Hattingen. Vor knapp sieben Monaten kommt es auf der Heggerstraße in Hattingen zu einem Messerangriff. Jetzt stehen vier Männer vor Gericht.
Erst wurde es laut, dann floss Blut: Vor knapp sieben Monaten ist es in der Hattinger Innenstadt zu einer blutigen Auseinandersetzung zwischen mehreren Männern gekommen. Vier davon stehen seit Dienstag vor Gericht. Es geht um versuchten Totschlag.
Drei der Angeklagten sind gestandene Männer. Sie kommen aus Hamm und Hattingen, sind 29, 41 und 47 Jahre alt. Der vierte wohnte bis zu seiner Festnahme in Hagen und fällt komplett aus der Reihe.
Kapuze tief ins Gesicht gezogen
Als die Wachtmeister ihn in den großen Saal N001 des Essener Landgerichts führen, hat er die Kapuze seines grün-grauen Parkas tief ins Gesicht gezogen. Fast schon schüchtern lässt er sich bis zu seinen beiden Verteidigern bringen, die bereits auf ihn warten.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er gerade mal 16 ist. Doch die Richter haben Zweifel, ob das Alter wirklich stimmen kann. Es gibt offenbar Erkenntnisse, dass der jüngste der Angeklagten schon 2012 von Syrien in die Türkei eingereist ist und dort in die 4. Klasse eingeschult wurde. Vier Jahre später – nach Abschluss der achten Klasse - hat er sich angeblich auf den Weg nach Deutschland gemacht.
Gutachter soll das Alter bestimmen
Die Richter der 24. Strafkammer haben deshalb bereits angekündigt, dass sie einen Gutachter zur Altersbestimmung hinzuziehen wollen. Im Falle einer späteren Verurteilung wäre das wichtig für die Frage, ob Jugendstrafrecht oder Erwachsenenstrafrecht angewendet werden muss.
Es war der 14. Juli vergangenen Jahres, als bei der Hattinger Polizei der erste Notruf einging. Im Durchgang auf der Heggerstraße/ Ecke Schreys Gasse hatte es eine wilde Prügelei gegeben. Als die Beamten eintreffen, ist ein Mann verletzt. Die Ärzte stellen später eine rund zwei Zentimeter tiefe Stichverletzung im Nacken fest. Die Hintergründe sind zunächst völlig rätselhaft.
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8.300 Euro für illegale Einschleusung
Inzwischen gehen die Ermittler davon aus, dass es Streit um eine angeblich missglückte Einschleusung nach Deutschland gegeben hat. Das spätere Opfer soll 8.300 Euro gezahlt haben, um illegal nach Europa gebracht zu werden. Eine Schlepperbande war nach der Zahlung des Geldes laut Anklage jedoch gar nicht eingeschaltet worden.
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Der Mann soll es schließlich dennoch auf anderen Wegen bis nach Sprockhövel geschafft haben. Am Tattag war er in Hattingen laut Anklage durch Zufall auf den angeblichen Empfänger des Geldes getroffen und soll mächtig sauer gewesen sein.
Der Jüngste soll zugestochen haben
Beide Seiten holten angeblich sofort Verstärkung, dann überschlugen sich die Ereignisse auch schon. Laut Anklage war es der angeblich 16-Jährige, der schließlich mit einem Messer zustach. Zuvor soll ihm sein mitangeklagter Onkel, der das Geld erhalten und nichts unternommen haben soll, unter anderem diese Worte zugerufen haben: „Schlachte ihn!“
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Alle vier Angeklagten kommen aus Syrien und gehören zu einer Familie. Ob sie das Geld für die illegale Einschleusung wirklich kassiert haben, ist unklar. Am ersten Verhandlungstag haben sie sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. Das soll erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Möglicherweise sollte der Kontakt zu der Schlepper-Bande auch nur vermittelt werden.
Tod angeblich in Kauf genommen
Das Opfer war damals ins Krankenhaus gekommen und musste intensivmedizinisch behandelt werden. Akute Lebensgefahr bestand aber offenbar nicht. Die Staatsanwaltschaft geht allerdings davon aus, dass der angeblich 16-Jährige den Tod des Opfers zumindest in Kauf genommen hat. Das Messer soll er vorher aus einem Döner-Laden mitgenommen haben.
Die Richter am Essener Landgericht haben für den Prozess zunächst noch fünf Verhandlungstage bis Anfang April vorgesehen. Neben dem angeblich 16-Jährigen sitzt auch noch dessen Bruder in Untersuchungshaft. Seine beiden mitangeklagten Onkel, die sich ebenfalls an der Prügelei beteiligt haben sollen – unter anderem mit einem Verkehrszeichen –, sind auf freiem Fuß.
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