Hattingen. Dr. Frank Gilger (63) ist Hausarzt in Hattingen, er sorgt sich um seinen Berufsstand: „Muss sich einiges verbessern im System.“ Wofür er kämpft.
„Hausarzt zu sein“, sagt Dr. Frank Gilger aus Hattingen, „ist ein echter Irrsinn geworden.“ Immer mehr machten da nicht mit. Junge Leute, die eine Hausarztpraxis übernehmen wollen, gebe es kaum noch. Und von vielen älteren Kolleginnen und Kollegen um ihn herum höre er, dass sie vorzeitig in den Ruhestand gehen wollen. Frank Gilger, 63, sagt, er liebe den Hausarzt-Beruf. „Aber es muss sich einiges verbessern im System.“ Dafür kämpft er.
Der Mediziner, Mitglied im Hausärzteverband Westfalen-Lippe, hat in seiner Praxis im Steinhagen Listen ausliegen - zur Sammlung von Unterstützungs-Unterschriften für eine Petition seines Verbandes. Deren Motto: „Rettung der hausärztlichen Versorgung“. Frank Gilger sagt: „Das Problem ist vielschichtig.“ Es hat zu tun mit Aufwand, Ertrag und Wertschätzung.
Praxisstunden, Hausbesuche und Verwaltungsarbeit
Der Hattinger, der seine Praxis zusammen mit seiner Frau Silke Käbe-Gilger (58) betreibt, sagt: „Meine Wochenarbeitszeit beträgt Minimum 50, nicht selten auch an die 60 Stunden.“ Zusätzlich zu rund 40 Praxisstunden kämen ja die Hausbesuche und die Verwaltungsarbeit, rechnet er vor. Und dieser Arbeitsaufwand sei überall ähnlich.
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Vier medizinische Fachangestellte (MFA), sagt der Mediziner, gebe es etwa in seiner 2023 eröffneten Praxis in der Altstadt, allein in der Zeit seien die Tariflöhne für diese um fast 14 Prozent gestiegen. „Das halte ich auch für absolut gerechtfertigt“, betont Frank Gilger. Doch mit dem Anstieg der MFA-Tarife einher gehe auch ein geringerer finanzieller Spielraum für die Hausärzte. Ihre Vergütung sei im selben Zeitraum nur um knapp zehn Prozent gestiegen. Vergleiche man den Anstieg von MFA-Gehältern mit dem der Hausärzte-Honorare seit 2021, so sei der Unterschied noch weitaus größer.
Gilger: Als Hausarzt wisse man nicht, ob erbrachte Leistung tatsächlich bezahlt werde
Und dann, so Gilger, wisse man als Hausarzt noch nicht einmal, ob eine Leistung, die man erbracht habe, tatsächlich bezahlt werde. So etwa seien die Abrechnungen von der Kassenärztlichen Vereinigung „unmöglich nachzuvollziehen, die sind total intransparent“.
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Was unterdessen die „Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen“ betrifft, von den Ex-Ampelparteien jüngst im Bundestag beschlossen, so bleibt der Facharzt für Allgemeinmedizin und Radiologie skeptisch. „Wie viel diese Beschlüsse am Ende wirklich wert sind in der Praxis, das muss sich erst noch zeigen.“ Und dass diese Maßnahme genügt, um junge Menschen für den Hausarzt-Beruf zu begeistern, glaubt er schon gar nicht.
Zudem ärgert Frank Gilger, „dass einige sonstige häufige Leistungen wie etwa Ultraschalldiagnostik, die wir wie viele andere Hausarzt-Praxen anbieten, nicht in der Entbudgetierung enthalten sind“.
„Anstatt dass wir unsere Patienten bestmöglich versorgen dürfen, müssen wir bei unseren Behandlungen stark wirtschaftlich denken.“
Frank Gilger sagt: „Anstatt dass wir unsere Patienten bestmöglich versorgen dürfen, müssen wir bei unseren Behandlungen stark wirtschaftlich denken.“ Dies - wie auch eine überbordende Bürokratie sowie die Gefahr von Regressen (Strafzahlungen) wegen nach Kasseneinschätzung nicht angezeigter Leistungserbringungen und verschriebener Medikamente - schrecke sehr viele von diesem Beruf ab.
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Was sich Frank Gilger wünscht? Ein Teampraxis-Zuschlag „zur Stärkung der unverzichtbaren Arbeit des gesamten Praxisteams“, die vollständige Vergütung aller erbrachten Leistungen, ein Bürokratie-Abbau: Das zusammen könne helfen, um auch junge Menschen anzulocken, als Hausarzt zu arbeiten, sagt er. Und eine wertschätzendere Sicht auf seinen Berufsstand - etwa durch eine Weiterentwicklung der Hausarztzentrierten Versorgung.
Die sei gut auch für das gesamte Gesundheitssystem, findet Gilger: „Wenn mehr Patienten zunächst zu uns Hausärzten gehen und dann weitergelotst würden, dann würden viel weniger in Facharztpraxen aufschlagen, in die sie mit ihren Beschwerden gar nicht hin gehören.“
Zum Hintergrund: Die Petition
Der Bundesverband der Hausärztinnen und Hausärzte hat eine Petition zur Rettung der hausärztlichen Praxen gestartet. Hintergrund ist die nach Ansicht des Verbandes „dramatische Lage, in der sich die hausärztliche Versorgung in Deutschland in vielen Regionen bereits jetzt befindet“.
Daher fordert er: die vollständige Vergütung aller erbrachten hausärztlichen Leistungen; die Stärkung des Praxisteams durch einen von den Kassen zu zahlenden „Teampraxis-Zuschlag“. Und die Stärkung der Hausarztzentrierten Versorgung.
Der Grundgedanke: Patienten sollen „von ihrer Hausarztpraxis durch unser überkomplexes Gesundheitssystem begleitet werden. Der Hausarzt übernimmt die Versorgung und koordiniert die Behandlung, wann immer nötig. Das verbessert die Patientenversorgung nachweislich. Gleichzeitig wird der Hausarzt für seine Leistungen fair vergütet und in seiner Rolle gestärkt“, so Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes.
Die Petition läuft bis zum 17. Februar. Weitere Infos auf: www.haev.de/themen/petition