibt es Herner, deren gebuchte Reise bereits ausgefallen ist, die aber noch auf die Erstattung des Reisepreises warten. Pilath kennt eine Verbraucherin, deren Reise am 18. März gestartet wäre, doch das Reiseunternehmen hat den fälligen Betrag immer noch nicht überwiesen.
Zur anderen Gruppe zählt Pilath jene, deren Urlaub noch bevorsteht. Sie wüssten nicht, ob die Reise losgehen kann. Und diese Ungewissheit nimmt ihnen wohl auch nicht der Plan der Bundesregierung, bis zum Beginn der Sommerferien die weltweite Reisewarnung für Touristen zumindest teilweise aufzuheben. Das Ziel bei diesem Plan ist offensichtlich: Die Reisewirtschaft sowohl in Deutschland als auch in den beliebten Reiseländern soll auf die Beine gebracht werden.
Doch manche Verbraucher wollten gar nicht mehr verreisen, hat Pilath in den vielen Gesprächen festgestellt. Einerseits weil sie fürchten, während des Urlaubs an Covid-19 zu erkranken, andererseits, weil sie Angst vor einem neuerlichen Shutdown haben, der die Rückkehr nach Hause unmöglich macht. Pilath nennt den Fall eines Paars, das eine Ferienwohnung auf Borkum telefonisch beim Vermieter storniert habe - doch der wolle sich nun nicht mehr daran erinnern. Gut möglich, dass in diesem Fall ein Gericht entscheiden muss.
Rechtsunsicherheit erschwert die Beratung
Gerade der Blick auf Gerichte und Urteile macht die Beratung schwer - denn es gibt keine Urteile, die man heranziehen könnte, weil es so einen Fall wie diese Pandemie eben noch nie gegeben hat. Zu normalen Zeiten wäre es selbstverständlich ein Reisemangel, wenn die gebuchte Kinderbetreuung nicht stattfinde, der Pool nur zu bestimmten Uhrzeiten nutzbar sei oder das im Prospekt angepriesene Buffet nicht vorhanden sei. Der Verbraucherzentrale Bundesverband habe zu diesen und anderen Fragen ein Gutachten erstellt, so Pilath. Doch sie weiß nicht, inwieweit sie sich in der Beratung auf das Gutachten stützen kann, weil es keine Rechtssicherheit gebe, ob diese Mängel zum Beispiel eine kostenfreie Stornierung rechtfertigen oder um wie viel Prozent diese Mängel den Reisepreis reduzieren können.
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Bei anderen Menschen werde bald die Anzahlung fällig. Doch manche Kunden seien sich unsicher, ob sie die überweisen sollen, weil sie fürchten, dass das Geld weg ist, wenn der Veranstalter in die Insolvenz rutscht. Wenn man sich unsicher sei, solle man Kontakt zum Reiseunternehmen aufnehmen, lautet ein Rat von Pilath.
In den kommenden Wochen wird sie sicher noch viele weitere geben müssen, denn angesichts der weiter unklaren Aussichten für die Sommerferien 2020 dürfte noch sehr häufig das Telefon bei Bianca Pilath klingeln.
Die Coronakrise beeinflusst auch andere Verbraucherthemen
Beratungsstellenleiterin Veronika Hensing stellt fest, dass sich die Coronakrise auch in anderen Bereichen für Verbraucher bemerkbar macht. Drei Beispiele:
So steige die Zahl der Anfragen zum sogenannten P-Konto, das einen Pfändungsschutz bietet. Hensing vermutet einen Zusammenhang zur Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit, die manche Menschen in finanzielle Bedrängnis bringe.
Da viele Menschen in der Zeit des Shutdowns im Internet bestellt hätten, sei die Zahl von gefälschten Onlineshops angestiegen. Hensings Tipp: Wer ein vermeintliches Schnäppchen entdeckt habe, solle nach einem Impressum, einer Adresse und/oder einer Telefonnummer suchen. Es helfe auch, den Firmennamen zu googeln, damit könnten Fakeshops womöglich schnell entlarvt werden.
Teilweise werden bestellte Dinge - zum Beispiel Möbel - nicht geliefert. In normalen Zeiten empfiehlt Hensing eine Fristsetzung, doch in diesen Wochen könnte Corona der Grund für die Verzögerung sein.