Düsseldorf/Hattingen. Er schweigt weiter – vorerst. Als dem Hauptbeschuldigten aus Hattingen im Mafia-Prozess ein Angebot gemacht wird, lehnt er ab. Andere gestehen.
Sie haben ihm ein Angebot gemacht – und er hat es abgelehnt: Im Prozess um ein mutmaßliches Drogenkurier-Netzwerk der kalabrischen Mafia-Organisation `Ndrangheta schweigt der Hauptbeschuldigte aus Hattingen (vorerst) weiter. Er lässt seinen Verteidiger sprechen.
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Es ist der zweite Prozesstag im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf, den das zuständige Landgericht Wuppertal ausgewählt hat. Aus Sicherheitsgründen, denn es geht um eine kriminelle Vereinigung und das bandenmäßige Handeltreiben mit Drogen. Insgesamt sind 23 Verhandlungstage bis Ende August angesetzt, um eine der größten Operationen in Europa gegen die `Ndrangheta (EK Eureka) abzuschließen.
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Im Zentrum dieses vermeintlichen Drogen-Netzwerks steht das Angelparadies in Breckerfeld, dessen Besitzer Karl-Heinz E. (64) aus Hattingen der Kopf der europaweiten Kurierfahrten gewesen sein soll. Am 23. Mai 2023 wird er in den frühen Morgenstunden in der Südstadt festgenommen. Insgesamt acht Angeklagte im Alter von 36 bis 64 Jahren sind angeklagt. Die ersten brechen ihr Schweigen.
Festnahme mit 38 Kilogramm Kokain im Auto
Tränen ersticken die Stimme der Frau. Jener Frau, die im Jahr 2022 in Italien mit 38 Kilogramm Kokain im Auto festgenommen wurde. Sie ringt um Fassung, als sie sich zurückerinnert an die Verhaftung auf dem Brenner kurz hinter der Grenze. Sie habe erst Wochen danach erstmals mit ihrer Familie telefonieren können, ihr heute 18 Jahre alter Sohn, der mittlerweile bei der Oma lebe, habe nicht gewusst, wo sie sei. „Ich habe einen Fehler gemacht, dass ich mich in Italien nicht sofort eingelassen habe, aber ich hatte Angst, dass meiner Familie was passiert“, sagt sie. Dann fügt sie an: „Ich will Wiedergutmachung und reinen Tisch machen.“
Verurteilt in Bozen, sitzt sie mittlerweile in der Justizvollzugsanstalt in Köln. Zehn Kurierfahrten werden ihr zur Last gelegt. Die letzte, bei der sie verhaftet worden war, habe sie schon gar nicht mehr übernehmen wollen. Auch aus Angst sei sie dann doch gefahren: „Man hat zu mir gesagt: ,Wir wissen zu jeder Zeit, wo wir deinen Sohn finden.‘“
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Sie seien stets zu zweit losgefahren. Die Be- und Entladung habe sie zumeist nicht mitbekommen. Sie sei lediglich Beifahrerin gewesen, jemand, der das Steuer des Autos übernimmt, wenn der eigentliche Fahrer müde geworden sei. Nie sei der Zielort schon bei der Abfahrt eingegeben worden, sondern man habe Etappenziele eingegeben. Wenige Kilometer vor der Ankunft habe sie stets aussteigen müssen und sei später wieder aufgenommen worden.
Hattinger (64) lässt sich kein Wort entlocken
Der Hauptverdächtige aus Hattingen indes schweigt vorerst. Der Hattinger Karl-Heinz E. („Kalle“), ein Mann mit langem weißem Haar und langem weißem Bart, lässt sich kein Wort entlocken. Einen Deal mit verringerter Strafe, zu dem er mit einem Geständnis gekommen wäre, schlägt er – anders als vier andere Angeklagte – aus. Staatsanwalt Julius Sterzel hatte bei einer vollumfänglichen Einlassung einen Strafrahmen von zwölf bis zwölfeinhalb Jahren für Karl-Heinz E. in Aussicht gestellt. „Eine Verständigung kommt auf Basis dieses Vorschlages nicht infrage“, teilt sein Verteidiger Christoph Wolf mit.
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Wolf verweist auf das gesetzlich festgelegte Höchstmaß von 15 Jahren für die erhobenen Vorwürfe: Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, bandenmäßiges Handeltreiben mit Drogen. Zwölf oder zwölfeinhalb Jahre seien nicht weit entfernt davon. Zu viel – wie der Verteidiger meint - für einen Mann, der ein vollständiges Geständnis ablegen solle und nicht vorbestraft sei. Karl-Heinz E. ließ über seinen Verteidiger ausrichten, sich am nächsten Prozesstag zu persönlichen Verhältnissen einlassen zu wollen, nicht aber zur Sache.
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Insgesamt sollen ‒ mit wechselnder Besetzung in mehr als 50 Fahrten im Zeitraum Februar 2018 bis November 2022 ‒ etwa 880 Kilogramm Kokain im Wesentlichen nach Italien geschmuggelt worden sein. Für eine Kurierfahrt sollen die hauptverantwortlichen Kuriere von dem Hattinger 150 Euro oder mehr pro Kilogramm transportierten Kokain erhalten haben. Hiervon sollen sie 500 Euro an den als Beifahrer eingesetzten Kurier ausgezahlt haben. 2,2 Millionen Euro soll der Hauptangeklagte damit verdient haben.