Heiligenhaus. Für sozial-konservative Politik wollen sich Marco Schild und Dominik Döbbeler nun gemeinsam im Rat starkmachen. Skeptikern begegnen sie offen.
Ja, es stimme – man könne es keinem verübeln, zumindest mal kurz verwundert zu sein über ihr neues Bündnis. Dass das durchaus Diskussionsstoff böte, ist Dominik Döbbeler und Marco Schild klar. Doch den Linken-Ratsherrn Döbbeler und den derzeit parteilosen Schild verbinden viele inhaltliche Gemeinsamkeiten – und zusammen wollen sie als Sozial-Konservatives Bündnis / Die Linke für soziale Gerechtigkeit in Heiligenhaus kämpfen.
Von außen rechts nach außen links, das gehe nicht – das sagen zumindest einige Menschen, nachdem Schild und Döbbeler auf Facebook ihre Zusammenarbeit bekanntgaben. „Die AfD war ein großer Fehler“, macht Schild erneut deutlich. Für sie war er zur Kommunalwahl angetreten und hatte danach mit Jessica Malisch eine Fraktion gebildet. Im Sommer 2021 dann der Austritt und der versuchte Beitritt zur SPD, der für Diskussionen bei den Sozialdemokraten sorgte.
Heiligenhauser distanziert sich klar von AfD und hofft auf faire Chance
Schild bedauert, dass ihm nach wie vor einige gar nicht die Chance geben würden, ihn nicht mehr als nur den Ex-AfDler zu sehen, „bei Domi war das anders. Wir haben uns von Anfang an menschlich verstanden, ohne Barrieren und Vorurteile, es tat gut, das zu erfahren“, blickt Schild zurück. Döbbeler versteht hingegen nicht, warum einige Menschen noch immer in Schild den ehemaligen AfDler sehen würden: „Es war ein Fehler, ich habe ihn da auch beraten, auszusteigen. Aber er hat sich nie rechtsradikal geäußert oder Ähnliches. Ganz im Gegenteil, er hat immer seine eher linke politische Haltung betont.“
Doch die Bekanntgabe des Bündnisses sorgte auch für Kritik in den Reihen der Linken; manche drohten Döbbeler mit einem Parteiausschlussverfahren. „Ich will gerne Mitglied der Linken bleiben und in meinem Ortsverband habe ich die volle Unterstützung“, macht Döbbeler deutlich und auch Schild hofft, dass Döbbeler Mitglied der Linken bleiben könne. Dass Linke untereinander nicht gerade zimperlich miteinander umgehen, macht Döbbeler am Beispiel Sahra Wagenknecht deutlich. „Kritik sollte immer innerparteilich geklärt und nicht nach außen getragen werden, das ist ein Problem unserer Partei. Ich finde, ich habe mich nicht parteischädigend verhalten.“
Bündnis will inhaltlich überzeugen
Nun wollen beide jedoch Vorurteile abbauen und mit politischen Ideen überzeugen: „Durch unsere Arbeit wollen wir zeigen, was wir wollen. Wir sind überzeugt, dass wir bei den Bürgern damit ankommen.“ Viele Ideen hätten beide schon – welche das seien, da fängt es direkt aus den Mündern der beiden an zu sprudeln. Da sei natürlich die wirkliche Thematisierung der Wohnungsbaugesellschaft: „Wir wollen, dass hierzu ein Arbeitskreis eingerichtet wird, der sich gezielt damit beschäftigt. Wir brauchen einen Gesellschaftsplan, den können wir nicht auf einer Ratssitzung erstellen, da brauchen wir Experten.“
Dass Wohnungsbaugesellschaften durchaus Gewinne erzielen würden, könne man nicht nur in Großstädten wie Düsseldorf sehen, „ich habe mir auch mal unsere Partnerstadt Zwönitz angeschaut. Im Erzgebirge gibt es durchaus Unternehmen, die Rendite einfahren“, weiß Döbbeler zu berichten. „Alles wird teuerer und das zulasten der Menschen, die Mieten zahlen. Diese Gruppe gilt es zu unterstützen, denn künftig werden sonst viele Menschen ihre Rechnungen nicht mehr zahlen können – gerade die, die knapp oberhalb der Bemessungsgrenze liegen.“ Statt weitere Wohngebiete mit Einfamilienhäusern zu entwickeln, müsse bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. „Wir finden nicht, dass Heiligenhaus stark, sondern gesund wachsen muss, was die Einwohnerzahl angeht“, macht Schild deutlich.
