Herne. Der Karadeniz Markt in Herne feiert 20-jähriges Bestehen. Wie die Familie Sarica den Laden eröffnete und dabei einige Hindernisse überwand.
Es ist eine Familiengeschichte, wie sie das Ruhrgebiet viele schreibt – das Schicksal von Menschen, die ihre Heimat mit der Hoffnung verlassen, in Deutschland ein sichereres und besseres Leben zu führen. Einer von ihnen ist Mustafa Sarica (65). Als Gastarbeiter kommt er nach Deutschland, ackert jahrelang im Sauerland auf dem Bau, um seine Familie zu versorgen. Durch einen Zufall, erzählt seine Tochter Amine 20 Jahre später, sei ihr Vater an das Ladenlokal an der Bahnhofstraße in Herne gekommen, habe es spontan gekauft. Der siebenfache Vater eröffnet einen Obst- und Gemüsehandel, nennt ihn Karadeniz Markt nach dem Schwarzen Meer, seiner Heimatregion.
Ein Schicksalsschlag setzt dem Neustart ein jähes Ende – das Familienoberhaupt verletzt sich kurz nach Eröffnung des Ladens bei einem Verkehrsunfall schwer, liegt monatelang im Krankenhaus. „Das war für uns keine einfache Zeit“, erzählt Amine Sarica (37). Als Jugendliche, 16 und 17 sind sie und ihr Bruder Fatih da alt, übernehmen sie die Leitung des Ladens. „Wir wussten nicht mal, wie eine Kasse funktioniert, geschweige denn, wie man ein Geschäft führt.“ Die Schule beendeten die beiden quasi nebenbei, hatten viele Fehlzeiten. „Es gab für unsere Familie einfach keine Alternative, von irgendwas mussten wir leben.“
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Herne: Karadeniz Markt bleibt in Familienbesitz
Aller Widrigkeiten zum Trotz – der Karadeniz Markt bleibt in Familienbesitz, Fatih und Amine führen den Laden jahrelang. Immer wieder helfen auch die fünf anderen Geschwister mit: Kezban, Canan, Mina, Sükrücihad und Zekeriyah pendeln die Strecke von Gevelsberg nach Herne, um das Geschäft am Laufen zu halten. „Wir sind sehr froh, dass wir heute 20-jähriges Bestehen feiern können“, sagt Fatih Sarica. Der 38-Jährige leitet mittlerweile den Laden mit seinem Bruder Sükrücihad. „Wir haben unser Sortiment erweitert, sind auch Ausbildungsbetrieb“, erzählt der Inhaber stolz. „Wir haben uns hochgearbeitet, das war zwar hart, aber es war ehrliche Arbeit“, ergänzt Schwester Amine.
Zum Jubiläum sind viele Gäste erschienen, darunter auch Oberbürgermeister Frank Dudda: „Die Saricas sind Händler mit Leib und Seele, das schätze ich sehr.“ Läden wie diese, Konstanten, seien wichtig, um die Bahnhofsstraße zu beleben. „Wir brauchen gute Geschäfte in den Ladenlokalen. Gerade als künftiger Hochschulstandort.“
Bahnhofsstraße in Herne: viele leere Ladenlokale
Die untere Bahnhofsstraße in Herne ist kein einfaches Pflaster, verbindet den Hauptbahnhof mit der Innenstadt. „Die Nachbarn hier kommen und gehen und die Konkurrenz ist groß“, sagt Amine Sarica. „Wir haben aber glücklicherweise eine große Stammkundschaft mit allen möglichen Nationalitäten.“ Das Sortiment reicht von türkischen, arabischen, indischen, bulgarischen bis hin zu griechischen Lebensmitteln. „Wir legen viel Wert darauf, unser Angebot regelmäßig zu erweitern und auch auf die Wünsche der Kunden einzugehen“, sagt Fatih Sarica. „Aber Corona hat es uns zuletzt auch nicht leicht gemacht, wir haben darunter gelitten.“ Viele der Pläne liegen durch die Pandemie auf Eis, „wir würde zum Beispiel gerne mehr ausbilden, kommen aber nicht dazu.“
Praktikantinnen und Praktikanten seien immer willkommen, egal, mit welcher Qualifikation. „Fatih betont immer, dass jeder eine Chance verdient“, sagt Amine Sarica. „Die Arbeit hier ist manchmal verrückt, es passieren echt so viele Sachen, ich könnte ein Buch darüber schreiben“, sagt sie und lacht. Mit ihrem Smartphone macht sie Fotos von den Gästen, Gratulanten und dem Feuerspucker vor dem Laden. „Für Baba“, sagt sie. „Er ist gerade in der Türkei, wäre aber gerne hier gewesen.“
>>> Leerstehende Ladenlokale
- Mit Hilfe des Förderprogramms „Zukunft Innenstadt“ des Landes NRW sollen leerstehende Ladenlokale in Herne Nachmieter finden, unter anderem auch an der Bahnhofstraße.
- Die Stadt Herne vermietet dabei ausgewählte Lokale mit variablen Zeiträumen für 20 Prozent der üblichen Kaltmiete zuzüglich Nebenkosten.
- Weitere Informationen: Beratungsbüro Schneider+Straten, Telefon 0170/7544154 (Manuela Sommer) oder per E-Mail an sommer@schneiderstraten.de.