Herne. In Herne werden Ratssitzungen künftig live im Internet übertragen. Nötig für ein Ja zu Rats-TV war aber ein Kompromiss in der Herner Politik.

Die Politik in Herne hat den Weg geebnet für Rats-TV, also Live-Übertragungen von Ratssitzungen im Internet. Vorausgegangen war aber einmal mehr eine intensive Diskussion – und am Ende ein Kompromiss.

SPD und Piraten hatten, unabhängig voneinander, das Thema Rats-TV auf die Tagesordnung der letzten Ratssitzung vor der Weihnachtspause setzen lassen. Das war keine Überraschung, hatte sich die Politik doch vor den Kommunalwahlen darauf verständigt, dass der neue Rat einen entsprechenden Beschluss fassen soll. Bisherige Initiativen für eine Einführung der Live-Übertragungen kamen von FDP und Linken (2012), Piraten/Alternative Liste (2018) und wieder den Linken (2019 und 2020), waren aber jeweils an der Ratsmehrheit gescheitert. Zuletzt hieß es fraktionsübergreifend, dass die Zeit nun reif sei für Rats-TV.

Herne: Linke-Fraktionschefin platzte der Kragen

In Essen werden Ratssitzungen seit 2013 übertragen. Dafür sorgt eine Video-Produktionsfirma
In Essen werden Ratssitzungen seit 2013 übertragen. Dafür sorgt eine Video-Produktionsfirma © WAZ FotoPool | Remo

Das sieht auch die SPD so, die mit Abstand größte Fraktion. SPD-Fraktionschef Udo Sobieski bat die Verwaltung deshalb vor der Sitzung, die wegen Corona im großen Saals des Kulturzentrum stattfand, um einen Sachstandsbericht. Darauf aufbauend sollte dann zu einem späteren Zeitpunkt über das weitere Vorgehen entschieden werden. Es gebe noch zahlreiche rechtliche Fragen, die geklärt werden müssten, sagte Sobieski im Rat. Unterstützung erhielt er vom Koalitionspartner CDU: Fraktionschef Timon Radicke plädierte unter dem Motto „Sicher vor Schnell“ vor einem „Schnellschuss“ bei der Einführung von Rats-TV.

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Linke-Fraktionschefin Veronika Buszewski platzte daraufhin der Kragen. Der Begriff „Schnellschuss“ sei „famos“, schließlich sei im Rat immer wieder über die Übertragung diskutiert worden. „Es kann doch wohl nicht sein, dass wir uns zehn Jahre lang mit demselben Thema beschäftigen“, schimpfte sie. Das müsse nun endlich aufhören.

Das soll es. Als Grundlage diente ein Antrag der Piraten, den Ratsherr Lars Wind eingebracht hatte. Seine Forderung war deutlicher: „Der neue Rat der Stadt Herne beschließt die Einführung von Rats-TV zur Live-Übertragung von allen Ratssitzungen“, so hatte er es formuliert. Damit auch die rechtlichen Fragen geklärt werden können, die Rot-Schwarz wichtig sind, wurde sein Antrag entsprechend umformuliert: Der Rat beschließt die Einführung von Rats-TV, die rechtlichen Fragen werden vorab geklärt. Mit diesem Kompromiss zeigte sich eine breite Mehrheit einverstanden. Alle sagten Ja, nur Bernd Blech (Unabhängige Bürger) stimmte mit Nein.

Arbeitskreis soll letzte Hürden aus dem Weg räumen

Berichtete im Rat: Dezernent Frank Burbulla.
Berichtete im Rat: Dezernent Frank Burbulla. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Ein Arbeitskreis soll nun eingerichtet werden, der die letzten Hürden aus dem Weg räumt. Ordnungsdezernent Frank Burbulla präsentierte schon einmal die Rahmenbedingungen. Die Übertragung von Ratssitzungen mittels Livestream stelle eine „Übermittlung personenbezogener Daten an einen unbestimmten Personenkreis“ dar, erklärte er. Dafür sei eine eindeutige Einwilligung der betreffenden Personen und eine Änderung der Geschäftsordnung des Rates nötig.

Zugriffszahlen in anderen Städten

Die Stadt Leverkusen – mit 160.000 Einwohnern etwa so groß wie Herne – komme bei Ratsübertragungen auf 100 bis 2000 Aufrufe, die Aufzeichnungen sähen sich später zehn bis 800 Menschen an, sagte Dezernent Frank Burbulla. In Bottrop (120.000 Einwohner) schalteten bei Rats-TV zu jeder Sitzung 50 bis 60 Menschen ein.

Die Aufrufzahlen seien schwankend, insgesamt aber leicht steigend. Genauere Angabe habe die Verwaltung nicht in Erfahrung bringen können.

Für die Übertragungen, so Burbulla, müssten Profis engagiert werden, die Stadt selbst könne mit ihrem Personal keine Livestreams schultern. Eine Nachfrage bei anderen Städten habe ergeben, dass die Kosten bei rund 1500 bis 2000 Euro pro Sitzung liegen. Jährlich kämen auf die Stadt also 12.000 bis 16.000 Euro zu.

Der Arbeitskreis müsse sich nun zahlreiche Gedanken machen. Dazu gehöre auch die Beantwortung dieser Fragen: Wie viele Kameras soll es wo geben? Wer wird gezeigt? Werden Sitzungsaufzeichnungen gespeichert und zur Verfügung gestellt?

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