Hattingen. Ich bin trans. Für ein psychologisches Gutachten musste ich ins Gefängnis, erklären „Wie sieht es untenrum aus?“ Und alles für einen neuen Namen.

Oftmals ist der Name des Neugeborenen bei werdenden Eltern ein großes Thema. Immerhin soll das Kind statistische 83 Jahre mit diesem Namen leben. Doch was passiert, wenn das eigene Kind nach 14 Jahren auf die Eltern zukommt und verkündet, es wolle seinen sorgfältig ausgewählten Namen ändern? Genau das ist meinen Eltern widerfahren. Sie haben jahrelang eine Tochter aufgezogen, die sich plötzlich als Mann fühlte. Nach dem ersten Schock haben sie mich auf meinem Weg voll unterstützt.

Nach einer schrittweisen sozialen Namensänderung in der Familie, im Freundeskreis und später der Schule, sollte schließlich, drei Jahre später, die offizielle Vornamensänderung folgen. Für viele trans* Personen ein großer Meilenstein, aber bis vor Kurzem auch eine bürokratische Herausforderung. Hier folgt nun meine Geschichte, zum eigenen Schutz werden weder mein früherer noch mein heutiger Name genannt.

80er hinterließen nicht nur Schulterpolster, sondern auch Transsexuellengesetz

Bis November 2024 galt in Deutschland das sogenannte Transsexuellengesetz. Erstmals 1981 war es hiermit möglich, eine Änderung beim Amt eintragen zu lassen. Und in großen Teilen galt das Gesetz auch noch für mich.

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Einige Absätze wie der, dass der Namensänderung eine Sterilisierung (und operative Geschlechtsangleichung) zuvorkommen muss, wurden bereits 2011 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft. Auch wenn das Gesetz bis 2023 so bereits in Teilen verändert wurde, stieß es weiterhin auf starke Kritik, darunter auch von mir. Der ganze Prozess ist eine herabwürdigende Prozedur für die antragstellende Person.

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Das Transsexuellengesetz sieht für die Namensänderung mehrere Kriterien vor, welche ich erfüllen musste. Ich musste seit drei Jahren in der Öffentlichkeit als Mann leben und mich im Verlauf des Antrags zwei psychologischen Gutachten unterziehen, eins davon fand in der Justizvollzugsanstalt in Essen statt. Insgesamt kostet die Namensänderung über das veraltete Gesetz durch den hohen bürokratischen Aufwand um die 1500 Euro, ganz im Gegensatz zu der „normalen“ Vornamensänderung, dessen Kosten in der Regel bei 125 Euro liegen.

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Völlig Fremden die Männlichkeit beweisen müssen

Die Gutachter, die letztendlich entscheiden würden, ob ich „männlich genug“ sei, damit auch der deutsche Staat diese Tatsache akzeptiert, wurden mir zufällig zugeteilt. Erwartet wurde, dass ich mich und meine Geschlechtsidentität beweise. Mein Erscheinungsbild und meine Kleidungswahl wurden dabei unter die Lupe genommen und mein bisheriger Lebenslauf abgefragt.

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Bei jeder Frage hatte ich Angst, dass ich das Gutachten „verlieren“ würde, weil ich das eine Mal im Kindergarten mit einer Barbie-Puppe gespielt habe. Die Gutachter arbeiteten zudem mit Fragebögen, ebenfalls aus dem Jahr 1981, die zunehmend intime Fragen über mein Sexualleben vorsahen. Ich war damals erst 17 Jahre alt, glücklicherweise haben meine Gutachter diesen Teil deshalb kurz gehalten.

Für viele trans* Personen ist eine Namensänderung ein großer Meilenstein. Bis vor Kurzem war sie auch eine bürokratische Herausforderung. 
Für viele trans* Personen ist eine Namensänderung ein großer Meilenstein. Bis vor Kurzem war sie auch eine bürokratische Herausforderung.  © Montage: Lisa-Marie Pütter | Adobe Stock

Die finalen Berichte, die auch mir zugesendet wurden, beinhalteten teilweise faktisch falsche Informationen über meinen Werdegang, die ich niemals so geäußert hatte und fokussierten sich auf Bereiche meines Lebens, die mit meiner Geschlechtsidentität ähnlich viel zu tun haben, wie ein Fisch mit der Sahara.

Männlich genug für die offizielle Änderung

Trotzdem kamen beide Gutachten zu dem Schluss, dass ich, der seit Jahren eine männliche Geschlechtsidentität auslebt und in sozialen Kreisen auch als junger Mann akzeptiert wird, männlich genug für die offizielle Änderung sei. Der letzte Schritt für mich war ein Besuch beim Familiengericht, wo ich eine etwa zweiminütige Konversation mit der Richterin hielt, bevor sie meine Vornamens- und Personenstandsänderung bestätigte.

Jeder der von mir gegangenen Schritte, bevor ich meinen geänderten Personalausweis in Hattingens Bürgerbüro endlich in der Hand hielt, war unnötig bürokratischer Aufwand, der mich und unser Verwaltungsorgan wertvolle Ressourcen gekostet hat. Alle Beteiligten können demnach von Glück sprechen, dass seit November letzten Jahres ein einzelner Besuch im Bürgerbüro (mit drei Monate zurückliegender Anmeldung) für solch eine Namensänderung ausreicht.

Das neue Selbstbestimmungsgesetz

Im November 2024 wurde das Transsexuellengesetz vom Selbstbestimmungsgesetz abgelöst. Für eine Änderung des Namens und des Geschlechtseintrages reicht seitdem ein Besuch im Bürgerbüro aus, der drei Monate im Voraus angemeldet werden muss.

Die Anzahl der in Deutschland durchgeführten geschlechtsangleichenden Operationen hat in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen: Waren es im Jahr 2012 laut Statistischem Bundesamt noch 883 Eingriffe, stieg die Zahl im Jahr 2022 auf 2600. Die Zahl der trans Frauen ist dabei jeweils ungefähr doppelt so hoch wie die der trans Männer.

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