Gewerbesteuer soll gesenkt werden, um Unternehmen anzusiedeln
Des Weiteren wollen beide die Gewerbesteuer temporär senken: „Wir müssen wirtschaftliche Anreize für Unternehmen schaffen, sich hier niederzulassen – solange sie gescheite Löhne zahlen. Der Stadt hilft keine weitere Gastronomie, wir brauchen eine starke Stadtentwicklung, eine Stadt muss divers sein und bleiben“, erklärt Döbbeler. Ein weiteres Beispiel, das beide inhaltlich eine, sei die Innenpolitik: „Es kann nicht sein, dass Menschen im Hambi (Hambacher Forst, Anm. d. Red.) die Polizisten bewerfen, Kritik ist erwünscht, aber die Entscheidungen müssen in einem parlamentarischen Prozess entstehen.“
Ob es sich nicht widerspreche, soziale bis sozialistische und gleichzeitig konservative Politik machen zu wollen, wie das Bündnis vom Namen her verspricht? „Wir sind wirtschaftspolitisch eher links, aber unsere Wertegesellschaft ist wertkonservativ. Man darf ja nicht vergessen, dass auch im Arbeitermilieu vielen Menschen traditionelle Werte wichtig sind, wie die Demut vor der Arbeit“, so Döbbeler und Schild.
Sozial-konservative Politik und integrativer Patriotismus
Einen integrativen Patriotismus würden sie unterstützen, hatten beide ebenfalls geäußert – doch was heißt das überhaupt? Werde nicht gerade aus der linken Ecke der Umgang mit der Nationalflagge zum Beispiel bei Fußballweltmeisterschaften kritisiert? „Wir dürfen doch immer noch stolz auf unser Land sein, ohne gleich in ein rechtes Spektrum gedrängt zu werden“, findet Döbbeler. Stolz auf sein Land zu sein bedeute, „unabhängig von der ethischen Herkunft einen gemeinsamen Nenner zu haben, dass Menschen anderer Kultur unsere Werte mitleben wollen und sich nicht davon distanzieren oder sogar verwehren“, ergänzt Schild. Im linken Spektrum werde, so Döbbeler, gerne mal vergessen, wo sie herkämen, „dabei waren wir selber mal Opfer von Diskriminierung und haben die Moral nicht mit den Löffeln gegessen.“
Beide hoffen nun, dass sie fair behandelt werden, auch was die künftige Ratsarbeit angehe. „Die Menschen sollen uns nach unserer Leistung und unserem Handeln bewerten“, wünschen sie sich von den Bürgern, der Politik und der eigenen Partei, der Linken. „Die Linke hat viele Wahlniederlagen einstecken müssen. Da muss man bereit sein, etwas zu verändern“, so Döbbeler.
>>> Schild über CDU und SPD
- Von der CDU zeigt sich Marco Schild im Nachhinein menschlich enttäuscht; so habe es mehrere Angebote gegeben, bei den Christdemokraten mitzuwirken, was diese im Nachhinein abstreiten würden.
- Die Tür zur SPD sei hingegen aus Schilds Sicht noch nicht verschlossen: „Ich habe der Partei einen Brief geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Ich bin aber nicht beleidigt; ich habe das Angebot unterbreitet, mitzumachen und bin weiter gesprächsoffen.“ Die SPD-Fraktion sei über das Eingehen in ein Bündnis mit Döbbeler nun zunächst irritiert gewesen, gibt Schild zu.